Année politique Suisse 1978 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Christlichdemokratische Volkspartei
Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) versuchte in der eidgenössischen Politik weiterhin eine Scharnierfunktion auszuüben. Dies zeigte sich namentlich in der Finanzpolitik, wo sie ein Auseinanderbrechen der Viererkoalition zu vermeiden strebte. Dabei verhielten sich freilich ihre Ständeräte den Forderungen der SP gegenüber abweisender als die Nationalräte. Als aber schliesslich die Sozialdemokraten das Erreichte als ungenügend werteten und ihre Zustimmung verweigerten, stellte sich die CVP-Fraktion hinter das Ergebnis der Parlamentsverhandlungen; damit sahen sich die Christlichdemokraten veranlasst, im Wahljahr 1979 eine nur von den bürgerlichen Bundesratsparteien unterstützte Vorlage vor dem Volk zu vertreten
[10]. Generalsekretär Fagagnini betonte jedoch, dass man sich die Hände für wechselnde Mehrheiten freihalten wolle; seine Kritik an der Regierungstreue der Koalitionspartner richtete sich sowohl gegen rechts wie gegeit links. Eine allfällige Änderung der Zauberformel machte er vom Ausgang der Wahlen abhängig
[11]. Für das Berichtsjahr konnte die CVP in Anspruch nehmen, als einzige der grossen Vier bei allen Volksabstimmungen den Parlamentsentscheiden Folge geleistet zu haben. Den Ausschlag dafür gab das Schwangerschaftsgesetz, das die Christlichdemokraten zwar in den Räten abgelehnt, den Stimmbürgern aber im Gegensatz zu den anderen Bundesratsparteien zur Annahme empfohlen hatten; dabei scherten freilich zehn ihrer Kantonalformationen — insbesondere solche aus katholischen Stammlanden — aus
[12].
Das neue
Grundsatzprogramm konnte nun unter Dach gebracht werden
[13]. Die CVP sanktionierte damit, wie ein ihr nahestehender Beobachter vermerkte, ihre Wandlung von der alten Katholikenpartei zu einem christlichen Überkonfessionalismus
[14]. Sie beruft sich zwar weiterhin auf die «christliche Soziallehre», distanziert sich aber von der Bindung an eine Kirche. Sie hält anderseits an einer «Politik der dynamischen Mitte» fest, doch enthalten die Leitlinien für eine solche keine konkreten Zielsetzungen. Vor allem aus ,der Jugendorganisation meldete sich deshalb Enttäuschung über das Fehlen eines in die Zukunft weisenden Gesellschaftsbildes
[15]. Gegen eine Tendenz zum Konservativismus wandte sich auch die christlichsoziale Richtung in der Partei; sie forderte ein erweitertes Mitspracherecht. Zugleich wurde versucht, die Christliche Sozialbewegung (CSB), die Dachorganisation der christlichsozialen Verbände, neu zu aktivieren
[16].
Für konkretere Zukunftsperspektiven war die Gesellschaftspolitische Kommission der CVP rnit ihrem Entwurf für eine Wahlplattform besorgt. Im Vergleich zu seinen Vorgängern legte dieses Dokument mehr Gewicht auf eine Analyse des gesellschaftlichen Wandels, den die vorgeschlagene Politik zu bewältigen habe. Der breite Forderungskatalog, der aufdie Aktionsprogramme von 1971 und 1975 zurückgriff und in einzelnen Punkten (Mutterschaftsurlaub, Arbeitszeitverkürzung, Schutz vor ungerechtfertigten Entlassungen, flexibles Rentenalter, Kontrolle von Unternehmensfusionen) über sie hinausging, hatte freilich noch ein Vernehmlassungsverfahren zu bestehen und wurde von der Parteileitung mit Zurückhaltung kommentiert
[17]. Verbindlicher erscheint das gegen Jahresende veröffentlichte Bündel von wirtschaftspolitischen Massnahmen, das auf Förderung des Exports und der Inlandinvestitionen ausgerichtet und dabei auch auf qualitatives Wachstum (Erhöhung der Lebensqualität) bedacht ist
[18].
[10] Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1107 f., 1258, 1742, 1925; Vat., 221, 23.9.78; 227, 30.9.78; LNN, 224, 27.9.78; TA, 293, 16.12.78; ferner oben, Teil I, 5 (Bundesfinanzreform).
[11] NZZ, 100, 2.5.78; 237, 12.10.78; Vat., 300, 29.12.78.
[12] Vgl. oben, Teil I, 7d (Avortement) sowie SPJ, 1977, S. 129 ; ferner Amtl. Bull. NR, 1977, S. 929 ; Amtl. Bull. StR, 1977, S. 450.
[13] Grundlagen christlichdemokratischer Politik, Grundsatzprogramm der CVP der Schweiz, Bern 1978. Vgl. Presse vom 23.1.78, ferner SPJ, 1977, S. 175.
[14] U. Altermatt, «Die CVP auf dem Weg zu einer offenen Weltanschauungspartei », in Civitas, 33/1977-78, S. 461 ff.
[15] Vat., 11,14.1.78 ; Lib., 92, 20.1.78 ; vgl. auch Vat., 127, 5.6.78. Über die Jugendorganisationen der Parteien im allgemeinen vgl. LNN, 2, 4.1.78; 4, 6.1.78.
[16] NZZ (sda), 91, 20.4.78; Vat., 198, 28.8.78; NZZ, 199, 29.8.78. Zur CSB, der vor allem der CNG, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung und die Christlichsoziale Parteigruppe (christlichsozialer Flügel der CVP) angehören, vgl. Vat., 203, 2.9.78. Die unabhängigen christlichsozialen Parteien (FR, JU, LU, VS) stehen mit der CSB in Kontakt (NZZ. 199, 29.8.78).
[17] Vat., 239, 14.10.78. Vgl. NZZ, 239, 14.10.78; ferner SPJ, 1971, S. 178; 1975, S. 175.
[18] Presse vom 18.12.78.
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