Année politique Suisse 1976 : Chronique générale / Finances publiques
 
Finanzielle Lage
Das strukturelle Ungleichgewicht zwischen der Einnahmen- und der Ausgabenentwicklung beim Bund hat sich weiter verschärft. Die eidgenössischen Räte verabschiedeten das sog. Finanz- und Steuerpaket, das eine entscheidende Phase der Sanierung des Bundeshaushaltes in die Wege leiten soll. Im Voranschlag des Bundesrates für das Jahr 1977 und den daran anschliessenden Budgetberatungen kamen deutlich die Bemühungen zum Ausdruck, die Bundesausgaben zu redimensionieren und mit der Entwicklung des Nationalproduktes in Übereinstimmung zu bringen. Erstmals wurden die Richtlinien der Regierungspolitik für die laufende Legislaturperiode zudem eng mit dem längerfristigen Finanzplan verknüpft.
Obwohl 15 Kantone bessere Ergebnisse als im Vorjahr erzielten, schlossen die Rechnungen der Kantone insgesamt auch im Jahre 1975 mit einem Defizit ab. Bei Ausgaben von 18,5 Mia Fr. und Einnahmen von 17,8 Mia Fr. wuchs der Ausgabenüberschuss mit 655 Mio Fr. um weitere 68 Mio Fr. gegenüber dem Vorjahr. Immerhin blieb das Defizit im Verhältnis zu den Gesamtausgaben mit 3,5 % noch innerhalb der vereinbarten Budgetrichtlinien. Die Verschuldung der Kantone wuchs damit auch bedeutend weniger rasch als diejenige des Bundes. In den Jahren 1952 bis 1973 schlossen die kantonalen Rechnungen stets besser ab als die Bundesrechnung, und 1975 machte das Defizit der Kantone insgesamt nur noch knapp die Hälfte desjenigen des Bundes aus [1]. Gemäss provisorischen Angaben der Kantone wird für 1976 allerdings wieder mit einem höheren Defizit zu rechnen sein [2].
Die Budgets der Kantone wurden auch 1976 über gemeinsam mit dem Bund erarbeitete Budgetrichtlinien koordiniert. Kernstück dieser Vereinbarungen bildete die Budgetierung der Ausgaben und die Weiterführung des 1975 eingeführten Personalstopps. Gegenüber dem expansiven Ausgabenwachstum der Hochkonjunktur und den notwendigen Ausgabenüberschüssen zur Konjunkturbelebung in den beiden Vorjahren sollte eine differenzierte Rückbildung der Ausgaben mit einer Limitierung auf das mutmassliche nominelle Wachstum des Bruttosozialproduktes von schätzungsweise 6 % angestrebt werden [3]. Dabei galt es, den Ausgaben für Investitionen und andere wirtschaftsbelebende Massnahmen gegenüber laufenden Aufwendungen im Konsumbereich Priorität einzuräumen. Einzelne Kantone unterzeichneten die Vereinbarung nur unter Vorbehalten. So wollte beispielsweise die Regierung des Kantons Schwyz einem absoluten Personalstopp nicht zustimmen und erachtete zudem zusätzliche Investitionen mit wirtschaftsbelebendem Charakter als unumgänglich [4].
Die Voranschläge von Bund, Kantonen und Gemeinden für das Jahr 1977 rechneten mit einem Defizit von rund 4 Mia Fr. Ähnlich wie im Vorjahr konnten auch diesmal 9 % der budgetierten Ausgaben nicht durch laufende Einnahmen gedeckt werden. Die in den Budgetrichtlinien angestrebte Drosselung der Ausgabenentwicklung wurde insgesamt aber weitgehend erreicht [5]. Sowohl absolut als auch im Verhältnis zu den Gesamtausgaben verzeichneten die Gemeinden das kleinste und der Bund das grösste Haushaltsdefizit der drei Hoheitsebenen.
Das Defizit der Kantone beträgt laut Voranschlag 1,5 Mia Fr. Verglichen mit den Voranschlägen 1976 budgetierten sechs Kantone (BE, BL, GE, GR, TI und ZH) merklich höhere Ausgabenüberschüsse, während bei sieben Kantonen (AR, GL, LU, NE, SH, TG und ZG) die Defizite teilweise um mehr als die Hälfte kleiner werden sollten als im Vorjahr [6]. Die Budgetdebatten in den einzelnen kantonalen Parlamenten und der Ruf nach einer längerfristigen Finanzplanung widerspiegelten die Sorge der Kantone um eine Gesundung ihrer Staatshaushalte [7]. Die Solothurner Regierung reagierte auf die rasche Verschlechterung der Finanzlage mit der Ausarbeitung neuer Prioritäten für ihren Finanzhaushalt, die sich schon im Budget 1977 in einer gegenüber dem Finanzplan stark gekürzten Ausgabenseite bemerkbar machten [8]. Im Kanton Zürich führte der zu erwartende Einnahmenrückgang — 1976 gingen fast 100 Mio Fr. weniger Steuern ein als im Vorjahr — zu einem Rekorddefizit von ungefähr 500 Mio Fr. im Budget 1977. Obwohl die Ausgaben im Kantonsrat noch um 70 Mio Fr. gekürzt wurden, blieb ein Defizit, das mit 14,1 % der Ausgabensumme die Fehlbeträge der anderen Kantone teilweise weit übertrifft [9]. Eine allzu restriktive Ausgabenpolitik liess die Beschäftigungslage in den meisten Kantonen aber nicht zu. Der aargauische Grosse Rat verabschiedete ein sog. Konjunkturbudget, in dem neben den hohen Defiziten im Normalbudget zusätzlich ein 50 Mio-Kredit zur Finanzierung von Investitionsausgaben und insbesondere zur Erhaltung von mehreren hundert Arbeitsplätzen vorgesehen war [10]. Auch andere Kantone erstellten Eventualhaushalte, um im Laufe des Jahres zusätzliche wirtschaftsbelebende Investitionen auslösen zu können [11].
Die Voranschlagsentwürfe der acht grössten Schweizer Städte sowie andere zur Verfügung stehende Indikatoren liessen erwarten, dass sich das Gesamtdefizit der Gemeinden 1977 eher etwas zurückbildet. Nach Schätzungen des Finanzdepartements war mit Ausgabenüberschüssen von 750 Mio Fr. gegenüber 800 Mio Fr. im Vorjahr zu rechnen [12]. In den Städten Bern und Biel sprach sich der Souverän wiederholt gegen Voranschläge aus, in denen hohe Defizite oder weitere Ausgabenkürzungen mit Steuererhöhungen hätten vermieden werden sollen [13]. In der Stadt Bern verhinderte eine Gemeindebeschwerde zudem die Abstimmung zum Budget 1977, weil die Legislative Sachaufwendungen und Personalkosten reduziert hatte, ohne sie im Voranschlag konkret auszuweisen, bzw. die spätere Kürzung dem Gemeinderat überlassen wollte [14].
Das Ergebnis der eidgenössischen Staatsrechnung 1976 ist — vor allem als Folge eines weiteren Einnahmenrückganges bei der Warenumsatzsteuer — etwas schlechter ausgefallen, als in der Budgetierung angenommen worden war [15]. In einem ersten Nachtragskredit hatten die eidgenössischen Räte 591 Mio Fr. zu bewilligen. Davon waren nicht weniger als 457 Mio Fr. für die Deckung des Defizits der SBB bestimmt. Während das Kreditbegehren ohne grossen Widerstand passierte, wurde der gleichzeitig vom Bundesrat beantragten Lockerung des Personalstopps um 78 Stellen nicht stattgegeben. Der Nationalrat verweigerte auch einen Kompromissvorschlag des Ständerates für die Bewilligung von 40 Stellen [16]. Zusammen mit dem massgeblich durch den Subventionsbereich bestimmten zweiten Nachtrag (224 Mio) und dem Kredit für das dritte Arbeitsbeschaffungsprogramm (306 Mio) erhöhten sich die Ausgaben im Budget 1976 schliesslich auf 16 779 Mio Fr. [17]. Davon wurden 1976 nur 15 860 Mio Fr. ausgegeben, d.h. rund 920 Millionen weniger, als insgesamt bewilligt worden waren. Zieht man die Nachtragskredite nicht in Betracht, so machen die Minderausgaben gegenüber dem Budget noch 104 Mio Fr. aus. Weil gleichzeitig aber auch die Einnahmen unter den Erwartungen blieben, schloss die Finanzrechnung mit 1573 Mio Fr. dennoch mit rund 95 Millionen über dem veranschlagten Ausgabenüberschuss ab. Der Mehraufwand in der Gesamtrechnung betrug 1886 Mio Fr. [18].
 
[1] Die Volkswirtschaft, 49/1976, S. 537.
[2] TA, 127, 3.6.76 ; Schweizerische Bankgesellschaft, Wirtschaftsnotizen, Juni 1976, S. 6.
[3] Die Volkswirtschaft, 50/1977, S. 25 ; NZZ, 128, 3.6.76.
[4] Vat., 175, 30.7.76 ; LNN, 177, 2.8.76.
[5] Die Volkswirtschaft, 50/1977, S. 25.
[6] wf, Dok., 46, 15.11.76 ; Die Volkswirtschaft, 50/1977, S. 25.
[7] So z.B. in den Kantonen Genf (JdG, 273, 22.11.76 ; TG, 283, 3.12.76), Waadt (TLM, 342, 7.12.76), Basel-Land (BN, 230, 2.10.76) und Basel-Stadt (NZ, 399, 22.12.76).
[8] SZ, 24, 30.1.76 ; 206, 4.9.76 ; 241, 13.10.76 ; NZZ, 25, 1.2.76.
[9] NZZ, 300, 22.11.76 ; FA, 201, 23.12.76 ; Ldb, 249, 26.10.76 ; 268, 17.11.76 ; Tat, 234, 5.10.76 ; 269, 17.11.76.
[10] FA, 136, 8.10.76 ; 176, 24.11.76 ; LNN, 287, 8.12.76. Das Konjunkturbudget wurde allerdings in der Volksabstimmung vom 23.1.77 mit deutlichem Mehr verworfen : LNN, 19, 24.1.76 ; FA, 19, 24.1.77.
[11] Z.B. die Kantone Thurgau (Vat., 261, 8.11.76 ; 237, 9.10.76 ; NZZ, 234, 9.10.76) und St. Gallen (NZZ, 278, 27.11.76).
[12] Die Volkswirtschaft, 50/1977, S. 25 ff.
[13] Bern : Bund, 96, 26.4.76 ; TW, 105, 6.5.76. Biel : Bund, 101, 2.5.76 ; 136, 14.6.76.
[14] Bund, 265, 11.11.76 ; 273, 20.11.76 ; TW, 267, 13.11.76.
[15] Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1976; Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1976. Vgl. auch SPJ, 1975, S. 89.
[16] NZZ, 111, 13.5.76 ; TA, 110, 13.5.76 ; Amtl. Bull. NR, 1976, S. 777 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1976, S. 180 ff. und S. 324 ff.; NZZ, 150, 25.6.76 ; BN, 145, 25.6.76. Zum Defizit der SBB vgl. unten, Teil I, 6b (Eisenbahnen).
[17] Zum zweiten Nachtrag : Tat, 259, 3.11.76 ; NZZ, 259, 4.11.76 ; Vat., 258, 4.11.76 (berichtigte Zahlen des EFZD vom 22.2.77). Zum Arbeitsbeschaffungsprogramm vgl. oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[18] Presse vom 8.3.76 und 27.4.77 ; Botschaft des Bundesrates... zur Staatsrechnung... für das Jahr 1976, S. 3*.