Année politique Suisse 1978 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
Regierung
Die Zusammenarbeit der vier Hauptparteien, auf die sich im Bund die Regierung stützt, war infolge einer schärfer akzentuierten Politik des sozialdemokratischen Partners verstärkter Belastung ausgesetzt. Dies kam vor allem im Ringen um die Finanzordnung zum Ausdruck, wie an anderer Stelle näher ausgeführt werden soll. Trotz dem Ausscheren der SP in der Finanzfrage wie auch bei anderen dem Volksentscheid unterworfenen Gegenständen wurde aber die Vierparteienregierung von keinem Koalitionspartner ernstlich angefochten
[1]. Den Sozialdemokraten machte man allerdings von verschiedener Seite den Vorwurf, ihre Opposition in einem so zentralen Bereich wie der Gestaltung des Finanzhaushalts wirke inkonsequent und unglaubwürdigs
[2].
Die beiden SP-Vertreter im Bundesrat wahrten in den umstrittenen Sachfragen nach aussen Kollegialität. Doch unterliess es Willi Ritschard nicht, gleich zu Beginn seines Präsidialjahres zu betonen, dass solche Kollegialität für ihn gewisse Grenzen habe: sollte je eine Regierung gegen eine zivile Aktion wie die Besetzung des Kraftwerkgeländes von Kaiseraugst im Jahre 1975 Militär einsetzen, so könnte kein Sozialdemokrat dies unterstützen. Von einem bürgerlichen Parlamentarier daraufhin aus dem Busch geklopft, verwies der Bundesrat auf die Freiheit seiner Mitglieder, von ihrem Regierungsamt zurückzutreten
[3]. Öffentlicher Kritik setzte sich auch Kurt Furgler aus: seine internationalen Kontakte wurden als Konkurrenz zur Tätigkeit des Aussenministers interpretiert. Gerade die beiden engagiertesten Landesväter ernteten jedoch in einem Popularitätstest Spitzenresultate
[4].
Vor allem das wenig konsequente Manövrieren in den Verhandlungen um die Finanzordnung hat dem Bundesrat erneut den Vorwurf der Führungsschwäche eingetragen
[5]. Kann aber eine zielstrebigere
Führung der Staatstätigkeit dadurch erreicht werden, dass man das Parlament stärker in die politische Planung einschaltet, wie es die von Nationalrat Aubert (lp, NE) geleitete Kommission vorschlug, die sich mit der Einzelinitiative Weber (sp, TG) zu befassen hatte? In dieser Initiative ging es zwar in erster Linie um eine gegenseitige Abstimmung der Rechtsgrundlagen von Regierungsrichtlinien und Finanzplan, wie sie 1974 bloss für eine einzige Legislaturperiode beschlossen worden war. Das hiess im Antrag der Kommission: Verknüpfung der beiden Planungsinstrumente zu einem «quantifizierten Regierungsprogramm». Da aber der Finanzplan wie ein normales Parlamentsgeschäft von Kommissionen beider Kammern vorzuberaten ist, die Richtlinien dagegen nicht, ergab sich aus dem Postulat der gegenseitigen Abstimmung auch eine Vorberatung der Richtlinien; von einer solchen erwartete man überdies gehaltvollere Debatten in den Räten. Die Kommission Aubert ging nun noch einen Schritt weiter und forderte für das Parlament ein Recht, auf die Regierungsplanung durch dringlich zu behandelnde Motionen Einfluss zu nehmen. Von einer förmlichen Genehmigung der Planungsberichte durch die Räte sah sie freilich ab, um nicht eine Selbstbindung des Parlaments einzuführen, die praktisch undurchsetzbar wäre. Sie überliess damit dem Bundesrat die alleinige Verantwortung für das Regierungsprogramm und unterstrich dies dadurch, dass sie für alle Botschaften und Berichte des Bundesrates eine Bezugnahme auf Richtlinien und Finanzplan verlangte. Im Sinne einer rollenden Planung sah sie ferner für die Mitte der Legislaturperiode einen Zwischenbericht über den Richtlinienvollzug mit allfälligen Anpassungsvorschlägen vor. Der Rechenschaftsbericht über die ganze Periode sollte jeweils mit dem neuen Programm verbunden werden. Inhaltlich und methodisch wünschte die Kommission insbesondere, dass die Richtlinien mehr auf Zielsetzungen ausgerichtet würden und nicht hauptsächlich auf die anstehenden Probleme
[6].
Der Bundesrat akzeptierte in seiner Stellungnahme die Verfahrensänderungen, nicht ohne zu bedauern, dass es die Fraktionen versäumt haben, sich in den Richtliniendebatten deutlicher zu profilieren. Zu den inhaltlichen und methodischen Postulaten machte er dagegen Vorbehalte und betonte dabei den Vorrang der Exekutive in der politischen Planung. Noch stärker tat dies der geistige Vater der Richtlinien, Leo Schürmann, indem er sich gegen deren Beeinflussung durch das Parlament aussprach. Auch von anderer Seite bezweifelte man, ob die Gestaltungsfreiheit des Bundesrates von einem Parlament eingeschränkt werden dürfe, das sich selber nicht binden und über zentrale Fragen keinen Konsens finden kann
[7]. Der Nationalrat folgte jedoch den Anträgen seiner Kommission, wobei allerdings die SP-Fraktion den Initianten mehrheitlich im Stich liess
[8].
[1] Zur Politik der SP vgl. unten, Teil III a (Sozialdemokratische Partei), zur Finanzordnung Teil I, 5 (Bundesfinanzreform). Vierparteienregierung: TW (ddp), 304, 29.12.78.
[2] Vgl. Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1130 f. (Auer, fdp, BL), 1132 (Butty, cvp, FR) und 1257 (Biel, Idu, ZH). Vgl. auch TW (ddp), 304, 29.12.78. (Präsidenten der Landesorganisationen der FDP, Y. Richter, und der SVP, F. Hofmann). Der Vorwurf wurde zurückgewiesen (TW, 241, 14.10.78).
[3] Bilanz, Nr. 1, Jan. 1978, S. 39. Vgl. Einfache Anfrage von StR Egli (cvp, LU) (Amtl. Bull. StR, 1978, S. 148).
[4] Zu BR Furgler vgl. unten, Teil I, 2 (Aktivierung der Aussenpolitik). Popularitätstest: BaZ, 317, 14.12.78.
[5] So O. Fischer in NZZ, 257, 4.11.78.
[6] Zur Initiative Weber vgl. SPJ, 1976, S. 20; 1977, S. 18. Kommissionsbericht: BBI, 1978, II, S. 95 R. Richtlinien und Finanzplan: vgl. SPJ, 1976, S. 20.
[7] Bundesrat: BBl, 1978, II, S. 853 ff. Schürmann: LNN, 235, 10.10.78. Vgl. dazu NZZ, 144, 24.6.78; 175, 31.7.78; ferner die Kontroverse zwischen BR Furgler und dem Politologen F. Scharpf am ETH-Kolloquium «Politische Planung in Theorie und Praxis» (TA, 257, 4.11.78).
[8] Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1809 ff.
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