Année politique Suisse 1978 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Sozialdemokratische Partei
Während die CVP in erster Linie um das Funktionieren der Konkordanzdemokratie bemüht war, versuchte die Sozialdemokratische Partei (SP) dahin zu wirken, dass deren Kurs stärker nach links ausgerichtet wurde. Sie tat dies durch härtere Bedingungen für die Zusammenarbeit der Regierungsfraktionen, durch Bekämpfung von Abstimmungsvorlagen, die zuwenig in ihrem Sinne ausgefallen waren, sowie durch die Lancierung oder Unterstützung von Volksinitiativen, ferner auch durch die Aufstellung von Konzepten für einzelne Sachgebiete
[19]. Diese Aktivitäten standen zweifellos im Zeichen der nahenden eidgenössischen Wahlen; gerade das im November veröffentlichte Wirtschaftsprogramm wurde jedoch auch von Kreisen der Mitte nicht als blosses Agitationsmittel bewertet
[20].
Die Partei legte aber in der Bundespolitik nur teilweise eine geschlossene Haltung an den Tag. Ihre Führung gedachte am Parteitag in Basel namentlich mit der Bankeninitiative den einigenden Akzent zu setzen; Präsident Hubacher betonte zugleich das systemverändernde Anliegen der Sozialdemokraten, die keine «Landschaftsgärtner des Kapitalismus» seien. Es gelang auch, die eher gemässigte Fassung des Initiativenentwurfs gegen linke Verschärfungswünsche durchzusetzen. Doch die Delegierten setzten einen zweiten Akzent: entgegen dem abmahnenden Appell Bundespräsident Ritschards und dem aufschiebenden Antrag der Parteileitung stimmten sie der Atomschutzinitiative zu, obwohl die Revision des Atomgesetzes in den eidgenössischen Räten noch nicht durchberaten war. Sie liessen sich ausserdem nicht davon abhalten, das Vorgehen des Metall- und Uhrenarbeitnehmerverbandes (SMUV) gegenüber seiner inneren Opposition zu tadeln, was nicht allein dieser Verband, sondern auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund als Einmischung zurückwies
[21]. Eine Spannung anderer Art kam an einer Konferenz der sozialdemokratischen Frauen in Appenzell zum Ausdruck: hier wurde nicht nur gegen die regionale Männerherrschaft demonstriert, sondern zugleich mehr Einfluss in der Partei gefordert
[22].
In den kantonalen Wahlen erzielten die Sozialdemokraten fast überall Fortschritte. Im Oktober ergab eine Meinungsumfrage für die SP mit Abstand die besten Aussichten für die Neubestellung des Nationalrats
[23]. Ob freilich allzu kühne Hoffnungen berechtigt seien, wurde auch innerhalb der Partei bezweifelt. So namentlich im Kanton Zürich, wo man nach der Rückgewinnung eines Ständeratssitzes und nach den Erfolgen in den Gemeindewahlen der Hauptstadt auch die Position im Regierungsrat, dem nur ein einziger Sozialdemokrat angehört, zu verstärken strebte. Als die Partei aber im November gleich drei Kandidaten in den Kampf schickte, versagte das Gewerkschaftskartell dem dritten seine Unterstützung
[24].
[19] Vgl. das Ringen um die Bundesfinanzordnung (oben, Teil I, 5, Bundesfinanzen), die Referendumsaktion gegen die Bundessicherheitspolizei (oben, Teil I, 1b, Öffentliche Ordnung), die Bekämpfung des Milchwirtschaftsbeschlusses (oben, Teil I, 4c, Milchwirtschaft) und des Berufsbildungsgesetzes (oben, Teil I, 8a, Formation professionnelle), die Lancierung der Banken- und der Ferieninitiative (oben, Teil I, 4b, Banken und 7a, Durée du travail) sowie die Unterstützung der Atomschutzinitiative (oben, Teil I, 6a, Energie nucléaire), ferner das Energiekonzept (oben, Teil I, 6a, Conception globale de l'énergie) und das Wirtschaftsprogramm (oben, Teil I, 4a, Einleitung, Konjunkturpolitik).
[20] Wahlen: vgl. H. Hubacher über die Bedeutung des Parteitags (BaZ, 132, 19.5.78). Wirtschaftsprogramm: BaZ, 300, 24.11.78; Vat., 273, 24.11.78.
[21] Presse vom 20. und 22.5.78, insbes. NZZ, 115, 22.5.78; TW, 116, 22.5.78. Zum Atomgesetz vgl. oben, Teil I, 6a (Energie nucléaire). SMUV : SMUV-Zeitung, 21, 24.5.78. SGB: gk, 20, 25.5.78. Der Parteitag entschied ferner auf Vorschlag des Vorstandes, die 1975 beschlossene Bodenrechtsinitiative aufzugeben (vgl. oben, Teil I, 6c, Bodenrecht sowie SPJ, 1977, S. 111 u. 172). Erstmals seit Jahrzehnten wurde zum Abschluss wieder die Internationale gesungen (Tat. 115, 22.5.78).
[22] TW (sda), 230, 2.10.78; TW, 234, 6.10.78.
[23] Fortschritte: vgl. oben, Teil I, 1e (Autorités cantonales). Meinungsumfrage: TA, 276, 27.11.78.
[24] Partei: Vr, 272, 20.11.78. Gewerkschaftskartell: Vr, 278, 27.11.78. In den Regierungsratswahlen vom 1.4.1979 konnte die SP nur den bisherigen Stand halten (NZZ, 77, 2.4.79). Vgl. oben, Teil I, 1e (Conseil des Etats; Elections communales, Zurich).
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