Année politique Suisse 1977 : Chronique générale / Politique étrangère suisse
 
Traditionelle Missionen
Im Rahmen ihrer traditionellen Missionen leistete die Eidgenossenschaft, unterstützt von privaten Hilfswerken, in verschiedenen Ländern humanitäre Hilfe und anerbot als Gastland mehrerer Konferenzen und Gipfeltreffen ihre guten Dienste [59]. Nach dreijähriger Dauer fand in Genf die Diplomatische Konferenz über die Erneuerung des humanitären Völkerrechts, die von der Schweiz als Depositarstaat der Genfer Rotkreuzkonventionen einberufen worden war und unter dem Vorsitz Bundesrat Grabers stand, ihren Abschluss [60]. Sie genehmigte zwei Zusatzprotokolle zu den Konventionen von 1949, die zwar nicht allen Erwartungen entsprechen, aber das Kriegsrecht den Realitäten der Gegenwart immerhin besser anpassen. Während das Souveränitätsideal der Entwicklungsländer den neuen Übereinkommen bezüglich interner Konflikte enge Grenzen setzte, wurden Rebellionen gegen Kolonialherrschaft und Rassendiskriminierung als internationale Konflikte anerkannt.
Eine 1971 erheblich erklärte Motion Schmid (ldu, ZH) hatte den Bundesrat aufgefordert, den Abschluss einer internationalen Konvention zum Schutze politischer Häftlinge in die Wege zu leiten. Diese Idee einer Ausdehnung des humanitären Völkerrechts war in der Diskussion der letzten Jahre dahingehend noch ergänzt und konkretisiert worden, dass eine solche Konvention den Schutz aller Gefangenen und eine generelle Achtung der Folter enthalten sollte [61]. Der Bundesrat unterbreitete nun dem Parlament einen Bericht, der die Wünschbarkeit einer internationalen Konvention zum Schutze der Häftlinge unterstreicht, die Realisierungsmöglichkeiten unter den heutigen Verhältnissen aber für so gering erachtet, dass sich ein diesbezüglicher Vorstoss der Schweiz erübrige. Der Nationalrat nahm im Dezember vom bundesrätlichen Bericht Kenntnis, ohne allerdings, wie es die Regierung vorgeschlagen hatte, die Motion Schmid abzuschreiben, und schloss sich damit der auch in der Presse lautstark geäusserten Kritik an der mangelnden aussenpolitischen Initiative und Risikobereitschaft des Bundesrates an [62].
Ein neues Gesetz, dessen Entwurf im Sommer veröffentlicht wurde, soll die schweizerische Asylpolitik auf solide Rechtsgrundlagen stellen, beschränkt sich aber im wesentlichen auf eine Kodifizierung der bisherigen, doch wohl eher restriktiven Praxis. Viele Kommentatoren gaben kritisch zu bedenken, ob es nicht an der Zeit sei, eine grosszügigere Regelung zu treffen und beispielsweise den Flüchtlingen ein subjektives Recht auf Asyl einzuräumen [63].
 
[59] Vgl. Gesch.ber., 1977, S. 17, 22, 29 ff.; Presse vom 10.-11.5.77 (Treffen des amerikanischen Präsidenten Carter mit dem syrischen Präsidenten Assad).
[60] Vgl. Presse vom 11.6.77 und Amtl. Bull. NR, 1977, S. 1279 ff. (Interpellation Graf, rep., ZH).
[61] Vgl. Evolution, 7/1976-77, S. 157; LNN, 150, 1.7.77; TA, 151, 1.7.77; Ww, 27, 6.7.77; Presse vom 1.9.77; BaZ, 314, 16.12.77. Vgl. auch Menschenrechtskommission des Schweiz. Evangelischen Kirchenbundes, Wirksam gegen die Folter, Basel und Fribourg (1978).
[62] BBI, 1977, II, S. 1093 ff.; Amtl. Bull. NR, 1977, S. 1668 ff. (Bericht des BR und Interpellation Blum, sp, BE).
[63] Vgl. BBI, 1977, III, S. 105 ff und Presse vom 1.9.77. Vgl. auch W. Eckert, Begriff und Grundzüge des schweizerischen Flüchtlingsrechts, Diss. Zürich 1977.