Année politique Suisse 1977 : Economie / Politique économique générale / Wettbewerb
Bei der Ausarbeitung eines Verfassungsartikels über den Konsumentenschutz wurde dem Bundesrat ein schnelleres Tempo aufgezwungen als ursprünglich vorgesehen war. Die Regierung hatte die Absicht verkündet, einen derartigen Artikel erst in der nächsten Legislaturperiode den Räten zu unterbreiten; den von einer Expertenkommission präsentierten Entwurf liess sie vorerst von einer zweiten Kommission überprüfen
[35]. Nachdem bereits die Konsumentenorganisationen gegen die langsame Gangart protestiert und die Presse den Bundesrat beschuldigt hatte, den Konsumentenschutz zu vernachlässigen, lancierte die neugestaltete Tageszeitung « Tat » eine Volksinitiative «zur Absicherung der Rechte der Konsumenten», deren Text wörtlich dem von der ersten Kommission ausgearbeiteten Entwurf entspricht. Mittels einer Generalklausel soll die Exekutive beauftragt werden, Massnahmen zum Schutz der Käufer zu treffen; dabei müsse die Verbesserung der Markttransparenz und die Verhinderung von betrugsähnlichen Verkaufspratiken im Vordergrund stehen. Das mit viel Aufwand propagierte Volgsbegehren konnte noch vor Jahresende mit 55 531 gültigen Unterschriften eingereicht werden; die Initianten mussten allerdings eingestehen, dass die Mobilisierung der Konsumenten ein äusserst mühsames Unterfangen ist
[36]. Parallel zur Volksinitiative reichte Nationalrat Waldner (sp, BL) kurz nach deren Lancierung eine parlamentarische Initiative mit demselben Wortlaut ein. Die Landesregierung gab nun der Aufforderung der zuständigen Nâtionalratskommission nach und schickte den umstrittenen Entwurf in die Vernehmlassung; ein Vorgehen, welches sie noch vor Jahresfrist angesichts der massiven Einwände aus Gewerbe- und Industriekreisen abgelehnt hatte
[37].
Eine Verbesserung der Markttransparenz zugunsten der Konsumenten wird zweifellos durch die Preisanschreibepflicht bewirkt, welche der Bundesrat im Rahmen des bis Ende 1978 geltenden Preisüberwachungsbeschlusses erlassen hatte. Um diese Massnahme auch nach diesem Datum weiterführen zu können, beantragte er deren Aufnahme in das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb
[38]. Den gleichen Zielen soll auch die Anschreibepflicht für Grundpreise je Masseinheit (z.B. Preis je kg) dienen, welche gegen den anfänglichen Widerstand des Ständerates in das neue Bundesgesetz über das Messwesen aufgenommen wurde
[39]. Für Konsumenten, die sich von Vertretern zu unüberlegten Käufen verleiten lassen, möchte Josi Meier (cvp, LU) ein Rücktrittsrecht einführen, ähnlich wie es bereits für Abzahlungsgeschäfte besteht; ein entsprechendes Postulat fand die Zustimmung des Nationalrates
[40].
[35] Amtl. Bull. NR, 1977, S. 932 und 1066: NZZ, 141, 18.6.77; SPJ, 1976, S. 63. Zur Situation des Konsumentenschutzes in der Schweiz vgl. auch NZZ, 223, 23.9.77.
[36] Kritik am Vorgehen des Bundesrates: BaZ, 28, 27.1.77; SPJ, 1976, S. 63. Initiative: Tat, 80, 4.4.77; 302, 24.12.77 (Einreichung); TA, 84, 12.4.77; BBl, 1978, I, S. 257 ff.
[37] Parlamentarische Initiative: Verhandl. B.vers.. 1977, V, S. 12; Tat, 106, 6.5.77; 192, 18.8.77; NZZ. 224, 24.9.77. Wirtschaftskreise: NZZ (sda), 258, 3.11.77 (SGV); wf, Artikeldienst, 17.10.77 (Vorort).
[38] BBl, 1978; I, S. 161 ff.; NZZ (sda), 263, 9.11.77. Vgl. auch SPJ, S. 62 f.
[39] BBI, 1976, Il, S. 345 ff.; Amtl. Bull. NR. 1977, S. 7 ff., 392 f. und 657: Amtl. Bull. StR 1976, S. 708 ff.: Amtl. Bull. StR 1977, S. 119 ff. und 202 f.; AS, 1977, S. 2394 ff.; vgl. auch NZZ, 99, 29.4.77. Zum Problem der Lebensmitteldeklaration vgl. unten, Teil I, 4c (Hygiène alimentaire).
[40] Amtl. Bull. NR, 1977, S. 116 f.
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