Année politique Suisse 1980 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
Unternehmer
Die eingangs erwähnte Tendenz zu einer Rückbildung des modernen Interventionsstaates wurde vom Spitzenverband der Unternehmer von
Industrie und Handel in grundsätzlicher Weise als Postulat formuliert. In seinem Jahresbericht für 1979/80 vertrat der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins (SHIV) die Parole «Mehr Marktwirtschaft und weniger Politik in der Bereitstellung öffentlicher Güter». Unter Hinweis auf die Misserfolge einer finanzpolitischen Konjunktursteuerung sowie auf ausländische Bestrebungen gegen Staatseingriffe und Steuerbelastung plädierte er für eine mindestens teilweise Verlagerung öffentlicher Aufgaben auf private Träger und für eine Verstärkung des Wettbewerbs in staatlich verwalteten Marktordnungen. Dabei berief er sich auf die Tradition des schweizerischen Milizsystems und auf entsprechende privatwirtschaftliche Gründungen und Regelungen im öffentlichen Interesse
[5]. Dieser Haltung zufolge unterstützte man in den Unternehmerorganisationen die in der Bundesfinanzpolitik obwaltende Spartendenz und begrüsste die Anstrengungen für eine Revision der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen, von der man sich eine weitere Entlastung der öffentlichen Finanzen versprach
[6]. Bedenken äusserte man aber gegenüber Projekten für neue Steuern, wobei sich die Vertreter der
Banken besonders entschieden gegen zusätzliche Belastungen ihres Geschäftsbereichs zur Wehr setzten. Finanzminister Ritschard predigte deshalb als Gastredner am Schweizerischen Bankiertag vor tauben Ohren
[7]. Kritisch nahm man ausserdem zu sozial- und umweltpolitisch ausgerichteten Interventionsvorhaben Stellung, von denen man Auflagen erwartete, die der internationalen Konkurrenzfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft abträglich sein könnten
[8]. Im Verbandsgeschehen kam anderseits das Bestreben welscher Unternehmerkreise zum Ausdruck, sich gegen das deutschschweizerische Übergewicht zu behaupten, so z.B. durch eine stärkere Industrialisierung des Genferseebeckens
[9].
Das Postulat einer Privatisierung öffentlicher Funktionen wurde auch in Kreisen des Gewerbes mit Interesse aufgenommen. Seiner antietatistischen Linie entsprechend, stellte es der
Schweizerische Gewerbeverband (SGV) im Januar an seiner traditionellen Winterkonferenz zur Diskussion. Nationalrat K. Basler (svp, ZH) hielt zwar eine Reprivatisierung staatlicher und kommunaler Tätigkeiten für wenig wahrscheinlich, verlangte aber, dass neue öffentliche Aufgaben nach Möglichkeit der Privatwirtschaft übertragen würden
[10].
Wie angekündigt legte
Otto Fischer auf den Sommer die Leitung des SGV nieder. Die Gewerbekammer wählte im April Vizedirektor M. Kamber zu seinem Nachfolger
[11]. Dieser erregte noch vor seinem Amtsantritt einigen Unwillen, als er sich in einer Fachzeitschrift nicht nur gegen eine staatliche Presseförderung wandte, sondern sich überhaupt sehr abschätzig über die Presse äusserte
[12]. Später betonte er dann, dass er zwar nicht den Kurs, wohl aber den Stil der Verbandsführung ändern wolle; dem engagierten Kampf in Parlament und Öffentlichkeit ziehe er einen stillen Lobbyismus vor. Mit einem Appell an die Stimmbürger drohte er freilich für den Fall einer Einschränkung des Saisonarbeiterpotentials
[13].
[5] SHIV (Vorort), Jahresbericht, 110/1979-80, S. 34 ff. Vgl. dazu M. Zumbühl, Privatisierung staatlicher Wirtschaftstätigkeit: Notwendigkeit und Möglichkeiten, Zürich 1978 ; ferner oben, Teil I, 4 a (Wirtschaftssystem) und unten, Gewerbe.
[6] Vorort : SHIV (Vorort), Jahresbericht, 110/1979-80, S. 30 ff ; NZZ, 159, 11.7.80; 242, 17.10.80. Zentralverband schweiz. Arbeitgeber-Organisationen: NZZ (sda), 165, 18.7.80; NZZ, 251, 28.10.80. Vgl. auch Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht. 68/1979-80, S. 34 f., 157 ff.
[7] Ebenda, S. 38 ff.; NZZ, 231, 4.10.80; (sda), 251, 28.10.80; ferner A. E. Sarasin in wf. Dok., 42, 13.10.80 sowie W. Ritschard in Documenta, 1980, Nr.3, S. 17 ff.
[8] F. Halm in SAZ, 23, 5.6.80; L. von Planta in wf, Dok., 39, 22.9.80.
[9] Diesbezügliche Kontakte nahmen die waadtländische und die genferische Handelskammer aud (JdG, 218, 18.9.80 ; 24 Heures, 218, 18.9.80). Besorgnisse äusserte auch der Vizepräsident des ASM, B. de Kalbermatten, am 75jährigen Jubiläum seines Verbandes (NZZ, 276, 26.11.80). Vgl. auch oben. Teil I, 8b (Sprache).
[10] SGZ, 5, 31.1.80; vgl. die Referate von M. Zumbühl und K. Basler in Unternehmungsführung im Gewerbe, 12/1980, Nr. 2, S. 39 ff.; ferner SGZ, 49, 4.12.80 sowie oben, Industrie, Handel und Banken.
[11] SGZ, 17, 24,4,80. Über Fischer vgl. Sonntags-Blick, 20, 18.5.80; Bund, 177, 31.7.80; ferner SPJ, 1977, S. 180, Anm. 17.
[12] Bau, 18/1980, Nr. 5, S. 3 f. Vgl. dazu TW, 117, 21.5.80; Vat., 117, 21.5.80; ferner oben, Teil I, 8c (Presse).
[13] Stil : LNN, 197, 26.8.80; SGT, 274, 21.11.80. Zum Saisonarbeiterstatut vgl. auch SGZ, 46, 13.1 1.80 sowie oben, Teil I, 7 d (Politique à l'égard des étrangers).
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