Année politique Suisse 1977 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinnig-demokratische Partei
Auch in der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP) soll nach den neuen Statuten von 1976 die Verwirklichung des Programms periodisch überprüft werden. Eine vom Delegiertenrat im Frühjahr vorgelegte Zwischenbilanz zeichnete ein ausgesprochen positiv gehaltenes Bild, das zu keiner grösseren Diskussion Anlass gab [24]. Dass die Realisierung der Zielsetzungen der FDP freilich auf Grenzen stösst, zeigte erneut der Ausgang der Volksabstimmung über die Mehrwertsteuervorlage. Da einer ihrer Bundesräte das . EFZD leitet, sah sich die Partei in einer besonderen Verantwortung für das Gelingen des finanzpolitischen Kompromisswerkes. Die Delegiertenversammlung trug dieser Situation Rechnung, und an einer Koordinationskonferenz, zu der die kantonalen Parteipräsidenten und -sekretäre sowie die freisinnigen Regierungsräte und Kantonsparlamentarier eingeladen wurden, versuchte man einem Ausscheren der Kantonalparteien vorzubeugen. Der Erfolg der Anstrengungen war mässig: sechs kantonale Parolen lauteten negativ, darunter diejenigen Berns und des Aargaus, und die FDP scheint als einzige Bundesratspartei von ihren Sympathisanten an den Urnen mehrheitlich desavouiert worden zu sein [25].
Auf sozialpolitischem Gebiet legte die Partei ein Konzept für die Mitbestimmung in Betriebsangelegenheiten vor, das als Eingabe an den Bundesrat gerichtet wurde. Anderseits beantragte die FDP dem EDI, vor dem Parlamentsentscheid über die 9. AHVRevision die finanzielle Lage der Altersrentner in der ganzen Schweiz untersuchen zu lassen [26]. Die Partei versuchte auch zur Bewusstseinsbildung in aussenpolitischen Fragen beizutragen [27]. Eine Abhebung von der Mutterpartei nahm die Jungliberale Bewegung vor. Sie bekannte sich in einem neuen Grundsatzprogramm zu einem «radikalen Liberalismus» und brachte dies in konkreten Postulaten wie Baustopp für Atomkraftwerke bis zur Lösung des Abfallproblems oder Veröffentlichung der Verwaltungsratssitze der Wahlkandidaten zum Ausdrucke [28]. Dagegen scheiterte der Versuch jüngerer Politiker in Genf, ihre Kantonalpartei auf einen progressiveren Kurs zu bringen. Die Niederlage der FDP in den Grossratswahlen löste eine Krise aus, die zum Rückzug der Hauptexponenten des linken Flügels führte [29].
 
[24] FDP, Zielsetzungen 75, Verwirklichungen. Eine Zwischenbilanz, 1977. Zur Behandlung an der Delegiertenversammlung vgl. NZZ, 101, 2.5.77; Vat., 101, 2.5.77; zur Statutenrevision vgl. SPJ, 1976, S. 176.
[25] Delegiertenversammlung: Presse vom 2.5.77. Koordinationskonferenz: NZZ 117, 21.5.77. Parolen: vgl. oben, Teil I, 5, Anm. 13. Sympathisanten: Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 11./12.6.77. Über die Verschiedenartigkeit mehrerer Kantonalparteien orientiert Politische Rundschau, 56/1977, S. 61, 67 ff.
[26] Mitbestimmung: Politische Rundschau, 56/1977, S. 145 ff.; vgl. oben, Teil I, 7a (Droit de travail). AHV: NZZ, 27, 2.2.77; vgl. oben, Teil I, 7c (Assurance-vieillesse et survivants).
[27] So an der Delegiertenversammlung in Basel (Presse vom 2.5.77; vgl. oben, Teil I, 2, Demokratische Mitsprache) und an einer Tagung der Schweiz. Vereinigung freisinniger Frauengruppen (NZZ, 113, 16.5.77).
[28] NZZ, 117, 21.5.77; SZ, 244, 20.10.77; TA, 248, 24.10.77; TLM, 298, 25.10.77.
[29] JdG, 230, 3.10.77; 300, 23.12.77; NZZ, 10, 13.1.78; Bund, 14, 18.1.78. Vgl. SPJ, 1976, S. 176 und oben, Teil I, 1e (Elections des autorités cantonales, Genève).