Année politique Suisse 1980 : Economie / Crédit et monnaie / Geld und Währung
Die Geldpolitik der Nationalbank, die grosse Kreditnachfrage und die hohen ausländischen Zinssätze bewirkten 1980 ein Steigen des Zinsniveaus auf dem Geld- und Kapitalmarkt. Die Zinssätze für Darlehen mit kurzen Laufzeiten (Geldmarktsätze) lagen während des ganzen Jahres über den Ertragsraten von langfristigen Finanzaktiven (Kapitalmarktsätze). Diese Zinskonstellation brachte zum Ausdruck, dass die Anleger auf längere Sicht mit einer Verlangsamung der Inflation rechneten
[11]. Der Zinssatz für Dreimonatsdepots am Eurofrankenmarkt stieg von 5 3/4 % am Ende des Vorjahres auf 7 1/4% in der ersten Aprilhälfte und erreichte nach zeitweiligem Rückgang am Jahresende 71/2%. Die Sätze für Festgelder bei schweizerischen Grossbanken bewegten sich — allerdings auf etwas tieferem Niveau — im Einklang mit den Eurofrankenerträgen. Das Steigen der Zinsen am Geldmarkt bewirkte, dass die Banken ihren Liquiditätsbedarf vermehrt über Notenbankkredite deckten. Mit der Erhöhung des offiziellen Diskontsatzes von 2% auf 3% und des Lombardsatzes von 3% auf 4% trug die Nationalbank der Entwicklung des Geldmarktes teilweise Rechnung.
Die
Zinshausse griff in abgeschwächter Form auch auf die Kassenobligationen über. Im Dezember lagen die Sätze für Kassenobligationen bei Grossbanken um 1 1/4% über ihrem Vorjahresstand. Die zur öffentlichen Zeichnung aufgelegten Anleihen erzielten mehrheitlich gute Ergebnisse, zumal die Renditen rasch an veränderte Marktbedingungen angepasst wurden. Für Bundesanleihen erhöhte sich die Durchschnittsrendite irn Laufe des Jahres von 4,04% auf 4,63%. Es wurden mehrere neue Emissionsformen eingeführt, wie zum Beispiel Anleihen mit variablen Zinssätzen. Die Beanspruchung des Kapitalmarktes war ausserordentlich hoch. Die Emissionskommission sah sich deshalb im dritten und vierten Quartal zu einer Begrenzung des Anleihensbetrags veranlasst
[12].
Da die Vergütungen fir Sparhefte hinter der übrigen Zinsentwicklung zurückblieben, floss ein Teil der Spargelder in günstigere Anlageformen ab. Die Banken sahen sich deshalb zu einer Erhöhung der Sparheftsätze veranlasst. Zumindest für die lokalen und regionalen Kreditinstitute, die sich vornehmlich mit Spargeldern finanzieren, bedingte dies jedoch auch eine Heraufsetzung der Hypothekarzinsen. Nach einer ersten Anhebung der Spar- und Hypothekarzinsen um 1/2% im Frühjahr kündigten die Zürcher Kantonalbank und die Grossbanken Anfang Juni eine weitere Erhöhung auf den 1. Oktober 1980 an: wiederum um 1/2% auf 5% für
Hypotheken und auf 3% für Sparhefte. Die Nationalbank, die vorher nicht konsultiert worden war, bezeichnete das Vorgehen der Kreditinstitute als Beeinträchtigung ihrer Stabilitätspolitik; sie befürchtete, die Erhöhung der Hypothekarsätze würde über Mietzinsaufschläge die Teuerung anheizen. Zudem sei der Zeitpunkt für die Ankündigung schlecht gewählt — die Zinssätze waren seit April wiederum rückläufig. Auch Bundesrat Ritschard rügte die Massnahme der Banken
[13]. SPS und Gewerkschaften wandten sich vehement gegen die geplante Zinsrunde. Sie kritisierten, dass die Notwendigkeit der Hypothekarzinserhöhung für die regionalen und lokalen Kreditinstitute von den Grossbanken dazu benützt worden sei, die Sätze auch ihrerseits, trotz ihrer guten Ertragslage, zu erhöhen
[14].
Mitte Juni handelten Bankiervereinigung und Nationalbank einen Kompromiss aus, der auf eine Differenzierung der Zinserhöhung nach materiellen, regionalen und zeitlichen Kriterien hinauslief. Die Bankiervereinigung empfahl ihren Mitgliedsinstituten, die Sparzinsen nicht vor dem 1. Dezember 1980 und die Sätze für Althypotheken nicht vor dem 1. März 1981 anzuheben. Die Zinsen für neue Hypotheken und für Hypotheken aufgewerblichen und industriellen Objekten durften wie vorgesehen aufden 1. Oktober 1980 angepasst werden. Die Nationalbank hat also erreicht, dass die von der Hypothekarzinssteigerung ausgehende Teuerung nur schubweise in den Index eingeht. Dies wurde von einigen Kommentatoren als «Indexkosmetik» bezeichnet, da sich die Mietpreiserhöhungen schon während des Jahres 1981 auswirken werden, viele Lohnerwerbende jedoch den Teuerungsausgleich erst am Jahresende erhalten
[15].
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) wies in einem Communiqué auf die lohnmässigen Konsequenzen einer Hypothekarzinserhöhung hin. Er betonte, die Kapitalmarktverhältnisse des folgenden Frühjahrs seien nicht voraussehbar. Der SGB verlangte deshalb von der Nationalbank, sie solle auf die Banken einwirken, damit diese im März die Zinserhöhung nicht ungeachtet der Marktsituation durchzwängten
[16].
Nationalrat Hubacher (sp, BS) ersuchte den Bundesrat mit einem Postulat, von der Kartellkommission untersuchen zu lassen, ob der Hypothekarbeschluss der Banken vom Juni nicht einen Missbrauch im Sinne des Kartellgesetzes darstelle. In einem weiteren Postulat regte Lilian Uchtenhagen (sp, ZH) die Einführung einer Preisüberwachung für die Hypothekarzinsen an. Beide Vorstösse wurden in der Wintersession an den Bundesrat überwiesen
[17].
[11] «Inflationserwartungen und Zins», in Der Monat in Wirtschaft und Finanz, 1981, Nr. 2, S. 18 ff.; SNB, Geschäftsbericht, 73/1980, S. 28; vgl. F. Schaller, «Taux d'intérêt nominal et taux d'intérêt réel», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 116/1980, S. 21 ff.
[12] Bund, 301, 23.12.80; SNB, Geschäftsbericht. 73/1980, S. 25 ff. Bewilligungspflichtiger Kapitalexport: vgl. oben, Teil I, 2 (Kapitalverkehr).
[13] NZZ, 131, 9.6.80; JdG, 132, 9.6.80; BaZ, 133, 10.6.80. Zur geldtheoretischen Beurteilung der Zinserhöhungen vgl. H. Sieber in Bund, 120, 24.5.80; NZZ, 135, 13.6.80; BaZ, 136, 13.6.80; K. Brunner, «Geldpolitik und Hypothekarzins», in Der Monat in Wirtschaft und Finanz, 1981, Nr. 1, S. 11 ff. Eine Zinspolitik durch die Nationalbank wird in diesen Beiträgen durchwegs abgelehnt. Vgl. auch E. Küng, «Notenbank im Dilemma», in Wirtschaftspolitische Mitteilungen, 36/1980, Nr. 10.
[14] TW, 130, 6.6.80; 135, 12,6,80; 202, 29.8.80; 213, 11.9.80; SP-Information, 78, 19.6.80; 81, 4.9.80; 87, 4.12.80. Zur Haltung des Hauseigentümerverbandes und der Mietervereinigungen vgl. unten, Teil I, 6c (Mietwesen). Zur Stellungnahme von Bankenkreisen vgl. R. Lademann in NZZ, 134, 12.6.80.
[17] Der BR hatte zudem mehrere Interpellationen zum Thema der Hypothekarzinsen zu beantworten (Amtl. Bull. NR, 1980, S. 1325 ff.; Amtl. Bull. StR, 1980, S. 590 ff.; vgl. JdG, 218, 18.9.80).
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