Année politique Suisse 1976 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Bodenrecht
Aus den Zielsetzungen der Raumplanung ergeben sich grundlegende Fragen des Bodenrechts. Die beiden erwähnten bodenrechtlichen Initiativen basieren nicht mehr auf einer individualistischen Eigentumsvorstellung ; sie ordnen diese — sei es aus einer konservativen oder aus einer progressiven Sicht — einem kollektiven Interesse am Boden unter. Der Problematik des Eigentumsbegriffs im Spannungsfeld zwischen individuellen und kollektiven Ansprüchen widmete der Schweizerische Juristenverein seine Jahrestagung im Oktober. Während die vorbereiteten Diskussionsgrundlagen eine sozialrechtliche Tendenz vertraten, überwog bei den Votanten die individualrechtliche Interpretation des Eigentums [22].
Wieweit ein nationales Allgemeininteresse den Bodenmarkt für die ausländische Nachfrage einschränken soll, blieb gleichfalls umstritten. Im Februar gab der Bundesrat dem Drängen des Immobilienhandels etwas nach und lockerte die Vollzugsverordnung zum Bundesbeschluss über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, der sog. « Lex Furgler », dahin, dass schweizerische Käufer, Einzelpersonen oder Gesellschaften, weniger streng auf ihre allfällige Abhängigkeit von ausländischen Interessenten durchleutet werden sollen [23]. Weitere Erleichterungen wurden den Fremdenverkehrsorten gewährt [24]. Das EJPD versuchte jedoch gleichzeitig, durch Verstärkung der Bundesaufsicht über kantonale Strafverfahren die Maschen der « Lex Furgler », die bis Ende 1977 befristet ist, wieder enger zu knüpfen. Eine solche Beeinträchtigung der kantonalen Justizautonomie stiess freilich in der romanischen Schweiz wie in den meisten Bergkantonen auf Widerstand. Die vier Fremdenverkehrskantone Graubünden, Tessin, Waadt und Wallis unternahmen sogar einen gemeinsamen Vorstoss, der auf zusätzliche Lockerungen zur Belebung touristischer Regionen ausging. Da entschied sich der Bundesrat im Dezember, den Räten eine unveränderte Verlängerung des Erlasses um fünf Jahre zu beantragen. Da der Nachfragedruck aus dem Ausland anhält, tendiert aber das EJPD weiterhin auf eine Neukonzeption der reichlich kompliziert gewordenen Regelung ; eine solche soll im Zusammenhang mit Revisionen des Aktienrechts und der Gesetzgebung über die Wirtschaftskriminalität an die Hand genommen werden [25].
 
[22] Initiativen : vgl. oben, Raumplanung. Juristenverein : JdG, 230, 2.10.76 ; NZZ, 232, 4.10.76. Diskussionsgrundlagen : M. Lendi, « Planungsrecht und Eigentum », in Schweiz. Juristenverein, Re/erate und Mitteilungen, 110/1976, S. 1 ff. ; P. Moor, « Aménagement du territoire et propriété privée », ebd., S. 365 ff. ; Th. Bühler, « Neukonzeption des Eigentumsbegriffs und der Eigentumsordnung auf Verfassungsstufe », in Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 77/1976, S. 369 ff.
[23] AS, 1976, S. 607 ff.; Presse vom 12.2.76. Vgl. SPJ, 1972, S. 103 f. ; 1973, S. 101 f. 1974, S. 106.
[24] AS, 1976, S. 2389 ff. ; Presse vom 11.11.76. Der bisherige Bundesratsbeschluss über den Erwerb von Grundstücken in Fremdenverkehrsorten durch Personen im Ausland wurde dabei durch eine Verordnung ersetzt (vgl. BBl, 1977, I, S. 49 f. und SPJ, 1975, S. 116).
[25] BBI, 1977, I, S. 45 ff. ; Presse vom 23.12.76. Für ein Klagerecht des Bundes setzte sich auch ein Postulat Muheim (sp, LU) ein (Amtl. Bull. NR, 1976, S. 959 f.). Vgl. ferner LNN, 73, 27.3.76 ; NZ, 203, 2.7.76 ; NZZ, 278, 26.11.76 sowie oben, Teil I, 4a (Gesellschaftsrecht).