Année politique Suisse 1978 : Economie / Crédit et monnaie / Geld- und Währungspolitik
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Währung
Das Währungsgeschehen liess den Zielkonflikt der Geldpolitik unserer Behörden offen zutage treten [3]. Inmitten einer inflationierenden Umwelt scheint es für eine kleine, offene Volkswirtschaft unmöglich zu sein, gleichzeitig den Binnenwert und den Aussenwert ihrer Währung einigermassen konstant zu halten. Entgegen den Erwartungen der Kaufkraftparitätentheorie, dass sich der Wechselkurs auf mittlere Sicht nur entsprechend der Inflationsdifferenz zu anderen Ländern — also nur nominal — verschieben werde, erfuhr der Schweizer Franken in mehreren Schüben zusätzlich eine reale Aufwertung erheblichen Umfangs [4]. Wie die nun auch wissenschaftlich ausgewerteten Erfahrungen mit dem Floating zeigen, lässt sich das für amerikanische Verhältnisse entwickelte monetaristische Konzept der Geldmengensteuerung mit fester Zielvorgabe nicht unbesehen aufdie Schweizübertragen, die weitgehend vom Export abhängig ist und — im Missverhältnis zu ihrer realwirtschaftlichen Grösse — der Weltwirtschaft zugleich als drittwichtigster Finanzplatz dient [5].
Die massive Aufwertung des Frankens rief der Kritik mancher besorgter Ökonomen und mobilisierte sowohl die kleinen und mittleren Exporteure, welche die Konkurrenzfähigkeit ihrer Produkte auf den Weltmärkten schwinden sahen, als auch die politische Linke, die um die Sicherheit der Arbeitsplätze bangte [6]. Einflussreiche Wirtschaftskreise, die aufgrund ihrer multinationalen Interessenstruktur der Höherbewertung des Frankens im Hinblick auf ihre Auslandsinvestitionen auch positive Seiten abzugewinnen vermochten, plädierten indes für ein Festhalten an der preisorientierten Stabilisierungspolitik [7]. Die Behörden sahen sich schliesslich gezwungen, eine Umorientierung ihrer Geldpolitik vorzunehmen und mittels einer aktiven Währungspolitik dem Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken entgegenzutreten [8]. Die Höherbewertung hatte bereits im zweiten Semester 1977 eingesetzt und hielt — abgesehen von einer Stabilisierung im Januar—bis ins Frühjahr hinein an. Ende Februar beschlossene Massnahmen, die neben der Reduktion des Diskont- und Lombardsatzes eine Verschärfung der Negativzinsregelung, ein Anlageverbot für ausländische Gelder in inländischen Wertpapieren sowie die Ermächtigung der Nationalbank zum Abschluss längerfristiger Devisentermingeschäfte brachten, vermochten den Aussenwert des Frankens deutlich abzuschwächen und hatten eine Phase ruhiger Kursentwicklung zur Folge.
Bereits im Juni setzten jedoch erneut nachhaltige Wechselkursverschiebungen ein, und am 26. September erreichten sowohl der Dollar als auch die D-Mark mit 1.45 bzw. 75 ihre Tiefstwerte gegenüber, der schweizerischen Währung. Nationalbank und Bundesrat erliessen darauf Massnahmen, deren hauptsächliches und explizites Ziel darin bestand, den Kurs der D-Mark deutlich über 80 zu heben. Neben einer direkten Beeinflussung der Wechselkurse mittels verstärkter Devisenmarktinterventionen wurden die Kapitalexporte gefördert, geld- und kapitalmarktpolitische Vorkehren getroffen sowie flexible Kurssicherungsmöglichkeiten für Exporwirtschaft und Hotellerie geschaffen. Nach Erlass dieser Massnahmen verzeichnete der Schweizer Franken gegenüber allen wichtigen Währungen ausser dem Dollar eine markante Abschwächung. Erst die energischen Eingriffe der amerikanischen Regierung vom November und die internationale Koordination unter den Notenbanken, an der sich auch die Schweiz beteiligte, vermochten schliesslich den Dollar zu stützen. Ende Jahr notierte die amerikanische Währung 1.62 (Anfang Jahr 1.97), und die D-Mark erreichte einen Kurs von 89.20 (Anfang Jahr 94.00). Trotz dieser Erfolge des letzten Quartals lag der mit den Exporten nach den 15 wichtigsten Handelspartnern gewichtete Schweizer Franken Ende Dezember immer noch um 13,9% höher als ein Jahr zuvor.
 
[3] Vgl. NZZ, 22, 27.1.79; W. Rein, «Geldpolitik im Zeitalter des Floatings», in Schweiz. Bankverein, Der Monat, 1978, Nr. 10, S. 7 ff.
[4] Mitteilungsblatt des Delegierten für Konjunkturfragen, 34/1978, S. 42 ff.; BaZ, 252, 29.9.78.
[5] Zur wissenschaftlichen Diskussion vgl. H. Sieber, Der flottierende Schweizerfranken. Zürich 1978 ; A. Galli, Der Geldangebotsprozess in einer offenen Volkswirtschaft — dargestellt am Beispiel der Schweir, Zürich 1978 ; C. Vital, Geldnachfragegleichungen für die Schweiz, Zürich 1978 ; P. Signorell, Die Wechselwirkungen zwischen der Geldpolitik und der öffentlichen Verschuldung seit Einführung flexibler Wechselkurse, Zürich 1979; P. Buomberger, «Geldmengenaggregate und Bruttosozialprodukt. Empirische Untersuchungen für die Schweiz» und M. Dubois, «Der reale Wechselkurs, Konzept und Berechnungsergebnisse», Beilagen zu SNB, Monatsbericht, 53/1978, Nr. 1 bzw. Nr. 5; P. Hadorn, «Die Schweiz und die internationale Währungspolitik», in Die Volkswirtschaft, 51/1978, S. 445 f.; J.-P. Roth, «Politique monétaire et politique de change: une analyse des instruments de la Banque Nationale Suisse», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 114/1978, S. 713 ff.; H. Strasser, «Les banques, le franc suisse et l'industrie», in Revue économique et sociale, 36/1978, S. 179 ff.
[6] Ökonomen: vgl. S. Borner / C. Friedmann, «Schicksal oder Politikversagen?», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 115/1979, S. 21 ff.; St. Galler Zentrum für Zukunftsforschung, Entwicklungsperspektiven und -probleme der schweizerischen Volkswirtschaft, Teil 4 (Weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen, Wirtschaftspolitische Fragen), St. Gallen 1978, S. 254 ff. Exporteure: vgl. Ldb, 213-214, 15.-16.9.78; 242, 19.10.78: Bund, 298, 20.12.78. Linke: vgl. Vorwärts, 10, 9.3.78; 32-34, 10.-24.8.78; 38-39, 21.-28.9.78; SP-Information, 28, 30.3.78;40, 5.10.78; NZZ (sda), 217, 19.9.78 (SGB); Verhandl. B.vers., 1978, V/VI, S. 57 (Postulat Stich, sp, SO). Vgl. auch oben, 2 (Gefährdung des Werkplatzes Schweiz, Exportförderung).
[7] Vgl. Schweiz. Handels- und Industrieverein, Vorort/Jahresbericht, 108/1977-78, S. 102 f.; wf, Dok.. 33/34, 14.8.78. Vgl. auch TA, 268, 18.11.78; BaZ, 10, 12.1.79. Vgl. ferner H. Hartung, Die Schweiz im Zeichen des harten Frankens, Zürich (SICA) 1978.
[8] Vgl. hier und im folgenden: SNB, Geschäftsbericht, 71/1978, S. 8 f. und 43 f.; Gesch.ber., 1978, S. 184 f.; Mitteilung der Kommission filr Konjunkturfragen (in der Folge zitiert: Mitteilung/Konjunkturfragen), Nr. 256, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 52/1979, Heft 2.