Année politique Suisse 1977 : Chronique générale / Défense nationale
 
Rüstung
Da die Grossmächte ihre Waffensysteme immer weiter ausbauen, legt man im EMD das Hauptgewicht der militärischen Anstrengungen der Schweiz nach wie vor auf die Rüstung. Angesichts der bestehenden Lücken in der Panzerabwehr stellte der Bundesrat ins Zentrum des Rüstungsprogramms 1977 die Beschaffung der amerikanischen Drahtlenkwaffe «Dragon». Mit dieser tragbaren Einmannwaffe, deren Zielgerät der schweizerischen Lizenzproduktion vorbehalten wurde, sollen vorerst die Infanteriebataillone der Feldarmeekorps ausgerüstet werden; die Frage der Panzerabwehr auf Kompaniestufe blieb nach der Preisgabe des Raketenrohrprojekts «Nora» einstweilen offen [17]. Das Rüstungsprogramm, das sich insgesamt auf einen Betrag von 530 Mio Fr. belief, erhielt im Mai die einhellige Zustimmung der Militärkommission des Nationalrates. Doch einen Monat später präsentierte im Ratsplenum nicht nur die PdA ihren traditionellen Nichteintretensantrag, sondern auch die SP-Fraktion opponierte unter Hinweis auf die kurz zuvor erfolgte Verwerfung der Mehrwertsteuer durch das Volk. Ihr Sprecher A. Blum verlangte grundsätzlich eine Einbeziehung der Vorlage in die erforderliche neue Sparrunde. Die Volkskammer lehnte aber seinen Rückweisungsantrag ab und bewilligte den Kredit, und die Ständeherren schlossen sich ihr im Herbst an.
In beiden Räten meldete sich jedoch Kritik an der bescheidenen Berücksichtigung schweizerischer Betriebsstätten durch das neue Rüstungsprogramm. Dabei spielte das Bestreben eine Rolle, für den in der Schweiz hergestellten Panzer 68 auch ausländischen Absatz zu gewinnen. Zu Beginn des Jahres wurde offiziell bekannt, dass man sich in Wien ernsthaft für einen Kauf interessiere. Als nun die österreichischen Steyr-Werke gegen solche Absichten eine Konkurrenzoffensive mit einem eigenen Panzer auslösten, rief man in beiden Räten nach Gegenmassnahmen, wobei sich eine im Rüstungsprogramm vorgesehene Bestellung von Geländelastwagen bei der österreichischen Firma als Druckmittel anbot. Bundesrat Gnägi sah sich zum Aufschub dieser Bestellung veranlasst. Ein Wechsel im Wiener Verteidigungsministerium und die bereits erwähnte Konzeption General Spannocchis liessen aber das österreichische Interesse am Panzer 68 wieder zurücktreten [18]. Um so mehr forderte man von parlamentarischer Seite den Bundesrat auf, zur Erhaltung der inländischen, vorab der staatlichen Rüstungsbetriebe die militärische Bewaffnung konsequenter auf die Landesproduktion abzustützen; ein Postulant wünschte sogar eine Wiedererwägung des Verzichts auf ein schweizerisches Raketenrohr [19].
Von hoher militärischer Seite äusserte man sich freilich skeptisch zur Eigenentwicklung aufwendiger Rüstungsgüter in der Schweiz; demgegenüber wurde eine engere Zusammenarbeit mit anderen Neutralen empfohlen. Seit 1967 besteht ein institutionalisierter Informations- und Erfahrungsaustausch mit Schweden, der zur gemeinsamen Entwicklung vereinzelter Waffensysteme geführt hat; mit Österreich werden bloss informelle Kontakte unterhalten [20].
 
[17] BBI, 1977, I, S. 1564 ff. Vgl. auch (H.R.) Kurz, «Das Militärjahr 1977», in Der Fourier, 51/1978, S. 51 W.
[18] Parlamentsverhandlungen: Amtl. Bull. NR, 1977, S. 826 ff., 868 ff.; Amtl. Bull StR, 1977, S. 510 ff. Um einen Aufschub ersuchte sowohl die Militärkommission des StR wie ein vom NR überwiesenes Postulat Röthlin (cvp, 0W) (Amtl. Bull. NR 1977, S. 1000 f.). Zum österreichischen Interesse am Panzer 68 vgl. TA, 45, 23.2.77; 50, 1.3.77; 167, 20.7.77; BaZ, 32, 3.3.77; NZZ, 54, 5.3.77; 214, 13.9.77. Zum Konzept Spannocchis vgl. oben, Konzeption.
[19] Inländische Rüstungsbetriebe: vgl. Postulat Eggenberg (sp, BE), überwiesen am 20.9. (Amtl. Bull NR, 1977, S..998 f.). Raketenrohr: vgl. Postulat Kunz (fdp, BE) ( Verhandl. B. vers., 1977, IV, S. 33), das sich auf neue Versuche der eidgenössischen Rüstungswerke In Thun stützt (vgl. W»; 39, 28.9.77; Tat, 259, 4.11.77).
[20] Vgl. Interview des Generalstabschefs H. Senn in BN, 176, 30.7.77. Schweden: NZZ 77, 1.4.77; 117, 21.5.77; Bund, 87-89, 15.-18.4.77; vgl. SPJ, 1966, S. 30 u. 37. Österreich: TA, 271, 19.11.77; 285, 6.12.77.