Année politique Suisse 1976 : Chronique générale / Défense nationale
 
Zivilschutz
Zu einem Truppeneinsatz mit zivildienstähnlichem Zweck kam es im Juli infolge der ausserordentlichen Trockenheit. Neben dem Zivilschutz führten Armeeinheiten in verschiedenen Landesgegenden kostenlos Wassertransporte und Bewässerungsarbeiten durch [40].
Die neue Konzeption für den Zivilschutz, die das Parlament in den Jahren 1971 und 1972 gutgeheissen hatte, fand nunmehr ihren Ausdruck in einer Gesetzesrevision. Um den kontinuierlichen Aufbau nicht zu stören, beschränkte sich der Entwurf des Bundesrates auf einige dringliche Anpassungen. Ausser der Ausdehnung der Organisations- und Baupflicht auf die Kleingemeinden und der Verminderung der öffentlichen Beiträge an Private auf höchstens 60 % sah er folgende Neuerungen vor : Ersetzung der Hauswehren durch Schutzraumorganisationen und zugleich Konzentration des Schutzraumbaus auf grössere Anlagen, Erfassung aller Dienstpflichtigen durch regelmässige 'Ausbildungsdienste sowie Ermächtigung des Bundesrates, die Bautätigkeit durch Festsetzung von Prioritäten zu steuern. Auf diese Weise wird ein gleichmässigerer und umfassenderer Ausbau der Schutzvorkehren angestrebt. Angesichts der Finanzknappheit auf allen Ebenen hat man freilich den Abschluss dieses Ausbaus über 1990 hinaus verschoben [41].
Noch nicht entscheidungsreif wurde die neue gesetzliche Grundlage für die wirtschaftliche Landesverteidigung. Ausser dem Kriegsvorsorgegesetz bedarf auch dessen Verfassungsgrundlage einer Erweiterung, damit der Bund Marktstörungen wie zur Zeit der Erdölkrise von 1973 begegnen kann [42]. Ein parlamentarischer Vorstoss veranlasste Bundesrat Brugger, über die laufende Versorgungsplanung zu orientieren ; eine gezielte Strukturpolitik, die das Land umfassend gegen aussenwirtschaftliche Störungen abzusichern hätte, lehnte der Chef des EVD hingegen als systemwidrig ab [43].
Nicht entschieden blieb auch das Schicksal der Institution « Heer und Haus », die im Zweiten Weltkrieg als Volk und Armee verbindendes Instrument der psychologischen Landesverteidigung geschaffen worden war. Ein Motionär beklagte die praktische Beschränkung der heutigen Tätigkeit auf im Dienst stehende Wehrpflichtige und verlangte unter Hinweis auf geistige Gefahren für Staat und Nation die Wiederausdehnung auf den zivilen Bereich. Von anderer Seite wurde jedoch geltend gemacht, die Armee müsse sich durch sinnvolle Dienstgestaltung rechtfertigen und nicht durch institutionalisierte Imagepflege. Bundespräsident Gnägi teilte mit, das EMD habe ein neues Konzept für die umstrittene Dienststelle ausarbeiten lassen [44]. Schwierigkeiten bereitete die Suche nach einem geeigneten Milizoffizier für deren nebenamtliche Leitung, so dass der Chef der Abteilung für Adjutantur diese vorübergehend selber übernahm [45].
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P.G.
 
[40] Presse vom 15.7.76 ; NZZ (sda), 171, 24.7.76. Vgl. unten, Teil I, 4c (Politique agricole).
[41] BBl, 1976, III, S. 350 ff. ; Presse vom 19.10.76. Vgl. SPJ, 1971, S. 64 ; 1972, S. 56 ; 1975, S. 56 f. Ende 1976 hatten erst 30 % der Dienstpflichtigen eine Grundausbildung erhalten.
[42] Gesch.ber., 1975, S. 272 ; LNN, 156, 8.7.76 ; NZZ, 246, 20.10.76. Vgl. SPJ, 1974, S. 48.
[43] Antwort auf die als Postulat überwiesene Motion Oehen (na, BE) : Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1344 ff. Vgl. SPJ, 1975, S. 56 sowie Bund, 29, 5.2.76.
[44] Vgl. die als Postulat überwiesene Motion Oehen (na, BE) und die Antwort BR Gnägis (Amtl. Bull. NR, 1976, S. 1097 f.) sowie die kritische Stellungnahme O. Recks (BN, 8, 12.1.76), ferner SPJ, 1975, S. 56. Insbesondere an Staatskundelehrer wandten sich militärische Kreise mit der Informationsschrift Sicherheitspolitik und Armee, Frauenfeld 1976.
[45] NZ, 125, 22.4.76.