Année politique Suisse 1976 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Agglomerationsverkehr
Auch der Agglomerationsverkehr gab im Berichtsjahr Anlass zu heftigen Kritiken an der bundesrätlichen Verkehrspolitik. So wurde bei der Beratung der Richtlinien zur Regierungspolitik für die Zeit von 1975-79 das Fehlen von konkreten Vorschlägen zur Sanierung des Verkehrs der Ballungszentren bemängelt. Der Bundesrat, welcher in den Richtlinien effektiv mit keinem Wort auf die Probleme des Agglomerationsverkehrs eingegangen war, verteidigte seine Abstinenz mit einem Verweis auf die noch nicht beendeten Arbeiten an der GVK. Von den Kritikern wurde es insbesondere als diskriminierend empfunden, dass durch den Bau von städtischen Expressstrassen mit Bundesmitteln der private Verkehr gegenüber dem öffentlichen Agglomerationsverkehr bevorzugt wurde [8]. Das Nichtvorliegen eines Verkehrskonzepts machte sich auch störend bemerkbar, als in der Agglomeration Basel einzelne Vorortsbahnen von der eidgenössischen Privatbahnhilfe profitieren konnten, andere aber (diejenigen, welche zu den städtischen Verkehrsbetrieben gehören) trotz derselben Verkehrsfunktion leer ausgingen [9].
Am verworrensten stellten sich die Probleme des öffentlichen Nahverkehrs weiterhin in der Region Zürich dar. Der dortige Regierungsrat unternahm energische Vorstösse in Bern, um die nötige finanzielle Unterstützung für den Bau der sog. S-Bahn (Zürichberglinie), welche den anfallenden Verkehr aus dem östlichen Agglomerationsgebiet bewältigen soll, zu erhalten. In Anbetracht der prekären Lage der Bundesfinanzen musste das Begehren abgelehnt werden. Auch im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogramms fanden die Kredite keine Aufnahme, da sich im Kanton Zürich mit dem Schnellgutbahnhof Altstetten und der Bahnlinie Zürich-Kloten bereits namhafte Projekte im Bau befanden [10]. Zu diesem negativen Bescheid des Bundesrates mag auch beigetragen haben, dass über das Konzept des Nahverkehrs in Zürich selbst alles andere als Einigkeit herrscht ; in erster Linie die Linksparteien sähen an Stelle der S-Bahn, von welcher sie ein weiteres Ansteigen des siedlungspolitisch unerwünschten Pendlerstroms befürchten, lieber einen konsequenten Ausbau der bestehenden städtischen Verkehrsbetriebe [11]. Eine entsprechende Initiative der SP, welche dieses Ziel mit einem auf zehn Jahre verteilten Gesamtaufwand von 200 Mio Fr. erreichen wollte, lehnte die bürgerliche Mehrheit des Kantonsrates — entgegen den Empfehlungen der Regierung — ab [12]. Anderseits wurde der Versuch, den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich mit massiven Tariferhöhungen mehr Mittel zur Verfügung zu stellen, von den drei Linksparteien bekämpft und scheiterte schliesslich in der Volksabstimmung. Wenig später präsentierten die Behörden eine neue Vorlage mit etwas reduzierten Aufschlägen, gegen welche die extreme Linke abermals das Referendum ergriff [13].
Auf einem besseren Weg scheint die Lösung der Verkehrsprobleme in der Agglomeration Basel zu sein. Der Landrat des Kantons Basel-Land nahm von einem regierungsrätlichen Konzept Kenntnis, das in den nächsten sechs Jahren Investitionen von insgesamt 220 Mio Fr. für die Verbesserung der Verkehrsinfrastrukturen mit bevorzugter Behandlung der Vorortsbahnen in Aussicht stellt [14]. In Genf lehnte die Regierung die im Rahmen einer 1971 eingereichten Initiative aufgestellte Forderung nach unentgeltlicher Beförderung im Personennahverkehr (Null-Tarif) ab. Der Entscheid wurde aufgrund eines Gutachtens getroffen, welches zum Schluss gekommen war, dass diese Attraktivitätssteigerung nur rund 15 % des privaten Verkehrs auf die öffentlichen Verkehrsmittel umleiten könnte und somit die Reduktion der Ausgaben für den Strassenbau nur unwesentlich ausfallen dürfte [15]. Die Absicht des Gemeinderates der Stadt Bern, im Zuge der Wiedereröffnung des Bubenbergplatzes das Stadtzentrum mittels Polizeivorschriften vermehrt vom privaten Verkehr zu entlasten — dies nicht zuletzt um die Transportgeschwindigkeiten der öffentlichen Verkehrsmittel zu steigern — wurde von den Automobilverbänden einstweilen vereitelt [16].
 
[8] Richtlinien : BBl, 1976, I, S. 506 f. ; NZ, 139, 5.5.76 ; vgl. auch SPJ, 1974, S. 93. Zu der siedlungspolitischen Problematik der Förderung des Agglomerationsverkehrs vgl. F. Bürki, « Erschliessung der Agglomerationsräume », in Die Volkswirtschaft, 49/1976, S. 513 f.
[9] NZZ, 2, 5.1.76.
[10] Regierungsrat : Ldb, 12, 16.1.76 ; 13, 17.1.76. Bundesrat : TA, 102, 4.5.76. Vgl. auch SPJ, 1973, S. 89.
[11] Amtl. Bull. NR, 1976, S. 216 f. ; FA, 119, 18.9.76 ; NZ, 320, 14.10.76.
[12] NZZ, 80, 5.4.76 ; 277, 25.11.76.
[13] TA, 34, 11.2.76 ; 145, 25.6.76 ; 223, 24.9.76 ; 225, 27.9.76 ; 295, 17.12.76 ; NZZ, 255, 30.10.76.
[14] NZ, 102, 31.3.76 ; BN, 88, 14.4.76.
[15] 24 heures, 212, 10.9.76 ; TG, 214, 14.9.76 ; vgl. auch SPJ, 1971, S. 102 und SPJ, 1974, S. 93.
[16] Bund, 61, 14.3.76 ; 70, 24.3.76 ; 81, 6.4.76. Zu den rechtlichen Aspekten der Beschränkung des privaten Verkehrs vgl. auch D. Schauwecker, Verkehrsfreie Innenstädte, Zürich 1976.