Année politique Suisse 1979 : Chronique générale / Politique étrangère suisse
Aussenhandel
Die 1978 registrierte massive Aufwärtsbewegung des Schweizer Frankens setzte sich 1979 nicht weiter fort. Vielmehr führten die Massnahmen der amerikanischen Regierung zur Stützung des Dollars und die Ankündigung eines Wechselkursziels im Verhältnis zur DM bereits im Winterquartal 1978 zu einer Beruhigung der Situation, indem sich der Franken gegenüber praktisch sämtlichen Währungen deutlich abschwächte
[54]. Zusätzliche Erleichterung brachte die Mitte 1979 erfolgte Einführung des Europäischen Währungssystems (EWS). Wegen der im Verhältnis zum Ausland geringeren Inflationsrate führte die Beruhigung der Kursentwicklung zu einer fühlbaren Rückbildung des realen Frankenkurses
[55]. Im Gegensatz zum Vorjahr, als die Währungsfluktuationen die Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Exportindustrie stark beeinträchtigten, waren deshalb die Voraussetzungen für die auf die Ausfuhr ausgerichteten Betriebe wesentlich günstiger. Dadurch verloren auch die besonders von sozialdemokratischer Seite gegen den Finanzplatz Schweiz erhobenen Vorwürfe, er gefährde durch Überdimensionierung die einheimischen Arbeitsplätze in der Industrie, viel von ihrer Schärfe. Darüberhinaus war man ganz allgemein in der Beurteilung der Zukunftsaussichten der Schweiz als Industriestandort wesentlich optimistischer als ein Jahr zuvor
[56].
Die verbesserte Ausgangslage für schweizerische Ausfuhren war allerdings nicht allein aufdie Anderungen im Währungssektor zurückzuführen, sondern wesentlich auch das Resultat eines Konjunkturaufschwungs in einigen wichtigen Handelsnationen, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland. In den Zahlen der Jahresstatistik kommt die positive Entwicklung der Ausfuhren wegen des unterschiedlichen Verlaufs der beiden Jahreshälften nur ungenügend zum Ausdruck. Erst nach einer Konsolidierungsphase im ersten Halbjahr setzte die Erholung richtig ein. Auf das ganze Jahr gesehen hielt sich das Wachstum deshalb in Grenzen. Volumenmässig lag die Zunahme der Exporte mit 3,2% sogar unter der Zuwachsrate des Jahres 1978 (+ 4,9%). Anders sieht das Bild allerdings von der Ertragsseite her aus. Während 1978 die wertmässige Steigerung mit nur 1,1% deutlich hinter der Ausdehnung des Exportvolumens zurückgeblieben war, präsentierte sich die Situation diesmal gerade umgekehrt, nahm doch der Wert der Ausfuhren 1979 mit 4,3% stärker zu als deren Umfang. Auch wenn preisliche Konzessionen noch immer nicht ganz verschwunden sind, war somit 1979 doch eine Preisverbesserung zu verzeichnen. Die bis anhin sehr gedrückte Ertragslage vieler Unternehmungen liess sich damit etwas verbessern.
Nicht alle Branchen konnten allerdings von den veränderten Umständen im gleichen Masse profitieren. Am günstigsten schnitt die preisempfindliche Gruppe der Metalle und Metallwaren ab, die ihre Ausfuhren volumenmässig um 7,7% und wertmässig gar um 11,2% zu steigern vermochte. Relativ günstige Ergebnisse erzielten mit einem überdurchschnittlichen Wachstum auch die Bereiche Textilien, chemische Erzeugnisse sowie Maschinen, Apparate und Instrumente. Einen erneuten Rückschlag mussten hingegen die Uhrenexporte hinnehmen. Die Lieferungen nahmen dabei volumenmässig um 15,4% ab; wegen der weiter andauernden Verlagerung auf teurere Produkte sank der Wert der Ausfuhren jedoch nur um 5,1%.
Wie bereits 1978 blieb das
Wachstum der schweizerischen Exporte mit 3,2% erneut hinter der realen Expansion des Welthandels (+ 5,5%) zurück, womit die Schweiz wiederum Weltmarktanteile verlor. Je nach Region verlief die Entwicklung jedoch sehr unterschiedlich. Während die Ausfuhren in die Staatshandelsländer um 4,7% und diejenigen in die OPEC-Staaten, nicht zuletzt wegen des Machtwechsels im Iran, um 17% hinter dem ohnehin schon schwachen Vorjahresergebnis zurückblieben, verstärkten sich diejenigen in die nichterdölexportierenden. Entwicklungsländer (+ 7,1 %) und in die OECD-Staaten (+ 8,3 %) überdurchschnittlich. Besonders markant fiel die Steigerung der Exporttätigkeit im Handel mit dem EG-Raum aus (+ 10,3%), der nunmehr beinahe die Hälfte aller schweizerischen Exporte aufnimmt. Auch die ohnehin schon grosse Abhängigkeit der Schweiz vom deutschen Markt verstärkte sich weiter, wurde doch die Zuwachsrate der Bundesrepublik (+ 14,7%) nur noch von derjenigen Italiens (+ 18,7%) übertroffen
[57].
Wie schon im Vorjahr wiesen die Dienstleistungsexporte 1979 eine rückläufige Tendenz auf. Da die Änderung der Wechselkursverhältnisse zu spät erfolgte, als dass sich dies für die Wintersaison noch hätte auswirken können, erreichten die Übernachtungszahlen den Vorjahresstand nicht mehr. Nach dem scharfen Einbruch im ersten Quartal (- 17,9%) kam es zu einer Stabilisierung, allerdings auf tiefem Niveau. Ein eigentlicher Aufschwung war erst im vierten Quartal zu verzeichnen, als die Logiernächte um 11,1% zunahmen. Dennoch blieben die Ausländerfrequenzen noch um rund 5% hinter dem Ergebnis des Vergleichsquartals von 1977 zurück
[58].
Auch 1979 leisteten die volumenmässigen Warenexporte einen überdurchschnittlichen Beitrag an das inländische Wirtschaftswachstum. Nach der Stagnation des Vorjahres
[59] verzeichnete das Bruttosozialprodukt mit 0,7% wieder ein schwaches Wachstum. Die Zuwachsrate blieb allerdings erneut deutlich hinter derjenigen des OECD-Raums (+ 3,5%) zurück
[60]. Der OECD-Rat kritisierte deswegen denn auch die schweizerische Wirtschaftspolitik und forderte vom Bundesrat einen expansionistischeren Kurs sowie einen Abbau des Ertragsbilanzüberschusses. Bei den Bundesbehörden fand dieses Ansinnen aber kein Gehör, da sie der Auffassung waren, das Verlangen der OECD nehme zuwenig Rücksicht auf die in den letzten Jahren erfolgten tiefgreifenden Umstrukturierungen der schweizerischen Volkswirtschaft
[61].
Die
Entwicklung der Importe stand 1979 ganz im Zeichen einer massiven Verteuerung der Energieträger und Hilfsstoffe, die ihre Ursache in einer starken Preissteigerung des Erdöls hatte. Obwohl in der Schweiz die Einfuhr von Energieträgern mengenmässig um 1,2% abnahm, stieg deren Wert um 67,6%. Da mit Ausnahme der Investitionsgüter auch die Preise der übrigen Importwaren, wenn auch nur unwesentlich, anzogen, erhöhte sich der Wert der Importe, die volumenmässig um 9% wuchsen, um 15,2%. Die terms of trade (Verhältnis zwischen den Preisniveaus der Aus- und Einfuhren) verschlechterten sich deshalb deutlich. War 1978 mit 520 Mio Fr. noch ein relativ geringes Handelsbilanzdefizit zu verzeichnen, so betrug das Minus 1979 4,7 Mia Fr. Parallel dazu verminderte sich deshalb der Ertragsbilanzüberschuss von rund 7,9 Mia Fr. im Jahr 1978 auf rund 4 Mia Fr. 1979
[62].
Wenn die Auslandsabhängigkeit der schweizerischen Wirtschaft 1979 auch keine derart negativen Folgen hatte wie im Vorjahr, sondern im Gegenteil konjunkturbelebend wirkte, demonstrierten die Konsequenzen des Machtwechsels im Iran doch mit aller Deutlichkeit die teilweise existenzbedrohenden Risiken, die der Industrie aus ihren Auslandengagements erwachsen können. Politische Veränderungen und, damit verbunden, anders gesetzte Prioritäten vermögen selbst notwendig erscheinende Projekte zu gefährden, was sich im Fall von Grossaufträgen manchmal verheerend auswirkt. Besonders hart betroffen wurde die Firma Mobag, eine Tochtergesellschaft .der Motor Columbus, die in Teheran mit dem Bau einer grossen Satellitensiedlung im Wert von 1 Mia DM beauftragt war. Angesichts der Ungewissheit, ob die neue Regierung das Vorhaben überhaupt zu Ende führen wolle, und des Fehlens eines zuständigen Verhandlungspartners erschien ein Verlust in der Höhe von maximal 166 Mio DM als immer wahrscheinlicher. Ein derartiger Fehlbetrag überstieg, da er von der Exportrisikogarantie nicht gedeckt wurde, die Finanzkraft nicht nur der Mobag, sondern auch der Motor Columbus. Erst umfangreiche Transaktionen ermöglichten eine Sanierung der Mobag. So trat die Minderheitsaktionärin Careal ihren Anteil an der Mobag an die Motor Columbus ab. Gleichzeitig erwarb die Schweizerische Bankgesellschaft den 38%-Anteil der Alusuisse an der Motor Columbus
[63].
Probleme erwuchsen dem schweizerischen Aussenhandel auch aus der
Lieferung von Bestandteilen für den Bau einer pakistanischen Urananreicherungsanlage
[64] sowie aus dem geplanten Export einer Schwerwasseranlage nach Argentinien
[65]. In beiden Fällen geriet die Schweiz unter politischen Druck seitens der USA, welche befürchteten, die beiden Länder, die wie Indien den Atomsperrvertrag nicht unterzeichnet haben, könnten die mit schweizerischer Hilfe errichteten Anlagen zur Herstellung einer Atombombe benutzen. Die Regierung in Bern stellte sich jedoch vor die angeschuldigten Firmen, indem sie betonte, die Schweiz habe die allerdings wesentlich laxeren Bestimmungen des 1978 abgeschlossenen Vertrags der westlichen Lieferländer über den Export nuklearer Anlagen peinlichst genau eingehalten. Sie lehnte deshalb auch das Verlangen Washingtons nach der Aufnahme von zusätzlichen Klauseln in die bereits bestehende Übereinkunft ab
[66].
[54] Amtl. Bull. StR, 1979, S. 98; SPJ, 1978, S. 64; Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht. 67/1978-79, S. 79 ff.
[55] Vgl. SPJ, 1978. S. 62.
[56] Mitteilung der Kommission für Konjunkturfragen (in der Folge zitiert: Mitteilung/Konjunkturfragen). Nr. 262. Beilage zu Die Volkswirtschaft. 53/1980. Heft 2: vgl. oben. Teil I, 4b (Währungspolitik).
[57] Bund, 276, 24.11.79 ; Vat.. 286, 1 1.12.79 ; vgl. auch P. Eberhard, «Finanzplatz — Werkplatz », in Schweizer Monatshefte, 59/1979, S. 95 ff.; sowie Schweiz. Bankgesellschaft (Hrsg.), Dazu stehen wir, Zürich 1979.
[58] Mitteilung/Konjunkturfragen. Nr. 262; Die Volkswirtschaft. 53/1980. Heft 2.
[59] Entgegen den Angaben in SPJ, 1978, S. 66 und Mitteilung/Konjunkturfragen, Nr. 256 betrug das Wachstum des Bruttosozialproduktes 1978 nicht 1.2% sondern 0.2%; vgl. SNB, Monatsbericht, 1980. Nr. 1 und Mitteilung/Konjunkturfragen. Nr. 262.
[60] Mitteilung/Konjunkturfragen. Nr. 262.
[61] Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1371 f. (Einfache Anfrage Waldvogel, fdp, SH).
[62] Mitteilung/ Konjunkturfragen, Nr. 262.
[63] BaZ, 134. 12.6.79 Bund, 134, 12.6.79 TA, 36. 13.2.79; 133, 12.6.79; 135. 14.6.79. Verluste. allerdings geringeren Ausmasses. erlitt auch die Firma Losinger; vgl. Bund, 138. 16.6.79.
[64] Bund, 101. 2.5.79; 107. 9.5.79; BaZ, 102. 3.5.79; NZZ, 101, 3.5.79; 105, 8.5.79.
[65] TA, 278. 29.11.79; NZZ, 303. 31.12.79.
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