Année politique Suisse 1975 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
PTT
Die finanzielle Lage der PTT-Betriebe verschlechterte sich weiterhin. Die Rechnung für 1974 schloss mit einem Defizit von 229,4 Mio Fr. und erreichte damit beinahe den Fehlbetrag der SBB. Die Abweichung gegenüber dem veranschlagten Verlust von 153 Mio Fr. musste einmal mehr auf den teuerungsbedingten Mehraufwand für Personal und Material zurückgeführt werden. Unter Einschluss der Verlustvorträge der drei Vorjahre belief sich mithin der akkumulierte Beinverlust Ende 1974 auf 376,8 Mio Fr. Dieser wurde wiederum auf die Rechnung des folgenden Jahres vorgetragen [47]. Angesichts dieser Entwicklung gab das als widersprüchlich empfundene Pflichtenheft der PTT (Eigenwirtschaftlichkeit einerseits, gemeinwirtschaftliche Leistungen anderseits) zu ausgedehnten Diskussionen Anlass [48]. Direktionsvertreter der PTT konnten demgegenüber einen Ausbau statt weiteren Abbau des Dienstleistungsangebotes in Aussicht stellen. Im Zeichen derartiger Image-Pflege stand ebenfalls ein Informationsseminar über aktuelle Probleme der PTT. Als Grund für verbesserte Voraussetzungen verwies man auf die im Zuge der wirtschaftlichen Rezession erfolgte Tendenzwende auf dem Arbeitsmarkt, wodurch sich die PTT zahlreicher Rekrutierungsschwierigkeiten enthoben sehe [49].
Um die PTT wenigstens für 1976 wieder aus den roten Zahlen herauszuführen, stimmte das Parlament der Vorlage des Bundesrates zur Erhöhung der Inlandposttaxen zu. Dabei gab nicht so sehr die Erhöhung der Brief- und Pakettaxen als die Heraufsetzung der Zeitungstransporttarife zu Bedenken Anlass. Im Sinne eines Entgegenkommens gegenüber der Presse, insbesondere den kleinen Zeitungen, wurden die entsprechenden Taxen von den Räten tiefer angesetzt, als der Bundesrat vorgesehen hatte. Kritik grundsätzlicher Art wurde insofern laut, als eine Sanierung der PTT nicht allein durch Taxerhöhungen oder gar Leistungsabbau, sondern mittels weiterer Rationalisierung sowie einer besseren Ausrichtung des Angebotes auf die Kundenbedürfnisse verlangt wurde [50]. Die Berechtigung der Bestrebungen, die Postfracht zu diesem Zweck vermehrt auf der Strasse statt auf der Schiene zu befördern, wurde allerdings aus eisenbahn- und umweltschutzpolitischen Motiven angefochten [51].
In eigener Kompetenz sowie gestützt auf die 1974 am Weltpostkongress in Lausanne unterzeichneten Vereinbarungen verfügte der Bundesrat gegen Jahresende auch eine erneute Erhöhung der Auslandposttaxen [52]. Die Vorkehrungen im Taxbereich sowie « drastische » Sparmassnahmen ermöglichten für 1976 ein positives Budget. Der vorgesehene Gewinn von 30 Mio Fr. reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die akkumulierten Defizite der Vorjahre abzutragen. Der Nationalrat überwies deshalb ein Postulat der Finanzkommission für eine Umwandlung des Verlustvortrages per Ende 1975 in ein Bundesdarlehen an die PTT. Die Dringlichkeit dieses parlamentarischen Vorstosses verstärkte sich, als gegenüber dem Voranschlag 1975, der einen ausgeglichenen Rechnungsabschluss vorgesehen hatte, ein neues Defizit von 53 Mio Fr. resultierte [53].
Als ausgesprochenes Politikum erwies sich die Wahl eines neuen PTT-Generaldirektors. Mit dem Entscheid für den welschen Sozialdemokraten G. Nobel als Nachfolger des zurücktretenden F. Bourquin blieb der bisherige Parteien- und Sprachenproporz im Dreier-Direktorium gewahrt. Dies führte insofern zu heftiger Kritik, als man vorab in der bürgerlichen Presse das Wahlergebnis als einen Sieg « politisch-opportunistischer » Überlegungen über fachlich-persönliche Kriterien interpretierte. In Beantwortung eines parlamentarischen Vorstosses betonte demgegenüber der Bundesrat das Primat funktionsspezifischer Qualifikationen vor parteipolitischen Voraussetzungen für die Wahl [54].
 
[47] PTT-Geschäftsbericht, 1974 ; BBI, 1975, II, Nr. 25, S. 218 f.
[48] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1000 ff. und 1006 f. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 285 ff. und 295 f. ; Vat., 29, 5.2.75 ; 201, 1.9.75 ; Bund, 279, 28.11.75. Vgl. zudem « Meinungsaustausch über die Monopolstellung der PTT-Betriebe », in Schweiz. Archiv für Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik, 30/1975, S. 245 ff.
[49] Dienstleistungsangebot : SZ, 166, 21.7.75 ; LNN, 170, 25.7.75 ; 24 Heures, 204, 3.9.75. Informationsseminar : Bund, 203, 1.9.75 ; TA, 201, 1.9.75 ; Ldb, 209, 11.9.75. Arbeitsmarkt : TA, 41, 19.2.75 ; TG, 41, 19.2.75 ; NZ, 57, 20.2.75 ; gk, 8, 27.2.75 ; zum Arbeitsmarkt vgl. auch unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[50] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 763 ff. und 1035 ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 213 ff. ; 336 und 474 ; AS, 1975, Nr. 46, S. 2027 ; vgl. auch die Presse vom 11.6.75. Zu den Zeitungstaxen vgl. ferner SPJ, 1974, S. 100 ; Ww, 12, 26.3.75. Zur Kritik an der PTT-Verwaltung vgl. auch SPJ, 1973, S. 95 f. ; 1974, S. 99 f. sowie wf, Dokumentations- und Pressedienst, 7, 17.2.75.
[51] Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1007 (Postulat Bussey, sp, VD). Vgl. auch SPJ, 1972, S. 98 sowie 24 Heures, 82, 10.4.75 ; TLM, 341, 7.12.75.
[52] Weltpostkongress : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 788 f. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 226 f. ; BBI, I, Nr. 3, S. 57 ff. ; vgl. auch SPJ, 1971, S. 109. Auslandposttaxen : AS, 1975, Nr. 46, S. 2053 ff.
[53] Budget 1976 : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1689 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 675 ff. ; BBI, 1975, II, Nr. 52, S. 2312 f. Postulat : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 1689 ff. Rechnung 1975 : NZZ (sda), 48, 27.2.76.
[54] Wahl : SZ, 5, 8.1.75 ; NZZ, 8, 11.1.75 ; NZ, 16, 15.1.75 ; 277, 6.9.75 ; 24 Heures, 15, 20.1.75 ; Tat, 30, 5.2.75 ; Presse vom 6.2.75 ; Bund, 32, 9.2.75 ; Tw, 42, 20.2.75. Vorstoss : Amtl. Bull. NR, 1975, S. 988 ff. (Interpellation Alder, ldu, BL). Vgl. oben, Teil I, 1c (Administration).