Année politique Suisse 1979 : Economie / Politique économique générale
 
Konjunkturpolitik
Mit der Inkraftsetzung des revidierten Notenbankgesetzes hat sich der Bund ein wichtiges Instrurnent der Konjunkturpolitik gegeben. Anlässe zu Eingriffen in das allgemeine Wirtschaftsgeschehen ergaben sich für die Landesregierung angesichts der befriedigenden Beschäftigungslage und der im internationalen Vergleich niedrigen Inflationsrate nicht und wurden auch kaum gefordert. Um zukünftige konjunkturelle Schwankungen frühzeitig erkennen zu können, will die Exekutive die Erhebung von Wirtschaftsdaten zu statistischen Zwecken neu regeln. Gestützt auf Art. 31quinquies BV schlägt der Bundesrat die Schaffung eines Bundesgesetzes über Konjunkturbeobachtung und -erhebung vor. Da dieses Gesetz nichts grundlegend Neues bringt, sondern im wesentlichen die bisherige Praxis systematisieren und rechtlich absichern will, erhob sich in der Vernehmlassung auch nur wenig Opposition. Etwelche Einwände waren nicht gegen das Prinzip der Konjunkturstatisik gerichtet, sondern verlangten den Einbau von Barrieren, um zu verhindern, dass die Unternehmer von einer allzu wissbegierigen Bundesverwaltung administrativ überlastet würden. Im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung des neuen Verwaltungsorganisationsgesetzes erfuhr das Büro des Delegierten für Konjunkturfragen eine Aufwertung, indem ihm der Status eines Bundesamtes zuerkannt wurde [14].
Zugunsten der Wiedereinführung der staatlichen Preisüberwachung kam es im Berichtsjahr zu weiteren Vorstössen. Die Konsumentinnenverbände reichten im Juni ihre mit 133 082 gültigen Unterschriften versehene Initiative für die Preisüberwachung bei Kartellen und andern marktmächtigen Organisationen ein. Die Kommission des Nationalrates zur Konsumentenpolitik stellte ihrerseits den Antrag, die Preiskontrolle als notfalls anzuwendendes Instrument der Konjunkturpolitik in die Verfassung aufzunehmen. Die grosse Kammer beschloss, mit der Behandlung dieses Vorschlags sowie der beiden im Vorjahr in dieser Sache eingereichten parlamentarischen Initiativen zu warten bis der Bundesrat zur erwähnten Volksinitiative Stellung genommen hat. Die Wirksamkeit der Preiskontrolle zur Inflationsbekämpfung wird von Nationalökonomen nach wie vor angezweifelt; immerhin dürfte ihr aber der auch vom ehemaligen Preisüberwacher Leon Schlumpf in einem Rechenschaftsbericht attestierte psychologische Effekt kaum abzusprechen sein [15].
Im Kanton Zürich hatte sich das Volk zu einer konjunkturpolitischen Initiative der POCH zu äussern. Darin wurde die Einführung einer auf Krisenzeiten befristeten Reichtumssteuer zur Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen postuliert. Obwohl sämtliche nichtkommunistischen Parteien ausser der SP — diese beschloss Stimmfreigabe — die Initiative bekämpften, erzielte sie einen Achtungserfolg: Das Begehren wurde zwar mit 120 897 Ja: 153 006 Nein abgelehnt, fand aber bei den Bürgern der Stadt Zürich Zustimmung. In Basel nahm die Regierung zu einem ähnlichen Vorstoss der POCH negativ Stellung. Im Aargau lancierten die Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit der SP eine Volksinitiative, welche eine unbefristete Sonderabgabe für Grossverdiener zur Finanzierung von Wirtschaftsankurbelungsmassnahmen fordert und zudem die Schaffung eines kantonalen konjunkturpolitischen Instrumentariums anregt [16].
 
[14] Zum Notenbankgesetz und zu den währungspolitischen Eingriffen vgl. unten. Teil I, 4b (Währungspolitik. Notenbankinstrumentarium). Konjunkturstatistik: BBl, 1980, I, S. 281 ff. ;NZZ, 170.25.7.79; 172.27.7.79. Vgl. ebenfalls H. Kneubühler. «Für den Ausbau des konjunkturstatistischen Informations- und Analysesystems», in Die Volkswirtschaft, 52/1979. S. 501 f. und W. Hug, Vorauseilende Indikatoren der Konjunktur, Bern 1979. Bundesamt für Konjunkturfragen: TA, 125. 1.6.79. Siehe auch oben. Teil I, 1c (Verwaltung).
[15] BBl, 1979. II, S. 53 ff.. 528 ff. und 760 ; Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1112 ; EVD. Preisüberwachung 1973-1978 - Schlussbericht des Delegierten für die Preisüberwachung. Vgl. zudem SPJ, 1978. S. 56 und Verhandl. B. vers., 1979. IV, S. 15 f.
[16] Zürich: TA, 108. 11.5.79; NZZ, 115. 19.5.79. Vgl. auch SPJ, 1978. S. 58. Basel: BaZ, 32. 7.2.79. Aargau: TA, 191. 20.8.79: Vr, 223. 24.9.79.