Année politique Suisse 1976 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
Parlament
Die für die Frage nach der Zukunft des Parlaments 1974 eingesetzte
Studienkommission legte im Frühjahr einen Zwischenbericht vor. Darin empfahl sie, das Milizparlament vor allem durch Konzentration seiner Arbeit in einer grösseren Zahl von ständigen Kommissionen zu stärken ; für Einzelgeschäfte gebildete ad hoc-Ausschüsse sollten die Ausnahme werden. Von den ständigen Kommissionen, die auch periodische Aussprachen über langfristige Entwicklungen und Grundsatzfragen zu pflegen hätten, erwartete man mehr Kontinuität und Initiative als von den wechselnden Gremien nach bisheriger Praxis. Überdies wollte man den Fraktionen durch Ausbau ihrer Sekretariate grösseren Einfluss geben. Anderseits gedachte man die Beziehungen des Parlaments zur Öffentlichkeit, insbesondere zu den Massenmedien, durch ein besonderes Organ zu beleben. In der Presse kam freilich die Befürchtung zum Ausdruck, eine weitere Verschiebung des Gewichts auf die Kommissionen würde die Volksvertretung ihren Wählern noch mehr entfremden
[12].
Da die Vernehmlassungen der Kantone und der Parteien zur Frage einer
Revision des Nationalratswahlrechts überwiegend negativ ausfielen, gab der Bundesrat dieses Vorhaben, das auf ein Postulat Binder (cvp, AG) aus dem Jahre 1970 zurückging, endgültig preis, und so hatte es mit dem proportionalen Repräsentationssystem wie auch mit der föderalistischen Wahlkreiseinteilung sein Bewenden
[13]. Dagegen eröffnete sich eine gewissere Aussicht auf Vereinheitlichung des Wahlverfahrens für die Kleine Kammer : die Gründung eines Kantons Jura wird das Haupthindernis für eine Volkswahl der bernischen Ständeräte, den traditionellen Vertretungsanspruch des französischsprachigen Landesteils, wegfallen lassen. Eine freisinnige Grossratsmotion für die Einführung der Volkswahl veranlasste die bernischen Sozialdemokraten zum Rückzug ihrer 1973 eingereichten Initiative
[14]. Das Verfahren für die vom Parlament selber zu vollziehenden Wahlen, insbesondere für die Bestellung des Bundesrates, wurde in einem neuen Reglement der Vereinigten Bundesversammlung erstmals fixiert. Dass diese Versammlung einmal mehr einen Parlamentarier als Ersatzmann ins Bundesgericht abordnete, wurde angesichts der häufigen Inanspruchnahme solcher Ersatzleute durch das Gericht als Verstoss gegen die Gewaltentrennung beanstandet
[15].
Infolge des raschen Wandels der Verhältnisse verdichtet und kompliziert sich die
Gesetzgebung. Bundeskanzler Huber betonte vor den Zürcher Juristen, dass nicht zuletzt das Misstrauen der Interessengruppen gegen die Behörden die einfache, verständliche Formulierung der Erlasse verhindere. Er warnte auch vor parlamentarischer Betriebsamkeit und Initiativenflut und verwies auf die Bemühungen des EJPD, durch methodische Richtlinien die Verwaltung zu einer klaren und logischen Rechtssetzung zu veranlassen
[16]. Empfehlungen zur Ausarbeitung der Bundesgesetze gab ferner die Staatsschreiberkonferenz ; sie wünschte insbesondere die Beschränkung auf das Notwendige, damit den Kantonen eine eigene Gestaltungsfreiheit bliebe. Gleichzeitig ersuchte sie um ausreichende Fristen für Vernehmlassungen sowie für die Bereitstellung der kantonalen Vollzugserlasse. Über Zeitmangel im Vernehmlassungsverfahren beklagte sich auch die CVP
[17]. Dem Wunsch nach grösserer Transparenz des vorparlamentarischen Verfahrens entsprach der Bundesrat durch die Anordnung, Vernehmlassungen in der Regel zu veröffentlichen
[18].
[12] Presse vom 11.5.76 ; NZZ, 258, 3.11.76. Vgl. dazu SPJ, 1975, S. 19 f., ferner K. Eichenberger, « Ohnmacht des Parlaments, Allmacht der Verwaltung?», in Erneuerung der schweizerischen Demokratie ?, hg. v. E. Gruner u. J. P. Müller, Bern 1977, wo eine Verstärkung der Position des Parlaments in den letzten Jahren festgestellt und ein unverkrampftes Zusammenwirken der Staatsorgane postuliert wird.
[13] Presse vom 14.9.76. Vgl. dazu SPJ, 1970, S. 23 ; 1973, S. 20 f. ; 1975, S. 20. Im Blick auf die Gründung eines Kantons Jura verlor die Forderung nach Aufteilung grosser Kantonswahlkreise ihre politische Dringlichkeit (vgl. SPJ, 1969, S. 25 f.). Zur Frage der Wählbarkeit von Bundesbeamten als Nationalräte vgl. unten, Volksrechte.
[14] TW, 46, 25.2.76 ; 112, 14.5.76 ; Bund, 112, 14.5.76. Vgl. dazu SPJ, 1973, S. 21 sowie unten, Teil I, 1d (Question jurassienne).
[15] Reglement : Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1742 ; AS, 1977, S. 231 ff. Vgl. dazu SPJ, 1975, S. 18. Bundesgericht : Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1739 ff. ; Ldb, 287, 9.12.76 ; Vat., 288, 9.12.76 ; Verhandl. B.vers., 1976, IV, S. 10 (Initiative Alder, Idu, BL).
[16] K. Huber, « Gesetzesinflation ? Aspekte des Gesetzgebungsprogrammes des Bundes », in Documenta, 1976, Nr. 6, S. 17 ff. Vgl. auch Gesch.ber., 1976, S. 107 f. und SPJ, 1971, S. 23.
[17] Staatsschreiber : Vat., 274, 23.11.76 ; vgl. SPJ, 1973, S. 23 ; 1974, S. 21. CVP : Vat., 162, 15.7.76.
[18] BBI, 1976, II, S. 949 ; vgl. SPJ, 1970, S. 23. Vgl. dazu auch W. Buser, « Fallen die Entscheide im Vorverfahren der Gesetzgebung ? », in Documenta, 1976, Nr. 1, S. 10 ff.
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