Année politique Suisse 1979 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
Kirchen
Die Funktion der
Kirche im Staat wurde weiterhin im Zusammenhang mit der eidgenössischen
Initiative für eine vollständige Trennung diskutiert. Auch der Ständerat lehnte das Volksbegehren ab, indem er wie zuvor die Volkskammer die Kirchenhoheit der Kantone unterstrich und einen Einbruch ins föderalistische Prinzip befürchtete. Daneben wurden die Undurchführbarkeit einer zweijährigen Übergangsfrist und die Gefährdung der kirchlichen Sozialwerke geltend gemacht
[26]. Der positive Ausgang einer kantonalbernischen Volksabstimmung zur Gleichstellung der Landeskirchen wurde dahingehend interpretiert, dass die Trennungsinitiative keine Chance haben werde. Immerhin scheint sie ein gewisses Überdenken der Situation veranlasst zu haben: Die im Kanton Zürich vorgelegte Revision der Kirchengesetzgebung soll anstelle einer Trennung zu einer administrativen Entflechtung von Kirche und Staat und damit zu einer stärkeren Eigenständigkeit der Kirchen führen
[27].
Die evangelische Kirche wurde durch die Abwahl des Theologen Lukas Vischer aus dem Zentralausschuss des Ökumenischen Rats der Kirchen überrascht, was den Kritikern dieser Institution neue Nahrung gab. Die Auseinandersetzung um politische Stellungnahmen der Kirchen bezog sich im weitern auf die Unterstützung der SP-Bankeninitiative durch entwicklungspolitisch engagierte Kirchenvertreter und auf die Initiative des Evangelischen Kirchenbundes, der in Pretoria ein Treffen von schwarzen und weissen Vertretern der evangelischen Kirchen Südafrikas organisierte und sich damit den Vorwurf einhandelte, auf die Solidarität mit den Unterdrückten zu verzichten
[28]. Dem seit längerer Zeit umstrittenen katholischen Theologen Hans Küng, der als Schweizer in Tübingen doziert, wurde von der römischen Glaubenskongregation die Lehrbefugnis entzogen. Während die Schweizerische Bischofskonferenz dies bedauerte, aber um Respektierung des Entscheides bat, entstanden in verschiedenen Orten Solidaritätsgruppen und Kundgebungen zugunsten Küngs. Von reformierter und christkatholischer Seite wurde befürchtet, dass sich mit dem von Rom dokumentierten Anspruch auf alleinige Wahrheit eine Tendenzwende in der Ökumene einstellen könnte
[29]. Der katholischen Kirche machte der traditionalistische Erzbischof Lefebvre wieder zu schaffen, der das Sekretariat seines Priesterseminars von Ecóne ins solothurnische Rickenbach verlegte. Umstrittene Praktiken des ebenfalls dem rechten Rand des Katholizismus zugehörenden Laienordens Opus Dei wurden einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, als in Zürich drei mit katholischem Religionsunterricht beauftragte Mittelschullehrer wegen «psychischem Terror» und massiver Indoktrination der Schüler von den kirchlichen Instanzen in ihrem Amte eingestellt wurden
[30].
Bedingungsloser Gehorsam, hier meist gegenüber einem vermeintlich göttlich inspirierten Meister, ist auch kennzeichnend für viele Jugendreligionen und
religiöse Sekten, deren Fanatismus sich zuweilen in Aggressionen und Terrorakten entlädt, wie der Prozess gegen den indischen Guru Swami Omkarananda und seine Anhänger vom Divine-Light-Zentrum in Winterthur vor Augen führte, die sich vor Bundesgericht wegen Mord- und Tötungsversuch und anderer Delikte zu verantworten hatten. Peinlich berührte dabei die Sympathie und Unterstützung, die dieser Gruppe von Prominenz aus Politik und Wirtschaft zukam
[31].
[26] Amtl. Bull. StR, 1979, S. 66 ff.; BBl, 1979, l, S. 661; NZZ, 15. 19. I.79 ; 61, 14.3.79 ; 62, 15.3.79 ; 256, 3.11.79; TA, 61, 14.3.79; vgl. SPJ, 1978, S. 146.
[27] Vgl. unten, Teil II, 6h.
[28] Wegwahl Vischers : BT, 10. 13.1.79 ;SZ, 15, 19.1.79 ; Vr, 21.2 5.1.79 ; TA, 25.31.1.79 ; Ww. 8.21.2.79 ; vgl. SPJ, 1978. S. 147. Bankeninitiative: Vr. 68. 21.3.79; vgl. auch A. Biéler, «Die Bankenfrage - ein christlicher Standpunkt», in Reformabo. 28/1979. S. 136 f; vgl. oben. Teil I, 4b (Banken). Der Evangelische Kirchenbund beauftragte das Sozialethische Institut, ein Dossier über das Problem der Fluchtgelder aus der Dritten Welt auszuarbeiten; vgl. TA, 44. 22.2.79; BaZ, 169, 23.7.79. Südafrika: LNN, 102. 3.5.79; 131. 8.6.79; BaZ, 107. 9.5.79; 130. 7.6.79; Ww, 23. 6.6.79. Allgemein Kirche - Politik: Vat.. 214. 15.9.79; Vr, 257. 2.11.79.
[29] Vgl. Presse vom 19.12. und 24.12.79; dazu BT, 298, 20.12.79; TA, 296, 20.12.79; 298, 22.12.79; BaZ, 299, 21.12.79 ; Vat., 295. 21.12.79 ; vgl. SPJ, 1974, S. 146.
[30] Lefebvre: Presse vom 4.12.79 ; dazu Vat.. 153. 5.7.79 ; TA, 283. 5.12.79; vgl. SPJ, 1977. S. 151. Opus Dei: NZZ, 10, 13.1.79; 61. 14.3.79; Vat.. 22, 27.1.79; TA, 62. 15.3.79; TW. 63. 16.3.79.
[31] LNN, 76. 31.3.79 ;93, 23.4.79 ; 119, 23.5.79 ; Ww, 18, 2.5.79; vgl. SPJ, 1975, S. 147f. ; Ldb. 117, 23.5.79 ; Allgemein: TA, 186. 14.8.79; F. Kabermann, «Die Jesus-Falle. Der sanfte Krieg der Sekten», in Ww, 25 - 30. 20.6.-25.7.79 ; F. Bondy. «Die Sekten - Botschaft und Struktur», in Schweizer Monatshefte. 59/1979, S. 108 ff.; J. Müller, «Jugendreligionen», in Civitas, 35/1979-80, S. 145 ff.; R. Hummel, «Hinduistische Gurus und Gruppen im Westen», in Reformatio, 28/1979, S. 165 ff.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Ce texte a été scanné à partir de la version papier et peut par conséquent contenir des erreurs.