Année politique Suisse 1977 : Chronique générale / Politique étrangère suisse / Europa
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Europarate
Um gleichwohl der zunehmenden Interdependenz Rechnung zu tragen, beteiligt sich die Schweiz im Rahmen des Europarates an einer internationalen Zusammenarbeit, welche die notwendige Vereinheitlichung verschiedener Rechtsmaterien nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern über den freien Beitritt souveräner Staaten zu multilateralen Verträgen zustande bringen will [43]. Doch auch die Anwendung solcher völkerrechtlichen Verträge kann die bisherige Praxis innerstaatlicher Rechtssprechung tangieren, wie das vieldiskutierte Beispiel der Europäischen Menschenrechtskonvention bewies. Insbesondere die. Gegner der Europäischen Sozialcharta warnten deshalb vor fremden Richtern, .unter deren politischen Pressionen das innere Gefüge der Schweiz Schaden leiden könnte. Strassburg sei nicht Habsburg, machten demgegenüber gesellschaftspolitisch eher fortschrittliche Kreise geltend, und unserem Land stünde es wohl an, nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in sozialer Hinsicht mit der europäischen Entwicklung schrittzuhalten. Der Bundesrat sah sich aufgrund dieser Kontroverse veranlasst, die von ihm 1976 mit Vorbehalten unterzeichnete Sozialcharta noch nicht in die parlamentarische Beratung zu schicken, sondern vorerst einmal ein Vernehmlassungsverfahren einzuleiten [44]. Demgegenüber rief die Unterzeichnung der Europäischen Konvention zur Bekämpfung des Terrorismus infolge der sich häufenden Gewaltakte nur spärlicher Kritik; das übereinkommen, zu dessen Formulierung die Schweiz massgeblich beigetragen hatte, verpflichtet die Signatarstaaten zur Auslieferung von Terroristen, Flugzeugentführern und Geiselnehmern, auch wenn diese politische Motive geltend machen [45].
Entsprechend einem vom Nationalrat überwiesenen Postulat Reiniger (sp, SH) legte der Bundesrat einen Bericht über sämtliche von der Schweiz noch nicht ratifizierten Übereinkommen des Europarates vor, der auch über die vertragspolitischen Absichten der Regierung informiert und zu Beginn jeder Legislaturperiode auf den neuesten Stand gebracht werden soll. Von den insgesamt 92 übereinkommen hat die Schweiz bisher lediglich deren 39 ratifiziert und liegt damit deutlich unter dem Durchschnitt aller Mitgliedstaaten des Strassburger Gremiums [46]. Das Parlament ermächtigte den Bundesrat für weitere fünf Jahre, im Rahmen der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) Vereinbarungen mit anderen europäischen Staaten und den Europäischen Gemeinschaften abzuschliessen [47].
 
[43] Vgl. Gesch.ber., 1977, S. 14 und 108 f. sowie Amtl. Bull NR, 1977, S. 446 (Einfache Anfrage NR Schürch, fdp, BE).
[44] Vgl K. Sovilla, «Die Europäische Sozialcharta», in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 33/1977, Nr. 9; Europa, 44/1977, Nr.9; TA, 88, 16.4.77; 125, 1.6.77; TW, 112, 14.5.77; wf, Artikeldienst, 21, 23.5.77; NZZ, 164, 15.7.77; Volk + Heimat, 20, Oktober 1977; SP-Information, 19, 3.11.77; Presse vom 20.12.77. Vgl. auch oben, Teil I, 1b (Menschenrechte).
[45] Vgl. NR Schürch (fdp, BE) in Europa, 44/1977, Nr. 1/2 und in Ldb, 97, 28.4.77. Vgl. auch Presse vom 20.1.77 und 28.1.77; Focus, 83, März 1977. Vgl. ferner oben, Teil I, 1b (Öffentliche Ordnung).
[46] Vgl. Amtl. Bull. NR, 1977, S. 107; BBI, 1977, III, S. 870 ff. und Presse vom 20.12.77.
[47] Vgl. BBI, 1977, II, S. 661; Amtl. Bull. NR, 1977, S. 1251; Amtl. Bull. StR, 1977, S. 611 f.; BBI, 1977, III, S. 913 f. Vgl. auch BR Graber, «Le Supercern», in Documenta, 1977, Nr. 3, S. 16 f.