Année politique Suisse 1978 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
 
Unternehmer
Im Bereich von Industrie, Handel und Banken lässt sich auf Verbandsebene ein stärkeres Zusammenrücken erkennen. Äusseres Zeichen dafür ist die Wahl eines Bankiers, Philippe de Wecks, in den Vorort, die neunköpfige Präsidialbehörde des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins. Damit wird insbesondere die Kooperation zwischen Grossindustrie und Grossbanken, die sich bisher hauptsächlich in den Verwaltungsräten einzelner Firmen beider Sektoren vollzog, erstmals auch auf das führende Gremium der schweizerischen Unternehmerschaft ausgedehnt [5]. Diese Zusammenarbeit kam auch in der Auseinandersetzung um das Verhältnis zwischen Finanzplatz und Werkplatz Schweiz zum Ausdruck, indem man von Unternehmerseite die These der Banken unterstützte, ihre Tätigkeit sei für die Industrie nicht hinderlich, sondern im Gegenteil förderlich. Vorort und Bankiervereinigung bekundeten noch im Sommer, dass sie der inneren Stabilität des Frankens (Vermeidung einer neuen Inflation) vor der äusseren (Vermeidung einer weiteren Aufwertung) den Vorzug gaben [6]. Als dann Bundesrat und Nationalbank im Herbst zu massiven Interventionen auf dem Devisenmarkt übergingen, räumte man freilich in Unternehmerkreisen ein, dass vorübergehend der Währungsstabilisierung Priorität zukomme; man verhehlte aber die Besorgnis nicht, die innere Kostenstabilität könnte darunter leiden [7].
In den Äusserungen von Sprechern führender Unternehmerverbände trat eine gewisse Abwehrhaltung hervor. Besonders ausgeprägt war diese bei den Bankiers, die sich nicht nur durch die sozialdemokratische Bankeninitiative bedrängt sahen, sondern darüber hinaus durch eine sich verbreiternde Tendenz, das Bankgewerbe stärker zu besteuern [8]. Aber auch im Handels- und Industrieverein, dessen Präsident im Vorjahr die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Staat unterstrichen hatte, wurde der Ton reservierter. An der Delegiertenversammlung von Mitte September legte Vorortspräsident von Planta den Akzent auf die Belastung der Unternehmungen durch Steuern und Verwaltungsmassnahmen [9]. Schon zuvor hatte der Vorort das Impulsprogramm des Delegierten für Konjunkturfragen als ordnungspolitisch verfehlt bezeichnet; dass er dann im Herbst das Massnahmenpaket zur Milderung wirtschaftlicher Schwierigkeiten anerkannte, das einen Teil des Impulsprogramms übernahm, mag nicht zuletzt einem Drängen aus dem Kreis exportorientierter Klein- und Mittelbetriebe zuzuschreiben sein, die oft staatlichen Interventionen weniger abgeneigt sind als multinationale Grossfirmen [10]. Auch die Uhrenindustrie bekundete schon früh Interesse am Impulsprogramm. Auf sie war anderseits die Finanzbeihilfe für wirtschaftlich bedrohte Regionen in hohem Masse ausgerichtet, die vom Vorort schon im Vernehmlassungsstadium unterstützt worden war [11]. Aus solchen Schwankungen lässt sich erkennen, dass die Spitzenorganisation von Industrie und Handel widersprüchlichen Interessen Rechnung zu tragen hat.
Eindeutiger nahm die Spitzenorganisation des Gewerbes gegen alle Staatsinterventionen Stellung. Otto Fischer will zwar 1980 die Leitung des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) niederlegen, gedenkt aber als Nationalrat und Volkstribun weiterzuwirken, um vor allem die Totalrevision der Bundesverfassung und den Beitritt der Schweiz zur UNO zu verhindern. Mit steigendem Einsatz schärfte er landauf landab seinen gewerblichen Zuhörern ein, sie könnten sich nur vom Niedrighalten der Steuern und Soziallasten, nicht aber von irgendwelchen staatlichen Lenkungsmassnahmen und Subventionen Erfolg versprechen [12]. So wandte sich der SGV gegen die 9. AHV-Revision und gegen das Hochschulfdrderungsgesetz, obwohl Vorort wie Arbeitgeber-Zentralverband bei der ersten «Gewehr bei Fuss» standen und das zweite befürworteten. Auch die «Massnahmen zur Milderung wirtschaftlicher Schwierigkeiten» lehnte er unbeirrbar ab und bestritt deren Nutzen für Klein- und Mittelbetriebe [13]. Unterschiedliche Interessenlagen führten aber auch im Gewerbe zu Spannungen: so gründeten kleinere Buchdruckereien einen «Verband graphisches Gewerbe der Schweiz», da sie den neuen Gesamtarbeitsvertrag, den der Schweizerische Buchdruckerverein abschloss; nicht anerkennen wollten [14]. Der traditionelle Verband änderte seine Statuten und nennt sich fortan «Schweizerischer Verein graphischer Unternehmer» [15]. Nicht so interventionsfeindlich wie der SGV waren die Baumeister, die sich dagegen wandten, dass der Bund die laufend eingehenden Treibstoffzollzuschläge nicht voll im Nationalstrassenbau einsetzt, sondern danach trachtet, seinen Vorschuss abzubauen [16].
 
[5] JdG, 216, 16.9.78. Ph. de Weck, Verwaltungsratspräsident der Schweiz. Bankgesellschaft, war auch Referent an der Delegiertenversammlung des Schweiz. Handels- und Industrie-Vereins.
[6] Vgl. Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (SHIV), Vorort/Jahresbericht„ 108/1977-78, S. 104 ; Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 66/1977-78, S. 16, 26 f.; ferner wf, Dok., 46, 13.11.78 sowie oben, Teil I, 4b (Finanzplatz Schweiz).
[7] Vorort : Ww, 41, 11.10.78 ; JdG, 247, 23.10.78 ; wf, Dok., 45, 6.11.78 ; 49, 4.12.78. Zur Haltung der Banken vgl. TA, 229, 3.10.78; Bund 7, 10.1.79. Vgl. auch oben Teil I, 4b (Währungspolitik).
[8] (SMV, Vorort/Jahresbericht, 108/1977-78, S. 29 ff. ; Schweiz, Bankiervereinigung, Jahresbericht, 66/ 1977-78, S. 36 ff., 55 ff.; TA, 218, 20.9.78; 221, 23.9.78. Vgl. dazu oben, Teil I, 4b (Banken) und 5 (Bundesfinanzreform).
[9] wf, Dok., 38, 18.9.78; vgl. auch NZZ, 215, 16.9.78 sowie SPJ, 1977, S. 178 f.
[10] wf, Dok., 29/30, 17.7.78; 45, 6.11.78. Vgl. Inserat der Aktion Frankenkurs in Bund, 298, 20.12.78; ferner oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik) und b (Währungspolitik).
[11] Impulsprogramm: JdG, 145, 24.6.78. Bedrohte Regionen: vgl. SHIV, Vorort/Jahresbericht, 108, 1977-78, S. 127 ff.; ferner oben, Teil I, 4a (Strukturpolitik).
[12] NZZ, 126, 3.6.78. Vgl. auch TA, 83, 11.4.78; Vat., 108, 11.5.78; 208.8.9.78; SZ, 127, 5.6.78; BaZ, 280, 1.11.78; ferner SPJ, 1977, S. 180, Anm. 17 sowie oben; Teil I, 1a (Totalrevision der Bundesverfassung) und 2 (Weltpolitische Aktivität). M. Kamber, Vizedirektor des SGV, bezeichnete die politische Grundhaltung des Gewerbetreibenden als «konservativ» (Unternehmungsführung im Gewerbe, 10/1978, S. 40 f).
[13] AHV-Revision : SGZ, 2, 12.1.78 ; NZZ (sda), 29, 4.2.78 ; vgl. SHIV, Vorort/Jahresbericht, 108/1977-78, S. 154 sowie oben, Teil I, 7c (Assurance-vieillesse et survivants). Hochschulförderung: SGZ, 12, 23.3.78 ; vgl. NZZ (sda), 118, 25.5.78 sowie oben, Teil I, 8a (Hautes écoles). Massnahmen: SGZ, 46, 16.11.78; vgl. oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[14] JdG (ats), 100, 1.5.78; NZZ (sda), 100, 2.5.78; vgl. BaZ, 37, 7.2.78 sowie SPJ, 1977, S. 124 f.
[15] NZZ (sda), 114, 20.5.78; TG, 116, 22.5.78.
[16] LNN (sda), 138, 17.6.78; NZZ, 138, 17.6.78.