Année politique Suisse 1978 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Öffentliche Ordnung
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Polizei
Der zweite Versuch innerhalb von zwölf Jahren, ein Sicherheitsinstrument des Bundes zu schaffen, das bei Ungenügen der kantonalen Polizeikräfte eingreifen könnte, scheiterte in der Volksabstimmung. Im März wurde die neue Vorlage für eine Bundessicherheitspolizei von beiden Räten gutgeheissen. Ausser den Kommunisten opponierte praktisch nur eine Minderheit der SP-Fraktion [36]. Nachdem aber bereits im Vorjahr verschiedene linke Organisationen ein Referendum angekündigt hatten, entschied sich jetzt auch der Vorstand der SPS für den Appell ans Volk, ohne sich allerdings mit den erwähnten Gruppen zu verbinden. Gegnerschaft regte sich jedoch nicht nur auf der Linken. In der Westschweiz hatte sich schon im Januar ein Komitee gebildet, das vom jurassischen Sozialisten Béguelin bis zu den Wortführern der konservativ-föderalistischen Ligue vaudoise reichte und nun seinerseits den Kampf aufnahm [37]. Beim Sammeln der Unterschriften hatten freilich die linken Aussenseiter am meisten Erfolg; dabei erwiesen sich die welschen Kantone am ergiebigsten [38].
In der Abstimmungskampagne nahmen alle bürgerlichen Landesparteien zugunsten der Vorlage Stellung und nur die Linke und der Landesring gegen sie. Mehrere bürgerliche Kantonälformationen, namentlich westschweizerische, scherten jedoch aus der Front der Befürworter aus [39]. Während für die «Busipo» in erster Linie das Ungenügen der Terrorabwehr ins Feld geführt wurde, wandten sich die Gegner je nach Standort mehr gegen mögliche Eingriffe in die kantonale Polizeihoheit oder eher gegen die Gefahr einer Beeinträchtigung der Demonstrations- und Streikfreiheit. Die Opposition richtete sich aber meist nicht gegen die in der Botschaft des Bundesrates auf 200 Mann und 100 Ersatzleute begrenzte Antiterrortruppe, sondern allein gegen die 1000 Mann, die für Einsätze zur Wahrung der öffentlichen Ordnung vorgesehen waren [40]. In der Westschweiz scheint das forsche Vorgehen Bundesrat Furglers beim Genfer Flugzeugzwischenfall wesentlich zur Abneigung gegen die «Fupo» beigetragen zu haben.Ungünstig wirkten auch allzu spät widerlegte Befürchtungen, eine Vollzugsverordnung werde dem neuen Instrument einen zentralistischeren Charakter verleihen, als der Gesetzestext annehmen lasse [41]. So wurde die vom Chef des EJPD unermüdlich verteidigte Vorlage [42] am 3. Dezember von 56% der Stimmenden abgelehnt. Nur die ostschweizerischen Kantone, Zürich und Tessin erbrachten annehmende Mehrheiten; die Waadt verwarf mit nahezu 80, das Gebiet des neuen Kantons Jura sogar mit 84%. Wie eine Umfrage ergab, wiesen ausser der französischen Sprachgruppe die jüngere Generation und die Arbeiterschaft besonders hohe Verwerfungsquoten auf. Häufigstes Ablehnungsmotiv war die Abneigung gegen einen Ausbau der Polizei; föderalistische Bedenken traten weit weniger hervor [43].
Das Volksverdikt wurde vielfach dahin gedeutet, dass es sich nicht gegen eine reine Antiterrortruppe richte, sondern nur gegen ein Bundesinstrument zur Bekämpfung von Unruhen. Die FDP-Fraktion postulierte deshalb unverzüglich die Ausarbeitung einer neuen Vorlage, die sich auf den erstgenannten Gegenstand zu beschränken hätte [44]. Die Vorbereitung eines zentralen kriminalpolizeilichen Informationssystems mit elektronischer Datenspeicherung (KIS) trat in die Entscheidungsphase: nach mehreren Kantonsregierungen sprach sich im September auch der Bundesrat grundsätzlich für eine Beteiligung aus [45].
 
[36] Differenzbereinigung: Amtl. Bull. StR, 1978, S. 88. Schlussabstimmungen: Amtl. Bull. NR, 1978, S. 410 f. (135:20); Amtl. Bull. StR. 1978, S. 145 (37: 2); vgl. JdG, 58, 10.3.78. Definitiver Text: BBI, 1978, I, S. 652 ff. Vgl. SPJ, 1977, S. 16 f.
[37] Linke Organisationen: SPJ, 1977, S. 17, Anm. 30. SPS: TA (ddp), 60, 13.3.78; TW, 65, 18.3.78. Westschweiz: 24 Heures (ats), 11, 14.1.78 ; NZZ (sda), 70, 25.3.78 ; NZZ, 73, 30.3.78.
[38] Von total 108 840 gültigen Unterschriften brachten die linken Gruppen rund 71 000 (davon 33 000 aus der welschen Schweiz), die SPS etwa 28 000 und die welschen Föderalisten etwa 9000 zusammen (BBI, 1978, I, S. 1672 f.; Presse vom 20.6.78; TLM, 183, 2.7.78).
[39] Abweichende Kantonalparteien: FDP von OW, VD, VS und GE; SVP von SZ, FR, AR und VD; LP von VD und NE (alle negativ); FDP von TI, CVP von VD, EVP von AG, NA von BL (Stimmfreigabe); SP von AR, LdU von GR und AG (positiv). Der SGB gab die Stimme frei, der CNG, die VSA und der SGV empfahlen ein Ja (LNN. 277, 29.11.78; NZZ, sda, 279, 30.11.78).
[40] Befürworter: vgl. NZZ, 257, 4.11.78 oder Inserat in Blick, 275, 24.11.78. Föderalistische Gegner: vgl. 24 Heures, 270, 20.11.78 (J.-F. Leuba, Polizeidirektor von VD), La Nation, 1068, 2.12.78 (M. Regamey). Linke Gegner: vgl. TW, 259, 4.11.78 (H. Hubacher); 265, 11.11.78 (A. Gerwig); Vr, 265, 11.11.78; VO, 264, 24.11.78. Vgl. dazu BBl, 1977, II, S. 1294.
[41] Westschweiz : NZZ, 273, 23.11.78. Verordnung: Vorwärts, 40, 5.10.78 ; TA. 233, 7.10.78 ; 24 Heures, 278, 29.11.78; vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1573 ff. (Interpellation Gerwig, sp, BS).
[42] Vgl. BaZ, 300, 24.11.78.
[43] BBI, 1979, I, S. 213; Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 3.12.78.
[44] Verhandl. B.vers., 1978, VII, S.25 f.; BaZ, 310, 6.12.78. Vgl. dazu BaZ, 308, 4.12.78; JdG, 283, 4.12.78; Ostschw., 283, 4.12.78; TA. 282, 4.12.78.
[45] Presse vom 7.9.78 ; Gesch.ber., 1978, S. 138. Vgl. R. Gerber, «KIS — das Kriminalpolizeiliche Informationssystem», in Verwaltungspraxis, 32/1978, Nr. 6, S. 9 ff.; BaZ, 305, 30.11.78 sowie SPJ, 1977, S. 17.