Année politique Suisse 1979 : Economie / Crédit et monnaie
 
Banken
Einiges Aufsehen erregte die Absicht Kubas, als zweites Staatshandelsland (nach Polen) in der Schweiz eine Anleihe aufzulegen. Massgebliche Kreise — darunter auch eine Grossbank — sprachen sich aus politischen Gründen gegen die Beanspruchung des schweizerischen Kapitalmarktes durch ein kommunistisches Land aus, was zur Folge hatte, dass Kuba auf seinen Plan verzichtete [10].
Den Banken gelang es 1979, ihre Umsätze und Erträge merklich zu verbessern. Die Bilanzsumme der 71 Banken nahm um 9,7% zu, dabei verzeichneten die Grossbanken mit einem Zuwachs von 12,4% eine überdurchschnittliche Entwicklung. Die äusserst flüssige Verfassung des Geld- und Kapitalmarktes führte zu einer starken Ausdehnung der an Ausländer gewährten Kredite, ein Geschäft, das vornehmlich von den Grossbanken betrieben wird. Aber auch in den meisten Sparten der Inlandgeschäftstätigkeit konnten die fünf Grossbanken ihren Marktanteil auf Kosten der Kantonal- und Regionalbanken steigern [11]. Eine Untersuchung der Kartellkommission ergab, dass die Konzentration im Bankgewerbe zwar relativ weit fortgeschritten ist, dass von ihr aber noch keine wettbewerbshemmende Wirkung ausgeht. Immerhin empfahl die Kommission den Grossbanken, ihre Expansionslust etwas zu zügeln. Neben dieser Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse machte der Bericht auch Aussagen über den direkten Einfluss der Banken auf Unternehmen anderer Wirtschaftssektoren. Es wurde dabei konstatiert, dass von einer starken Beteiligung der Banken am Aktienkapital anderer Firmen höchstens in einigen Ausnahmefällen die Rede sein kann. Grössere Bedeutung kommt dem über das Depotstimmrecht (Vertretungsrecht für die in Bankdepots liegenden Aktien) ausgeübten Einfluss zu: bei einzelnen Unternehmen (unter anderem der Nestlé) vertreten die Banken auf diese Weise die absolute Mehrheit der Aktionärsstimmen. Nach Ansicht der Kommission gibt auch das Ausmass des Einflusses, welchen Banken mittels Einsitz in Verwaltungsräte fremder Firmen ausüben, noch nicht Anlass zu ernsthaften Bedenken. Gemäss eigener Berechnungen hatten Präsidenten und Generaldirektoren der drei grössten Banken 5,8% der Verwaltungsratsmandate der 110 bedeutendsten schweizerischen Firmen im Nichtbankensektor inne [12].
In Chiasso fand im Frühsommer der Prozess gegen die Verantwortlichen des Texon-Skandals statt. Es ging dabei um die Veruntreuung von Einlagen italienischer Kunden (vorwie.gend sogenannte Fluchtgelder) durch Vertreter der Schweizerischen Kreditanstalt. Die Deliktsumme betrug rund 1,4 Mia Fr. und stempelte damit die Affäre zum grössten bekanntgewordenen Fall von Wirtschaftskriminalität in der Schweiz. Der ehemalige Geschäftsführer der Filiale der SKA in Chiasso, E. Kuhrmeier, nahm die volle Schuld auf sich und wurde entsprechend dem Antrag des Staatsanwaltes zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Ein weiterer Filialangestellter, C. Laffranchi, erhielt dieselbe Strafe; über drei Tessiner Anwälte, welche als Strohmänner fungiert hatten, wurden bedingte Gefängnisstrafen und empfindliche Bussen verhängt. Der Staatsanwalt begründete seinen angesichts der hohen Deliktsumme relativ milden Strafantrag mit der moralischen Mitverantwortung, welche dem Bankwesen mit seiner aggressiven Geschäftspraxis anzulasten sei. Das schweizerische Banksystem wurde aber durch den Prozess nicht grundsätzlich in Frage gestellt, konnte doch der SKA-Geschäftsleitung in Zürich weder eine direkte Verantwortung noch gar eine Mittäterschaft nachgewiesen werden. Die Behauptungen der Linken, es handle sich beim «Chiasso-Skandal » nicht um das Versagen einzelner Individuen, sondern dieser sei Ausdruck strukturell bedingter Anfälligkeit eines profitorientierten, durch den Staat ungenügend kontrollierten Bankensystems, vermochte der Prozess nicht zu erhärten [13].
Bestimmt hatte aber diese Affäre und noch weitere publikgewordene Bankskandale der Sozialdemokratischen Partei das Sammeln von Unterschriften für ihre Initiative «gegen den Missbrauch des Bankgeheimnisses und der Bankenmacht» erheblich erleichtert. Die Volksinitiative konnte im Herbst mit 121 882 gültigen Unterschriften eingereicht werden [14]. Einem Hauptanliegen des Begehrens, nämlich der Lockerung des Bankgeheimnisses bei Vergehen gegen ausländische Steuergesetze, trug der Nationalrat teilweise Rechnung, indem er beschloss, dass die Schweiz in Zukunft bei Fällen von Steuerbetrug (nicht aber bei Steuerhinterziehung) internationale Rechtshilfe leisten könne [15]. Eine weitere Forderung der SP-Initiative besteht in der Verbesserung des Schutzes der Kleinsparer. In dieselbe Richtung zielt auch ein Vorstoss des freisinnigen Nationalrates Schatz (SG). Seiner Motion, welche die Einführung der Versicherungspflicht für Sparheft- und ähnliche Einlagen bis zu einer begrenzten Höhe verlangt. stimmte nach der Volkskammer auch der Ständerat oppositionslos zu. Nach der Meinung der Bankiervereinigung ist eine derartige Versicherung überflüssig. da durch das Sparerprivileg bei Konkursen solche Anlagen ausreichend geschützt seien [16].
top
H.H.
 
[10] NZZ, 254, 1.11.79 ; 255, 2.11.79; 260, 8.11.79; 24 Heures, 261, 9.11.79 : TW, 279, 28.11.79.
[11] SNB, Geschäftsbericht, 72/ 1979, S. 35 ff. ; SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1979, Zürich 1979, S. 30 ff. Die Zuwachsraten der Reingewinne der drei Grossbanken bewegten sich zwischen 12 und 16% (SBG. Wirtschafisnotizen, April 1980. S. 11 f.).
[12] Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, 14/1979. Heft 1/2, S. 1 ff. Siehe auch Ww, 31, 1.8.79 und Ph. de Weck, Zur Frage der Beteiligung der Grossbanken an Unternehmen ausserhalb des Bankensektors, Zürich 1979.
[13] Zum Prozess vgl. Presse von 23.5.–4.7.79. Zur Begründung des Strafantrags siehe BaZ, 141, 20.6.79. Siehe auch SPJ, 1977. S. 68 f. und Ww, 21.23.5.79. Wenige Tage nach der Urteilsverkündung starb Kuhrmeier an einem Herzversagen (CdT, 152, 11.7.79). Eine Motion Carobbio (psa, TI), welche strengere Publizitäts- und Kontrollvorschriften für Investmentgesellschaften fordert, überwies der Nationalrat als Postulat (Amtl. Bull. NR, 1979. S. 1181 f.)
[14] BBl, 1979, III, S. 737 ff. Zu Inhalt und Begründung der Initiative siehe SPJ, 1978, S. 64. Zur Gegenargumentation der Banken vgl. Schweiz. Bankiervereinigung. Jahresbericht, 67/1978-79. S. 67 ff. Zur Rolle der Schweiz als internationale Finanzdrehscheibe und der damit verbundenen Problematik — die Rückdimensionierung des Finanzplatzes ist ein erklärtes Ziel der Initiative — vgl. u.a. M. Ungerer, Finanzplatz Schweiz : seine Geschichte, Bedeutung und Zukunft, Wien 1979 und H. Strasser, Bankplatz Schweiz heute, Basel 1979.
[15] Amtl. Bull. NR. 1979. S. 647 ff. und 672 ff.; vgl. auch oben. Teil I, 1b (Strafrecht) und SPJ, 1977, S. 18.
[16] Amtl. Bull. StR, 1979, S. 98; SPJ, 1978, S. 64; Schweiz.Bankiervereinigung. Jahresbericht. 67/1978-79, S. 79 ff.