Année politique Suisse 1979 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Berufliche Vorsorge
Nur langsame Fortschritte machte 1979 die Konstruktion der 2. Säule, der beruflichen Vorsorge. Die bereits erwähnte herbe Kritik der drei Wirtschaftsexperten Bombach, Kleinewefers und Weber [20] am vorgelegten Konzept und die zu den Beschlüssen des Nationalrates teilweise in eklatantem Widerspruch stehenden Entscheide der Ständeratskommission zeigten, dass man in einer eigentlichen Krise steckt. Entgegen den Empfehlungen der drei Professoren beharrte der Ausschuss der kleinen Kammer auf dem Kapitaldeckungsverfahren. Er trug der Kritik der Experten jedoch insofern Rechnung, als er das vom Nationalrat gutgeheissene Leistungsprimat ablehnte und sich für das Beitragsprimat entschied. In einen Gegensatz zum Nationalrat setzte er sich auch mit seinem Beschluss, auf die Schaffung des im Regierungsentwurf vorgesehenen und von der grossen Kammer genehmigten Pools für den gesamtschweizerischen Lastenausgleich vollständig zu verzichten und die Frage der Übergangsgeneration auf der Stufe der einzelnen Pensionskassen regeln zu lassen [21]. Der Entscheid der Kommission gegen den von verschiedener Seite heftig kritisierten Fonds [22] blieb nicht unwidersprochen, vor allem von seiten der politischen Linken und der Gewerkschaften [23]. Aber auch Gegner der Regierungsvorlage wie der ehemalige Nationalrat A.C. Brunner bedauerten den Entschluss. Als Alternative verwies Brunner auf das von ihm ausgearbeitete, von anderer Seite allerdings als verfehlt bezeichnete Konzept eines Mini-Pools, der im Unterschied zum Giesskannenprinzip des Gesetzesentwurfs nur an altersmässig besonders ungünstig zusammengesetzte Gruppen Subventionen auszahlen soll und deshalb nicht nur bedeutend kleirter, sondern nach Brunners Angaben auch viel kostengünstiger gestaltet werden könnte [24].
Eine der zentralen Fragen der beruflichen Vorsorge ist diejenige der Sicherheit der angelegten Gelder. Nach den geltenden Bestimmungen darf das aus den Arbeitnehmerbeiträgen gebildete Kapital in der Regel nicht in einer blossen Forderung gegenüber dem Arbeitgeber bestehen, es sei denn, es bestünden entsprechende Sicherheiten [25]. Da gewisse Konkursfälle, wie etwa jener der Firma Bigla im.Kanton Bern, der Personalfürsorgestiftung des betroffenen Betriebes Schwierigkeiten, ja Verluste gebracht hatten [26], sah sich Nationalrat Reimann (sp, BE), zur Einreichung einer Motion veranlasst, die eine Revision der entsprechenden Gesetzesbestimmungen verlangt. Demnach dürften die aus Arbeitnehmerbeiträgen stammenden Guthaben nicht mehr einfach eine Forderung gegenüber dem eigenen Betrieb bilden und die Arbeitgeberanteile nur dann, wenn ausreichende Sicherheiten vorhanden sind. Im Fall einer Gefährdung dieser Anteile müsste deshalb eine Ausscheidung vorgenommen werden [27]. Ein derartiges Vorgehen wurde freilich von einem Kritiker als problematisch bezeichnet, da es in einem solchen Fall um Sein oder Nichtsein der betreffenden Firma gehen könnte [28].
 
[20] Vgl. oben, Einleitung.
[21] NZZ, 126, 2.6.79; TA, 126. 2.6.79; Bund. 138. 16.6.79. Vgl. auch SPJ, 1978, S. 127 f.
[22] Vgl. dazu insbesondere J. Sommer, Das Ringen um soziale Sicherheit in der Schweiz, Diessenhofen 1978. S. 372 ff.; A.C. Brunner in NZZ, 15, 19.1.79; Ww, 4, 24.1.79; W. Gysin in NZZ, 43, 21.2.79.
[23] TW. 128. 5.6.79.
[24] A.C. Brunner in Bund, 170. 24.7.79: 171. 25.7.79. Kritik an Brunners Vorschlag: D. Stockar in Bund, 232, 4.10.79.
[25] Art. 89, Absatz 4 des Zivilgesetzbuches.
[26] Vgl. Vr, 158, 10.7.79; Bund, 186, 11.8.79.
[27] Verhandl. B.vers., 1979, IV, S. 54.
[28] Bund, 186, 11.8.79.