Année politique Suisse 1979 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinnig-demokratische Partei
Die Freisinnig-demokratische Partei (FDP) bildete den einen der beiden Pole im Kräftefeld, und zwar den in den Wahlen erfolgreichen. Wie beschränkt Parteipropaganda in Inhalt und Form die Wähler zu beeinflussen vermag, haben wir schon an anderer Stelle erwähnt [8]. Immerhin ist es politisch nicht ohne Bedeutung, dass die FDP ihre Werbung auf die Maxime «Mehr Freiheit und Selbstverantwortung — weniger Staat» ausrichtete. Ihr Wahlprogramm war detaillierter als dasjenige von 1975. Es fehlte darin nicht an neuen, von der zeitgenössischen Gesellschafts- und Staatskritik angeregten Postulaten wie Preisanmeldepflicht für Kartelle, obligatorische Unfallversicherung für alle Arbeitnehmer, Mutterschaftsschutz (namentlich in bezug auf Kündigung und Lohnanspruch), Ablehnung von Zulassungsbeschränkungen an Hochschulen, Offenlegung der Verbandsbindungen der Parlamentarier, Ombudsmann und Datenschutz. Anderseits wurden weitere Steuererhöhungen abgelehnt und 50% des Einkommens als absolute Maximalbelastung erklärt. Das Generalsekretariat veröffentlichte erstmals eine auf das frühere Wahlprogramm bezogene Tätigkeitsbilanz von Partei und Fraktion während der abgelaufenen vier Jahre; sie enthielt allerdings keine Selbstkritik [9]. Kritik und innere Auseinandersetzung vermeidet auch eine ausführliche offizielle Darstellung der Parteigeschichte seit 1919, die im Wahljahr erschienen ist [10].
Die Richtungsunterschiede innerhalb der FDP blieben jedoch an der Delegiertenversammlung, die über das Wahlprogramm zu entscheiden hatte, nicht verborgen. Der vom Delegiertenrat genehmigte Entwurf wurde sowohl von konservativeren Kantonalsektionen (AG, LU, SZ) wie von den eher progressiven Jungliberalen und von der Frauengruppe in mehreren Punkten angefochten, jedoch meist ohne Erfolg. Ausserdem setzte sich der betont rechtsstehende Gewerbepolitiker O. Fischer im Wahlkampf deutlich in Gegensatz zu mehr nach der Mitte tendierenden Parteiexponenten [11]. Führende Tessiner Freisinnige äusserten anderseits offen Kritik an der Nominierung des «Subversivenjägers» Cincera durch die Zürcher Kantonalpartei [12].
Die FDP profilierte sich im übrigen mit dem bereits erwähnten Gegenentwurf zur Totalrevision der Bundesverfassung sowie mit einer von zwölf ihrer Kantonalparteien lancierten Volksinitiative für die Vereinheitlichung des Schuljahrbeginns [13]. Mit der Gründung einer eher rechtsorientierten «Freien demokratischen Partei Oberwallis», zu welcher führende christlichdemokratische und christlichsoziale Politiker übertraten, versuchte sie, nicht ganz ohne Erfolg, in eine ihr bisher verschlossene Region einzudringen [14].
 
[8] Vgl. oben, Teil I, 1e (Campagne électorale, Participation, Résultat des élections au Conseil national).
[9] FDP, Zielsetzungen 79/83, Bern (1979). Vgl. dazu SPJ, 1975, S. 175.
[10] E. Dietschi, 60 Jahre eidgenössische Politik, Ein Beitrag zur Parteigeschichte des schweizerischen Freisinns, Bern 1979.
[11] Delegiertenversammlung: NZZ, 92, 21.4.79; TA, 92, 21.4.79; 24 Heures, 92, 21.4.79. Fischer: Ww, 30, 25.7.79; LNN, 211, 12.9.79.
[12] So das Tessiner Parteiorgan Il Dovere (187, 18.8.79) und der Kantonalpräsident, NR Barchi (BaZ, 234, 6.10.79). Zu Cincera vgl. oben, Teil I, 1b (Menschenrechte). Auch innerhalb der Tessiner FDP traten Spannungen zutage (Gazzeta ticinese, 181, 10.8.79; 188, 20.8.79; CdT, 190, 22.8.79; 196, 29.8.79; 224, 1.10.79; NZZ, 228, 2.10.79; vgl. auch oben, Teil I, 1e, Anm. 3).
[13] Totalrevision: vgl. oben, Teil I, 1a (Totalrevision der Bundesverfassung). Schuljahrbeginn: vgl. oben, Teil I, 8a (Ecoles primaires et secondaires): ferner SPJ, 1978, S. 135.
[14] TLM, 245, 2.9.79; 246, 3.9.79; 329, 25.11.79; NZZ, 203, 3.9.79. Die Stimmen der FDP Oberwallis verhalfen der Partei im Unterwallis zu einem zweiten Sitz auf Kosten der CVP (BBI, 1979, III, S. 971 f.).