Année politique Suisse 1979 : Economie / Agriculture / Tierische Produktion
Bereits vor der Volksabstimmung über den
Milchwirtschaftsbeschluss 1977 (MWB 77) im Dezember des Vorjahres war der Bundesrat durch verschiedene Motionen beauftragt worden, die in diesem Beschluss verankerte Milchkontingentierung zu differenzieren und namentlich Entlastungen für die Berggebiete zu schaffen
[24]. Entsprechend wurde der MWB 77 im März vom Parlament bereits wieder abgeändert, was dem Bundesrat erlaubte, die vorgesehenen Modifizierungen zu verfügen. Die wichtigste von ihnen brachte die Ausnahme der Bergregionen 2 und 3 aus der Kontingentierung
[25]. Diese Massnahme brauchte aber dringend ein Korrektiv, als feststand, dass durch Zukauf von Futtermitteln sowie durch Umzüge über die Zonengrenzen Missbräuche entstehen könnten, welche die Überproduktion wieder anheizen würden. Im Mai verfügte der Bundesrat daher Massnahmen gegen übermässige Milchlieferungen in den Zonen 2 und 3 des Berggebietes; diese brachten mindestens eine nach der Betriebsfläche bemessene Begrenzung. In der Tat drohten die Milchlieferungen in diesen Zonen innert Jahresfrist um 20-30% anzusteigen. Offenbar wurde die Produktion vor allem deshalb forciert, weil man die Wiedereinführung einer strengeren Kontingentierung befürchtete, für die man sich durch vorherige grosse Ablieferungen in eine gute Ausgangsposition versetzen wollte
[26].
Die Reaktionen der Bauernsame auf die Massnahmen waren allgemein kritisch bis ablehnend und zeigten wenig Verständnis für die finanzpolitische Situation des Bundes. Wohl nahm man meist zähneknirschend das Prinzip der Kontingentierung hin, doch wurden viele Abänderungsvorschläge gemacht und die zuständigen Amtsstellen mit Rekursen überhäuft. Die Bauern der Zentralschweiz und der Hügelzone erklärten sich benachteiligt: sie könnten nicht auf Ackerbau ausweichen und ihre Zuchttiere trügen ihnen beim Verkauf ins Mittelland keine Zusatzkontingente ein; dadurch gerieten sie auch gegenüber dem Berggebiet ins Hintertreffen. Schliesslich wurde verbittert bemerkt, dass der Bauer in der Hochkonjunktur als Bremser der Teuerung habe dienen müssen und dass nun in der Rezession erst recht kein Geld mehr für ihn da sei. Die Milchkontingentierung bedeute ganz einfach einen Einkommensrückgang
[27].
Auch das verfeinerte System, das ab 1. Mai in Kraft war, konnte Härten und Missbräuche nicht ganz vermeiden. Die Mehrproduktion im Berggebiet war nicht nur die Folge der Kontingentierungsangst, sondern auch verursacht durch Absatzprobleme mit dem Zuchtvieh, da nun das Mittelland seinerseits mehr züchtete. Daraufhin wurden auf den 1. Juli vom Bundesrat die 1977/78 veränderten Bestimmungen des Viehabsatzgesetzes vollständig in Kraft gesetzt und eine Viehabsatzverordnung erlassen. Die Verordnung sichert den Absatz aus dem Berggebiet im Inland und sucht die Arbeitsteilung zwischen Berg- und Talgebiet zu erhalten
[28]. Für weitere Korrekturen setzten sich CVP-Kreise in parlamentarischen Vorstössen ein
[29]. Die Überproduktion von Milch wirkte sich besonders auf den Käsemarkt aus, der noch zusätzlich durch Absatzschwierigkeiten im Ausland belastet wurde; die Lagerbestände schwollen übermässig an
[30].
Die vom Bundesrat angestrebte Liberalisierung des Milchverkaufs drang nicht durch. Die Räte versagten sich dem Argument, die bestehende Reglementierung sei angesichts der Verlagerung des Milchabsatzes auf Grossverteiler unwirksam geworden
[31].
[24] Vgl. SPJ, 1978. S. 85 f.
[25] BBl, 1979, I, S. 258 ff.: Amtl. Bull. NR, 1979, S. 2 ff., 126 ff., 361 : Amtl. Bull. StR, 1979, S. 45 ff., 97, 135 ; AS. 1979. S. 453 ff. Die Abänderung wurde dringlich erklärt; sie gilt wie der ganze MWB 77 bis 1987. Die neuen Verordnungen (AS. 1979. S. 546 ff. u. 585 ff.) nützten freilich die zusätzlichen Befugnisse des BR noch nicht voll aus (Vat., 86,. 12.4.79).
[26] AS, 1979. S. 782 ff. Vgl. dazu LNN, 125, 31.5.79. Ober die verschiedenen Massnahmen orientiert zusammenfassend Jahresbericht des Leitenden Ausschusses des Schweiz. Bauernverbandes sowie des Schweiz. Bauernsekretariates, 82/1979, S. 50 f.
[27] LNN, 25,. 31.1.79; 30, 6.2.79; 44, 22.2.79; Vat., 32, 8.2.79; 147, 28.6.79; Lib., 147, 27.3.79.
[28] AS, 1979, S. 860 ff. Zum Viehabsatzgesetz vgl. SPJ, 1977, S. 90; Amtl. Bull. NR, 1978, S. 80; AS, 1978, S. 1407 ff.
[29] Vgl. Postulat der CVP-Fraktion (Amtl. Bull. NR, 1979, S. 1119 f.) sowie die als Postulat überwiesene Motion Risi (cvp, SZ) (Amtl. Bull NR, 1979, S. 1629 f.).
[31] Amtl. Bull. StR, 1979. S. 40 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1979. S. 496 f.: BBl, 1979, II, S. 391 ff. Vgl. dazu SPJ, 1978. S. 86.
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