Année politique Suisse 1980 : Chronique générale / Politique étrangère suisse / Aussenwirtschaftspolitik
Das Parlament der Europäischen Gemeinschaften befasste sich mit einer mehrere Jahre zurückliegenden
Kollision zwischen schweizerischem Strafrecht und EG-internem Wettbewerbsrecht. 1973 hatte ein ausländischer Angestellter der Firma Hoffmann-La Roche, Stanley Adams, den EG Informationen übermittelt, die 1976 zur Verurteilung des schweizerischen Chemie-Konzerns wegen Verstosses gegen die Kartellvorschriften der EG führten; das Urteil wurde 1979 vom Gerichtshof der EG bestätigt. Die Schweiz sprach Adams aufgrund der Artikel 273 und 162 des Strafgesetzbuches der Wirtschaftsspionage und des Verrates von Geschäftsgeheimnissen für schuldig. Das Europäische Parlament fasste 1980 eine Resolution, welche die EG-Kommission aufforderte, der Schweiz nahezulegen, den «Fall Adams» wieder aufzurollen und zu garantieren, dass Personen, die Verletzungen des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und den EG bekanntgeben, nicht gerichtlich verfolgt werden. Der Schweiz wurden daraufhin einige Rechtsfragen über die Auslegung von wettbewerbs- und strafrechtlichen Grundsätzen vorgelegt, die sich zwar inhaltlich von den Vorgängen um den «
Fall Adams» ableiteten, formal aber nicht damit verknüpft waren; die EG-Kommission und die Schweiz waren sich einig, dass die Affäre nicht wieder aufgerollt werden sollte. Im Gemischten Ausschuss Schweiz-EG sicherte die Schweiz zu, sie werde alles im Rahmen ihrer Rechtsordnung Mögliche tun, um die Entstehung eines neuen «Fall Adams» zu verhindern. In einer Antwort auf eine Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion äusserte der Bundesrat seine Ansicht, dass das Freihandelsabkommen mit den EG das schweizerische Strafrecht nicht betreffe. Art. 273 des Strafgesetzbuches lasse jedoch einen Ermessensspielraum offen, in welchem man das Freihandelsabkommen berücksichtigen könne. Einen Vertrag mit den EG über Rechtshilfe hielt der Bundesrat für unnötig, da es bereits das Verfahren im Gemischten Ausschuss gebe. Von sozialdemokratischer Seite wurde verlangt, Adams sollte in der Schweiz freigesprochen werden; da das Freihandelsabkommen vorsehe, dass die Vertragsparteien alles unterlassen sollen, was die Vertragserfüllung behindern könnte, dürfe man nicht Informanten bestrafen
[72].
Im
Handel mit Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten zwischen der Schweiz und den EG waren in den letzten Jahren Probleme aufgetreten. Diese konnten 1980 mit dem Abschluss der Agrarverhandlungen aus dem Weg geräumt werden. Bei einigen Produkten der Nahrungsmittelindustrie erhielt die Schweiz das Recht zur vollen Anwendung der Einfuhrzölle, welche die Preise der in den importierten Konkurrenzprodukten verarbeiteten Rohstoffe auf das schweizerische Niveau anheben. Dieses Entgegenkommen der EG ermöglicht die konsequente Verwirklichung des Agrarpreisausgleichs im Sinne des Gesetzes über die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Landwirtschaftsprodukten, welches der Souverän 1975 angenommen hatte. Als Gegenleistung gewährt die Schweiz Zollsenkungen bei einigen Importen
[73].
Die
Erweiterung der EG nach Süden stellt einen weiteren Schritt auf dem Weg zur europäischen Integration dar. 1980 wurde die Aufnahme Griechenlands in die EG beschlossen. Im Rahmen des Freihandelsabkommens der Schweiz mit den EG läuft der Handelsverkehr mit Industrieprodukten iwischen Griechenland und der Schweiz seit dem 1. Januar 1981 zollfrei ab; ausgenommen sind jene Erzeugnisse, für welche bis Ende 1985 eine Übergangsregelung gilt
[74]. Gegenüber einem Postulat Barchi (fdp, TI), das die Prüfung der Frage verlangte, ob Schweizer Beobachter zum neuerdings gewählten Europäischen Parlament entsandt werden könnten, nahm der Bundesrat eine ablehnende Haltung ein; unter anderem begründete er dies damit, dass die Arbeit des Europäischen Parlaments bereits durch die Schweizer Mission bei den EG verfolgt werde. Der Nationalrat sprach sich daraufhin gegen die Überweisung des Postulates aus
[75].
[72] BaZ, 123, 29.5.80 ; 291, 11.12. 80 ; 300, 22.12.80 ; NZZ, 122. 29.5.80 ; SP-Information, 77.5.6.80 ; Vr, 111, 10.6.80; Bund, 301. 23.12.80; NR Alder (Idu, BS) in Europa. 1980. Nr. 10/11. S. 9 und 19. Man beachte die Parallelität des «Fall Adams» mit der «Zöllnerafläre»: beide Male wurde gegen die schweizerische Rechtsordnung verstossen, um eine ausländische Rechtsordnung durchzusetzen. Vgl. oben (Bilaterale Beziehungen, Frankreich).
[73] NZZ, 261, 8.11.80; 24 Heures, 261, 8.11.80; TA, 288, 10.12.80; Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1467 ff.; Amtl. Bull. StR, 1980, S. 691 f.. ; BBl, 1980, III, S. 1073 ff.; vgl. SPJ, 1975, S. 94 f.
[74] Vat., 146. 26.6.80; NZZ, 304, 31.12.80; Europa, 1980, Nr. 6, S. 16 f.; BBl, 1980, III, S. 79 ff..; 1981, I, S. 541.
[75] Amtl. Bull. NR, 1980, S. 47 ff.;.Europa, 1980, Nr, 3, S. 10 und 15. Vgl. S. A. Blankart, «Möglichkeiten und Grenzen der schweizerischen Integrationspolitik», in Aussenwirtschaft, 35/1980. S. 153 ff.
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