Année politique Suisse 1979 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Parteiensystem
Wie bereits erwähnt, stand das Wahljahr 1979 stärker im Zeichen der Polarisierung als 1975. Diese wirkte sich freilich nicht in der Bildung von eigentlichen Lagern aus; zu sehr war jede Partei daran interessiert, ihre eigene Position zu wahren oder zu verbessern. Die beiden Abstimmungskämpfe des Jahres, die vor allem der Atomschutzinitiative und der Bundesfinanzreform galten, markierten zwar den Gegensatz zwischen den Sozialdemokraten und den übrigen Bundesratsparteien, wobei der Landesring, die äusserste Linke und die Nationale Aktion auf die Seite der ersten traten und die Liberalen zur Koalitionsmehrheit hielten. Aber eine solche Frontbildung wurde von namhaften Gruppen durchkreuzt: so stand der Schweizerische Gewerkschaftsbund in beiden Auseinandersetzungen abseits, und der Finanzvorlage opponierten bürgerliche Kantonalparteien und gewerbliche Kreise von rechts
[1]. Wohl gab es Aufrufe zum bürgerlichen Zusammenschluss
[2] wie auch Bemühungen um eine Einheit der Linken, doch sie beherrschten das Feld nicht. Die Landesleitung der CVP entzog sich jeder Blockpolitik, und in einzelnen Kantonen äusserten sich Rivalitäten zwischen bürgerlichen Parteien stärker als bisher
[3]. Auf der linken Seite des Spektrums suchte zwar die PdA engere Kontakte zur SP, hatte damit aber in der deutschen Schweiz kaum Erfolg; anderseits ging die POCH auf eine Sammlung der äussersten Linken aus, die zur Sozialdemokratie eine Alternative bieten sollte
[4]. Schliesslich erstrebten die massgebenden Kreise in keiner der vier Bundesratsparteien ernstlich eine Sprengung der Regierungszusammenarbeit
[5].
Die Wahlen bewiesen erneut, dass ein wachsender Teil der Bürger von den Parteien nicht mehr mobilisiert werden kann. Angesichts der Millionen, die von interessierten Wirtschaftskreisen in den Kampf gegen die Atomschutzinitiative geworfen wurden, griff der Präsident der SPS, H. Hubacher, im Nationalrat die aufs Eis gelegte Forderung nach staatlichen Beiträgen an die Parteien wieder auf. Der Bundesrat rechtfertigte sein Zuwarten mit den widersprüchlichen Ergebnissen der Vernehmlassung aus dem Jahre 1973, eine Antwort, die auch in der SVP und der CVP Kritik auslöste
[6]. Von anderer Seite wurde die geringe Wahlbeteiligung nicht zuletzt den Parteien selbst, ihrer Tätigkeit und Struktur, zur Last gelegt. Diese verständen es, meist nicht, den Bürger bei seinen unmittelbaren Anliegen anzusprechen und ihm eine hilfreiche persönliche Beratung in politischen Fragen zu bieten. Sie hätten sich zudem viel zu stark mit Interessengruppen verfilzt, namentlich durch Amterkumulationen der Parlamentarier, so dass sie elitär geworden seien, für den Bürger so fern wie der Staat und mit demselben Misstrauen behaftet
[7].
[1] Polarisierung: vgl. oben, Teil I, 1e (Elections fédérales). Atomschutzinitiative: vgl. oben, Teil I, 6a (Kernenergie). Bundesfinanzreform: vgl. oben, Teil I, 5 (Réforme des finances fédérales).
[2] Vgl. R. Reich, «Gibt es noch eine bürgerliche Politik in der Schweiz?», in Schweizer Monatshefie, 59/1979, S. 813 ff.; ferner Ansprache von Parteipräsident F. Hofmann vor den Delegierten der SVP (TA, 11, 15.1.79).
[3] CVP: vgl. oben, Teil I, 1c (Regierung). Rivalitäten: Freisinnig-liberale Uneinigkeit in GE (vgl. oben. Teil I, 1e, Apparentements de listes) und NE (24 Heures, 250, 27.10.79).
[4] Vgl. U. Haldimann (Hrsg.), Sozialismus in der Schweiz, Basel 1979, insbes. S. 205 fr. ; W. Carobbio (PSA), K. Odermatt (PdA) und E. Hafner (POCH) in PZ. 7, 15.2.79 ; C. Miville, «„Einheit der Linken"», in Profil, 1979, S. 97 ff.; ferner unten, Äusserste Linke. In Basel diskutierten SP und PdA an einer gemeinsamen Mitgliederversammlung über ihr Verhältnis (Vorwärts, 24, 14.6.79; NZZ, 136, 15.6.79).
[5] Über Vorbehalte vgl. oben, Teil I, 1c (Regierung); ferner NZZ, 237, 12.10.79.
[6] Interpellation Hubacher (sp, BS): Amtl. Bull. NR, 1979, S. 86 f1. Kritik: SVP-Pressedienst, 5, 31.1.79; H. Fagagnini (CVP) in BaZ, 51, 1.3.79. Vgl. auch TA. 33, 9.2.79 sowie SPJ, 1973, S. 160 f.; 1974, S. 170. Zur Wahlbeteiligung vgl. oben, Teil I, 1e (Participation).
[7] H. Tschäni, Parteien, Programme, Parolen, Aarau-Zürich 1979, S. 165 ff. Vgl. auch die von der Waadtländer FDP ausgezeichnete Preisarbeit (Prix civique vaudois 1978) C. Hosner / Chr. Piguet, Les partis sont-ils coupés du peuple?
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