Année politique Suisse 1977 : Economie / Politique économique générale / Konjunkturpolitik
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Konjunkturförderungsprogramme
Von den Aktivitäten des Staates gingen im Berichtsjahr bedeutend weniger Wachstumsimpulse aus als in den beiden Vorjahren, obwohl die Wirkung der auslaufenden Arbeitsbeschaffungsprogramme noch spürbar war. Auf die Forderung der SPS und des CNG, das in Reserve gehaltene vierte Arbeitsbeschaffungsprogramm freizugeben, trat die Landesregierung nicht ein; sie fand dabei Unterstützung bei Wirtschaftskreisen und Wissenschaftern. Angesichts der geringen Arbeitslosenzahlen sei es nicht opportun, mittels Staatsaufträgen strukturschwachen Branchen das Überleben zu garantieren und damit den unumgänglichen Neuorientierungsprozess der schweizerischen Wirtschaft hinauszuzögern. Was der Staat zu diesem Prozess beizutragen habe, sei einerseits die Gewähr einer stabilen Rahmenordnung mittels des neuen Konjunkturartikels und des Notenbankgesetzes, andererseits. aber die aktive Unterstützung der Forschungs- und Diversifikationsvorhaben der privaten Wirtschaft. Genau zu diesem Zweck konzipierten die Behörden ein sogenanntes Impulsprogramm, welches insbesondere die mittleren und kleinen Betriebe in ihrem Bemühen um Anpassung an den technischen Fortschritt unterstützen soll. Gegen Jahresende waren die verwaltungsinternen Vorarbeiten so weit gediehen, dass der Delegierte für Konjunkturfragen mit den interessierten Unternehmern Verhandlungen über die Konkretisierung des Programms aufnehmen konnte [21]. Ein weit weniger positives Echo löste dagegen bei den Nationalökonomen die bundesrätliche Budget- und Finanzpolitik aus: in einer gemeinsamen Erklärung warfen ihr vierzig Professoren vor, den Fehler des prozyklischen Verhaltens der Hochkonjunkturepoche zu wiederholen [22].
Dass es die Regierenden in der Schweiz nicht leicht haben, eine antizyklische Budgetpolitik durchzuführen, musste die Exekutive des Kantons Aargau erfahren. Die Stimmbürger liessen sich nicht von der Notwendigkeit erhöhter Staatsausgaben in Rezessionszeiten überzeugen und lehnten eine konjunkturgerecht konzipierte Budgetvorlage mit 32 246 Nein: 16 555 Ja ab [23]. Im besonders krisengeschädigten Kanton Solothurn — die POCH hatte hier zu Jahresbeginn eine Volksinitiative zur Krisenbekämpfung eingereicht — bewilligte der Souverän auf Antrag der Regierung die Schaffung eines mit 25 Mio Fr. dotierten Fonds zur Begünstigung von Industrieansiedlungen [24].
Anstelle des 1976 zurückgetretenen Prof. F. Kneschaurek wurde W. Jucker zum neuen Delegierten des Bundesrates für Konjunkturfragen gewählt. Die Besetzung dieser wichtigen Stelle mit dem bisherigen Sekretär des Gewerkschaftsbundes gab nur zu isolierten Kritiken Anlass. Mehrheitlich herrschte der Eindruck vor, dass damit der undogmatische Charakter der politischen Auseinandersetzung in der Schweiz aufs schönste belegt werde. Gleichzeitig mit dem Amtsantritt W. Juckers wurde die Halbtagsstelle zu einem Vollamt ausgebaut [25].
 
[21] SPS: TW, 5, 7.1.77. CNG: Vat., 30, 11.2.77. Regierung: Amtl. Bull. NR, 1977, S. 145 ff.; Gesch.ber., 1977, S. 206 f. Wirtschaft: wf, Dok., 12, 21.3.77. Wissenschaft: BaZ, 13, 14.1.77. Impulsprogramm: TG, 282, 6.12.77; Gesch.ber., 1977, S. 238; vgl. auch W. Jucker, «Unternehmerische Angriffsstrategien aus der Sicht des Delegierten für Konjunkturfragen», in Mitteilungsblatt des Delegierten für Konjunkturfragen, 33/1977, S. 49 ff. Zur Revision des Notenbankgesetzes vgl. unten, Teil I, 4b (Notenbankinstrumentarium).
[22] Vgl. unten, Teil I, 5 (Finanzplanung). Zu dem vor allem unter Wissenschaftern ausgetragenen Disput über Fiskalismus oder Monetarismus vgl. auch F. Jaeger, Geld, Preis und Beschäfigung, Diessenhofen 1977, sowie S. Borner et al., Schweizerische Stabilisierungs- und Finanzpolitik, Diessenhofen 1978.
[23] TA, 14, 18.1.77; FA, 16, 20.1.77; 19, 24.11.77.
[24] POCH: SZ, 6, 8.1.77. Krisenfonds: SZ, 10, 13.1.77; 12, 15.I.77; 146, 27.6.77 (Annahme der Vorlage mit 31 275 Ja: 22 078 Nein).
[25] BaZ, 3, 2.2.77; TA, 40, 17.2.77; JdG, 41, 18.2.77. Kritik: NZZ, 28, 3.2.77.