Année politique Suisse 1975 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Strassenverkehr
Im Strassenverkehr bestätigte sich eine 1973 eingetretene Tendenzwende : Gegenüber der gleichen Periode des Jahres 1974 verminderten sich im ersten Halbjahr sowohl die Verkehrsunfälle als auch die Motorfahrzeugimporte [38]. Eine lebhafte Kontroverse löste die Empfehlung der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) an den Bundesrat zur Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit innerorts von 60 auf 50 km/h aus. Die Befürworter der Reduktion machten einen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsbeschränkung und Verminderung der Unfallhäufigkeit und -schwere geltend. Als Gegner profilierten sich besonders die Automobilverbände, welche auf die problematischen Kontrollmöglichkeiten verwiesen, und eine « Aktion Freie Fahrt », die für den Fall einer Reduktion sogar eine Verfassungsinitiative zur Wiedereinführung von Tempo 60 erwog [39]. Die Versuchsperiode für die Geschwindigkeitsbegrenzungen ausserorts (100 bzw. 130 km/h auf Autobahnen) wurde vom Bundesrat bis Ende 1976 verlängert. Zu einem in der Regel gut aufgenommenen Entscheid kam es in der Frage des Tragens von Sicherheitsgurten : ein entsprechendes Obligatorium wurde auf Beginn 1976 verfügt [40]. Umstrittener war das Problem der Blutalkoholgrenze. Trotz der Bereitschaft des Bundesrates, ein diesbezügliches Postulat Zwygart (evp, BE) — Herabsetzung der Grenze von 0,8 auf 0,5 Promille — anzunehmen, verhielt sich der Nationalrat ablehnend [41]. Dagegen überwies er ein Postulat R. Kohler (fdp, BE) zur Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Erhebung von Beiträgen zugunsten der Unfallbekämpfung. Das EJPD unterbreitete daraufhin einen Vorentwurf zu einem entsprechenden Bundesgesetz zur Vernehmlassung, demzufolge die Motorfahrzeughalter in Anwendung des Verursacherprinzips einen Beitrag bis zu 1 % ihrer Haftpflichtversicherungs-Prämie zu entrichten hätten [42]. Die Verwendung von Stiftreifen im Winter schränkte der Bundesrat weiter ein, indem er sie auf Autobahnen verbot [43].
Nach der einstimmigen Annahme des revidierten Strassenverkehrsgesetzes durch die Räte machte die Landesregierung auch gleich von ihren Kompetenzen Gebrauch. Erlassen wurden zunächst verschiedene Vorschriften zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wie das Recht für Ärzte zur Meldung fahruntauglicher Motorfahrzeugführer sowie neue Verordnungen über Haftpflicht und Versicherung (Erhöhung der Mindestversicherungssummen und Ausdehnung der Haftpflichtversicherung auf Familienangehörige) [44]. Zur Diskussion stand die Haftpflichtversicherung ebenfalls im Zusammenhang mit dem Volksbegehren nach einer staatlichen Versicherungsanstalt. Das Parlament folgte dem Antrag des Bundesrates auf Verwerfung der Initiative ohne Gegenvorschlag. Opposition gab es nur im Nationalrat, wo ein sozialdemokratischer Antrag die Initiative unterstützte. Bundesrat Furgler stellte bei dieser Gelegenheit den Ausbau der Kontrolle durch ein neues Versicherungsaufsichtsgesetz in Aussicht [45].
Das Volksbegehren für zwölf autofreie Sonntage, das die Erfahrungen der Erdölkrise von 1973 im Sinne des Umweltschutzes nutzen möchte, wurde mit 115 673 gültigen Unterschriften eingereicht, wobei mehr als die Hälfte der Unterzeichner aus den Kantonen Bern und Zürich stammten. Weitere Bestrebungen zum Schutz der Umwelt vor Verkehrsimmissionen werden an anderer Stelle näher behandelt [46].
 
[38] Unfälle : -3,7 % (Todesopfer : -1 %, Verletzte : -7,2 %) ; vgl. NZZ (sda), 179, 6.8.75. Importe : -9,1 % ; vgl. TA, 140, 20.6.75 ; 177, 4.8.75. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 93 ; 1974, S. 97 f. ; Ww, 36, 10.9.75.
[39] BfU : Presse vom 18. und 19.6.75. Befürworter : Tat, 171, 22.7.75 ; Ldb, 186, 15.8.75 ; 287, 11.12.75 ; TA, 195, 25.8.75 ; NZZ (sda), 202, 2.9.75. Gegner : NZZ (sda), 144, 25.6.75 ; 292, 16.12.75 ; LNN, 152, 4.7.75 ; Vat., 161, 15.7.75 ; 202, 2.9.75. Vgl. ferner SPJ, 1972, S. 96 ; 1973, S. 93.
[40] Versuchsperiode : AS, 1975, Nr. 49, S. 2326 ; vgl. dazu SPJ, 1972, S. 96 ; 1974, S. 98. Sicherheitsgurten : AS, 1975, Nr. 11, S. 541 ; Presse vom 11.3.75 ; TA, 61, 14.3.75 ; vgl. SPJ, 1973, S. 94.
[41] Postulat : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1856 ff. (Widerstand aus den Weinbau-Kantonen). Befragungen deuteten auf eine mehrheitliche Befürwortung der Herabsetzung (TA, 233, 8.10.75 ; TLM, 330, 26.11.75). Vgl. auch NZZ, 42, 20.2.75 ; TLM, 322, 18.11.75.
[42] Postulat : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 956. Vernehmlassung : NZZ (sda), 258, 6.11.75. Vgl. auch SPJ, 1974, S. 99 ; NZZ, 263, 12.11.75 ; SAZ, 70/1975, S. 464.
[43] AS, 1975, Nr. 39, S. 1763. Vgl. SPJ, 1973, S. 94.
[44] Strassenverkehrsgesetz : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 571 ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 233 ; AS, 1975, Nr. 27, S. 1257 ff. Inkraftsetzung : AS, 1975, Nr. 27, S. 1268 f. ; Nr. 42, S. 1857 ff. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 93 f. ; 1974, S. 98.
[45] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1019 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 760 ff. ; BBI, 1975, II, Nr. 52, S. 2294 f. Vgl. dazu SPJ, 1971, S. 105 f. ; 1972, S. 97 ; 1974, S. 98 f. Zu gewerkschaftlicher Kritik am Verwerfungsantrag vgl. gk, 8, 27.2.75 ; 22, 26.6.75.
[46] Volksbegehren : BBI, 1975, II, Nr. 30, S. 436 ff. ; vgl. dazu SPJ, 1973, S. 95 ; 1974, S. 99. Weitere Bestrebungen : vgl. unten, Teil I, 6d (Abgase und Lärm).