Année politique Suisse 1975 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
Berufsbildung
Als Ergebnis längerer und breitangelegter Vorarbeiten, über die wir bereits in früheren Jahren orientiert haben
[15], konnte das EVD einen
Vorentwurf für ein neues Bundesgesetz über die Berufsbildung in die Vernehmlassung schicken. Der Entwurf enthielt, ähnlich dem seit 1965 geltenden Gesetz, zahlreiche Rahmenbestimmungen, die es erlauben, den in raschem Wandel begriffenen Anforderungen an die Berufsbildung durch Weiterentwicklungen Rechnung zu tragen. Radikale Neuerungen konnten nach dem Stand der Dinge nicht erwartet werden. Am Grundsatz der Ausbildung im Betrieb wurde festgehalten. Verbessert werden sollten vor allem die praktische Ausbildung im Betrieb und der berufliche Unterricht, der in Grundschulkursen (periodische Lehrgänge auf überbetrieblicher Ebene), in Berufsschulen und — für besonders begabte Lehrlinge — in Berufsmittelschulen erfolgt. Einrichtungen, die in den vergangenen Jahren bereits vielerorts mit Erfolg erprobt worden waren, sollten somit obligatorisch werden. Ebenfalls obligatorisch erklärte man die Lehrmeisterausbildung. Allerdings wurde der Besuch entsprechender Kurse nur für jene Lehrmeister vorgeschrieben, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nicht mindestens einen Lehrling mit Erfolg ausgebildet haben. Ferner sollte der Bund verpflichtet werden, Einrichtungen und Veranstaltungen zu unterstützen, die den beruflichen Aufstieg fördern oder die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Bildungssystemen erleichtern
[16]. Im Vernehmlassungsverfahren, das ein Kommentar als kostspieligen und zeitraubenden Leerlauf bezeichnete. verdeutlichten sich die Standpunkte, die schon in den vergangenen Jahren bezogen worden waren
[17]. Enttäuscht zeigten sich jene Kreise, welche in der Berufsbildung einen Bestandteil eines umfassenden Bildungssystems sahen und für eine breitere Grundausbildung des Lehrlings eintraten. Verschiedentlich wurde auf die Notwendigkeit eines neuen Bildungsartikels in der Bundesverfassung hingewiesen. Der Gewerkschaftsbund unterstrich seine weitergehenden Forderungen durch die Lancierung einer Petition, was von, der Arbeitgeberseite als « Umfunktionierung des Vernehmlassungsverfahrens in ein Plebiszit» energisch zurückgewiesen wurde
[18]. Arbeitgeberkreise bezeichneten den Entwurf als « ausgewogen und praxisnah » und liessen eine klare Frontstellung gegen die vor allem von den Gewerkschaften vertretene Ausweitung des Berufsschulunterrichts erkennen. In der Diskussion wurde verschiedentlich auf das Beispiel der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen, wo zu hohe gesetzliche Auflagen zu einem starken Rückgang der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe und damit zu verstärkter Jugendarbeitslosigkeit geführt hätten. Gegen das Obligatorium für Lehrmeisterkurse wandte sich lediglich der Schweizerische Gewerbeverband.
1974 wurden gesamthaft
51 559 Lehrverträge abgeschlossen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies eine Zunahme von 3,5 %. Während der Anstieg im Jahre 1973 noch vorwiegend auf das Konto der Büroberufe gegangen war, verzeichneten nun die als « krisensicher » erachteten gewerblich-industriellen Berufe hohe Zuwachsraten. Besonders starkes Interesse fanden der Gartenbau, die Gruppe Holz und Kork (Schreiner), das Gastgewerbe und die Gruppe Nahrung und Getränke (Bäcker, Konditor, Metzger)
[19]. Mehrfach wurde betont, dass es den Betrieben erstmals seit längerer Zeit wieder möglich sei, eine qualitative Auslese vorzunehmen
[20].
Die Frage des
bezahlten Bildungsurlaubs wurde wieder einmal aufgeworfen, als der Bundesrat in einem Bericht an die eidgenössischen Räte davon absehen wollte, ein entsprechendes Übereinkommen der Internationalen Arbeitskonferenz zu ratifizieren. Die Landesregierung hielt fest, dass die Schweiz den Anforderungen des Übereinkommens nicht zu genügen vermöge, und bekräftigte die bisherige Politik, nach welcher die Regelung des bezahlten Bildungsurlaubs über die Gesamtarbeitsverträge zu erfolgen hat. Beide Kammern stimmten der Auffassung der Exekutive zu
[21].
[15] Vgl. SPJ, 1969, S. 140 ; 1972. S. 131 f. ; 1974, S. 138.
[16] Presse vom 5.7.75 ; NZZ, 165, 19.7.75 ; Ldb, 261, 11.11.75 ; Die Volkswirtschaft, 48/1975, S. 477.
[17] Vgl. oben, Anm. 20. Kommentar in TA, 153, 5.7.75. Zusammenfassungen in LNN, 7, 10.1.76 ; Bund, 8, 12.1.76 ; TA, 21, 27.1.76.
[18] gk, 40, 4.12.75 ; NZZ, 292, 16.12.75 ; SAZ, 70/1975, S. 861. Zum gewerkschaftlichen Vorgehen vgl. SPJ, 1974, S. 138.
[19] Vgl. SPJ, 1974, S. 138 ; wf, Artikeldienst, 25, 23.6.75 ; TA, 193, 22.8.75.
[20] BN, 10, 13.1.75 ; Ww, 11, 19.3.75 ; BZ, 91, 3.4.75 ; NZZ, 84, 12.4.75.
[21] BBI, 1975, 11, Nr. 29, S. 359 ff.; Amtl. Bull. StR, 1975, S. 752 ff. (Behandlung im Nationalrat am 18.3.76) ; TA, 164, 18.7.75 ; Ww, 29, 23.7.75 ; VO, 172, 29.7.75 ; 174, 31.7.75 ; 181, 8.8.75. Vgl. auch SPJ, 1969, S. 118 ; 1973, S. 116.
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