Année politique Suisse 1978 : Chronique générale / Politique étrangère suisse
Flüchtlinge
In den Beratungen der eidgenössischen Räte zum Asylgesetz, dessen Hauptzweck die Zusammenfassung der bisher verstreuten Bestimmungen in einem einheitlichen Erlass und die Verbesserung der rechtlichen Stellung des Flüchtlings war, wurde der Zusammenhang zwischen Asyl- und Menschenrechten hergestellt. Es war unbestritten, dass die jetzige Verfassungsgrundlage für ein subjektives Recht auf Asyl nicht ausreicht. Dennoch zielten die Beschlüsse der Nationalratskommission, über die Vorstellungen von Bundesrat und Parlament hinausgehend, in diese Richtung. Während es der Fraktionssprecher der Sozialdemokraten vor dem Nationalrat deshalb bedauerte, dass sich der Bundesrat nicht zu einer diesbezüglichen partiellen Verfassungsrevision habe entscheiden können, stellte Nationalrat Oehen (na, BE) einen Rückweisungsantrag an die Kommission, weil diese seiner Meinung nach einen Rechtsanspruch auf Asyl aufgestellt hatte. Der Antrag wurde jedoch deutlich abgelehnt. Umstritten war die Fassung des Familienbegriffs. Der Nationalrat stimmte zwar einer Ausdehnung dieses Begriffs auf mit dem Flüchtling in dauernder Gemeinschaft zusammenlebende Personen knapp zu, doch lehnte er eine weitergehende Auslegung ab, ausgenommen im Fall von minderjährigen Kindern.
Heftig umstritten waren auch die Kompetenzen des Bundesrates, in Notzeiten Teile des Asylgesetzes ausser Kraft zu setzen. Ganz offenkundig wirkte hier noch das Misstrauen nach, das in der Haltung der Bundesbehörden zur Zeit des Zweiten Weltkriegs begründet ist
[35]. Schliesslich stimmte der Nationalrat auf Antrag der Kommissionsminderheit diesen Kompetenzen zu, legte aber gleichzeitig fest, dass der Bundesrat über von ihm getroffene abweichende Massnahmen der Bundesversammlung unverzüglich Bericht erstatten müsse
[36].
1978 standen unter den Asylsuchenden die Vietnamesen im Vordergrund, doch hielt sich die Schweiz bei der Asylgewährung lange Zeit stark zurück, eine Tatsache, die in der Presse verschiedentlich auf heftige Kritik stiess
[37]. Dagegen nahm man in der PdA die Zusatzbewilligungen für Vietnamesen zum Anlass, die schweizerische Asylpolitik als rein von wirtschaftlichen und politischen Kriterien abhängig zu kritisieren
[38].
[35] Amtl. Bull. StR, 1978, S. 74 ff.
[36] NR W. Hofer (svp, BE) sprach sich gegen eine Vergangenheitsbewältigung mittels des neuen Asylgesetzes aus, vgl. Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1814 ff.
[37] Presse vom 12.12.78. Für Kritik vgl. BaZ, 303, 28.11.78; Ostschw., 287, 8.12.78. Zahlenmässig standen allerdings nicht die Vietnamesen, sondern die Chilenen im Vordergrund. Vgl. NZZ, 30, 6.2.79.
[38] VO, 192, 194, 196, 29.8.-2.9.78.
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