Année politique Suisse 1978 : Chronique générale / Finances publiques
Finanzplanung
In ihrer Finanzplanung indes mass die Regierung diesen konjunkturellen Überlegungen nur untergeordnete Bedeutung zu
[10]. Hier ging es in erster Linie darum, einen
Ausgleich des Budgets auf den Anfang der achtziger Jahre anzustreben, ein Ziel, das die Räte der Exekutive bereits 1976 gesetzt hatten und dessen Gewicht sie 1978 mit einer weiteren Motion noch einmal betonten
[11]. Von wirtschaftswissenschaftlicher Seite wurde dagegen eingewandt, ein ausgeglichenes Budget dürfe nicht Selbstzweck der Finanzpolitik sein; diese habe sich vielmehr in den Dienst einer vernünftigen Wirtschaftspolitik zu stellen, für die der staatliche Budgetausgleich erst bei Vollbeschäftigung und 100%iger Auslastung des Produktionsapparates sinnvoll sei
[12]. Neben der konjunkturellen Steuerungsfunktion komme dem Finanzplan — so unterstrich namentlich Prof. Wittmann — die Aufgabe zu, die Finanzierung der durch die Richtlinien der Regierungspolitik gesetzten Ziele vorzubereiten; meist sehe die Realität aber anders aus, indem sich die Regierung durch die Finanzplanzahlen von ihren Zielvorhaben abbringen lasse
[13]. Über die Bestrebungen im Zusammenhang mit der Parlamentarischen Initiative Weber (sp, TG), Regierungsrichtlinien und Finanzplan besser aufeinander abzustimmen, haben wir an anderer Stelle berichtet
[14].
Die Ökonomieprofessoren, die ein beträchtliches politisches Engagement an den Tag legten, waren sich weitgehend einig, dass es in der gegenwärtigen Wirtschaftssituation nicht angehe, das Wachstum der Staatsausgaben unter die prognostizierte Zunahme des Bruttosozialprodukts sinken zu lassen. In ihrer Kritik am prozyklischen Verhalten der Schweiz (Angleichung der Staatsausgaben an die Konjunkturbewegung) wurden sie von OECD-Experten unterstützt. Da der Staatsanteil am schweizerischen Bruttosozialprodukt im internationalen Vergleich immer noch bescheiden und die Bedingungen am Kapitalmarkt äusserst günstig seien, solle die öffentliche Hand in weit grösserem Umfang kreditfinanzierte Konjunkturmassnahmen ergreifen
[15].
Just dieser Forderung der Finanzexperten widersetzten sich jedoch rechts- und wirtschaftsbürgerliche Kreise, weil solch eine antizyklische Politik die Staatsquote über Gebühr erhöhe und einer ökonomisch höchst unerwünschten Schuldenwirtschaft kräftig Vorschub leiste. Da indes auch die Belastungsgrenze zumindest für Unternehmungen, hohe Einkommen und Vermögen längst erreicht sei .und die Steuerschraube hier nicht weiter angezogen werden dürfe, könne das Gebot der Stunde nur Sparen heissen. Der Militärbereich müsse bei zusätzlichen Sparübungen allerdings ausgeklammert bleiben; ein Marschhalt in der Sozialpolitik sei hingegen angezeigt
[16]. Dass die Prioritäten von weiten Kreisen anders gesetzt werden, zeigte der positive Ausgang der Volksabstimmung über die 9. AHV-Revision ebenso wie eine bereits 1976 vom EFZD in Auftrag gegebene repräsentative Meinungsumfrage über die Finanz- und Steuergesinnung des Schweizer Volkes, deren Ergebnisse, die erst im Berichtsjahr an die breite Öffentlichkeit gelangten, dem Wunsch der Bevölkerungsmehrheit nach Abbau der Militärausgaben und Mehraufwendungen im Sozialbereich Ausdruck verleihen
[17].
Die Sparanstrengungen der Verwaltung stossen schon dadurch auf enge Grenzen, dass nur ein Drittel des Budgets für den bundeseigenen Bereich, d.h. für Besoldungen, Konsum von Gütern und Dienstleistungen, Eigeninvestitionen und Zinsendienst des Bundesstaates Verwendung findet. Alle übrigen Bundesausgaben entfallen auf
Transferzahlungen, sind also meist gesetzlich festgelegte Übertragungen an Kantone und Gemeinden, Sozialwerke und Verkehrsträger, private Investoren und Produzenten etc. Im Transferhaushalt liegen denn auch die tieferen Ursachen für das Ungleichgewicht der Bundesfinanzen, doch Einsparungen in diesem Bereich, wie sie durch Subventionsabbau bereits in den letzten Jahren ermöglicht worden sind, bedeuten zwangsläufig Kostenüberwälzungen auf andere Träger, was unerwünschte soziale Folgen nach sich ziehen kann
[18]. Gegen das beinahe unüberschaubare Subventionssystem wurde kritisch eingewandt, es bewirke — ohne Rücksicht auf die konkrete Bedürftigkeit im einzelnen — automatische Zahlungen des Bundes nach dem sog. Giesskannenprinzip, verfälsche die marktwirtschaftlichen Bedingungen und verhindere ein echtes Kostenbewusstsein bei Produzenten und Konsumenten
[19].
Um die Gemengelage von Entscheidungskompetenzen und Finanzierungspflichten etwas zu entflechten, wurden verschiedene Vorschläge für eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen eingebracht, die wir an anderer Stelle erwähnt haben
[20]. Entsprechende Absichten des Bundesrates, gewisse Sozialaufgaben ganz auf die Kantone abzuwälzen, scheiterten am geharnischten Protest der Krankenkassen und der politischen Linken: es sei sehr unwahrscheinlich, dass die finanzschwächeren Kantone die bisherigen Leistungen des Bundes in vollem Umfang übernehmen könnten
[21]. Solche Schwierigkeiten liessen sich über einen verstärkten Finanzausgleich ohne weiteres beheben; dieser bleibt indes solange ein Problem, als sich die Kantone und bürgerliche Kreise gegen eine weitergehende Steuerharmonisierung erfolgreich zur Wehr setzen
[22].
Eine radikale
Abkehr vom gängigen Subventionssystem schlug der Freiburger Finanzwissenschafter. Wittmann vor. Alle Leistungen und Waren sollten wieder vermehrt nach dem Aquivalenzprinzip zu kostendeckenden Preisen gehandelt werden; die dadurch eingesparten Subventionen reichten bei weitem aus, um den wirklich bedürftigen Haushalten über direkte Zuweisungen aus der Bundeskasse den notwendigen (und verteuerten) Konsum zu ermöglichen. Im weitern sei — wo immer tunlich — die Zweckbindung (Affektation) der Steuereinnahmen aus einem Aufgabenbereich an die Ausgaben desselben Bereichs einzuführen, ähnlich wie das der vorbürgerliche Staat mit seiner Fondswirtschaft gehalten habe
[23]; ähnlich übrigens auch wie das die Gesamtverkehrskonzeption für ihren Bereich vorsieht
[24]. Es fragt sich allerdings, ob derlei Vorschläge, die einer Abkoppelung der Finanzierungsentscheide von der zentralen politischen Willensbildung im Parlament das Wort reden und einen Rückschritt vom Sozialstaat zum Fürsorgestaat nahelegen, das politische System nicht einer seiner wesentlichsten Funktionen auf kaltem Wege zu beschneiden suchen, war doch gerade das Prinzip der Non-Affektation, der zentralen, eminent politischen und souveränen Verfügungskompetenz des Parlaments über die Staatseinkünfte jener Hebel, der den europäischen Gesellschaften zum Schritt aus den absolutistischen Zwängen in die bürgerliche Freiheit verhalf
[25].
[10] Vgl. BBI, 1978, I, S. 924 ff. (Finanzplan des Bundes für die Jahre 1979 bis 1981). Vgl. auch die Presse vom 21.3.78 (insbesondere W. Riedweg in Bund, 67) und A. Winter, Die Entwicklung der Finanzplanung des Bundes, Diss. Zürich, Diessenhofen 1978.
[11] Amtl. Bull. StR, 1978, S. 201 f.; Amtl. Ball. NR, 1978, S. 1851 ff. Vgl. auch SPJ, 1976, S. 80.
[12] S. Borner u.a., Schweizerische Stabilisierungs- und Finanzpolitik, Diessenhofen 1978. Vgl. auch L. Weber, L'analyse économique des dépenses publiques, Paris 1978 und wf, Artikeldienst, 12, 20.3.78.
[13] W. Wittmann in BaZ, 69, 11.3.78; 95, 8.4.78; 283, 4.11.78. Vgl. auch ders., Bundesfinanzen und Sozialstaat, Diessenhofen 1978. Vgl. ferner Bund, 237, 10.10.78.
[14] Vgl. oben, Teil I, 1c (Regierung). Vgl. auch die Presse vom 17.5.78 und 22.7.78.
[15] Vgl. Anm. 12 und 13 sowie S. Borner / C. Friedmann, «Schicksal oder Politikversagen?», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 115/1979, S. 21 ff. OECD: vgl. TA (ddp), 126, 3.6.78 ; gk, 1, 11.1.79. Vgl. auch BaZ, 203-209, 3.-10.8.78. Vgl. ferner oben, Teil I, 4b (Geld- und Kapitalmarkt). Vgl. aber auch die Ergebnisse eines Ökonomentreffens in Basel («Effizienz im öffentlichen Sektor»), in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 114/1978, S. 231 ff.
[16] Vgl. R. Rohr, Schweizer Steuern auf gefährlichem Kurs — Fakten, Folgerungen und Vorschläge, Zürich 1978 (Redressement National); NZZ, 5, 7.1.78 (NR Letsch, fdp, AG); 100, 2.5.78 (FDP, ZH); 158, 1 1.7.78 (NR Letsch); wf, Dok., 35-36, 28.8.78; 43, 23.10.78; 3, 15.1.79. Vgl. auch oben, Teil I, 3 (Landesverteidigung und Gesamtpolitik).
[17] Vgl. E. Gruner / H.-P. Hertig, Die Finanz- und Steuergesinnung des Schweizervolkes, Bern (1976-77); B. Hosang, Die sieben mageren Jahre, Bern 1978, S. 75 ff. und NR Müller (sp, BE) in TW, 166, 19.7.78 und 184, 9.8.78. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1978, S. 1405 f. (Interpellation Eggenberg, sp, BE). Zur 9. AHV-Revision vgl. unten, Teil I, 7c (Assurance-vieillesse et survivants).
[18] Vgl. Eidg. Finanzverwaltung, «Bundessubventionen 1977» und «Die Einnahmen der Kantone aus Bundesgeldern», in Die Volkswirtschaft, 51/1978, S. 423 ff und 563 ff. Vgl. auch Bund, 194, 21.8.78; BaZ, 72, 14.3.78 ; 219, 22.8.78 und Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1979, S. 44* f. Vgl. ferner oben, Teil I, 4c (Pflanzliche Produktion).
[19] Vgl. LNN, 98, 28.4.78; 230, 4.10.78 und Amtl. Bull. NR, 1978, S. 964 ff. (als Postulat angenommene Motion Rüttimann, cvp, AG, die den Bundeshaushalt über Subventionseinsparungen zu verbessern verlangt).
[20] Vgl. oben, Teil I, 1d (Confédération et cantons). Vgl. auch Bund, 40, 17.2.78; BaZ, 47, 17.2.78; BR Cheyallaz in BT, 110, 13.5.78 und J.-J. Schwartz, Fédéralisme coordonné, Bern 1978 sowie A. Meier, «Finanzpolitische Mechanismen im föderalistischen Staat», in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 34/1978, Nr. 10.
[21] Vgl. BaZ, 98, 11.4.78; Bund, 121, 27.5.78. Vgl. auch oben, Anm. 10.
[22] Vgl. NZZ, 184, 11.8.78 und wf; Dok., 33-34, 14.8.78 (Stellungnahmen der Spitzenverbände zum Gesetzesentwurf über die Steuerharmonisierung) sowie 42, 16.10.78.
[23] W. Wittmann, Reform des schweizerischen Subventionswesens, Zürich 1978 (SBG-Schriften, 55) und ders., «Zweckbindung öffentlicher Einnahmen», in NZZ, 251, 7.1 1.78. Vgl. auch oben, Anm. 13 und TA, 71, 28.3.78 sowie wf, Artikeldienst, 47, 20.11.78. Vgl. ferner oben, Teil I, 4c (Agrarpolitik).
[24] Vgl. unten, Teil I, 6b (Conception globale suisse des transports).
[25] Vgl. R. Gemperle / C. Thöny in NZZ, 272, 22.11.78 und Ww, 19, 10.5.78.
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