Année politique Suisse 1980 : Economie / Agriculture / Landwirtschaftspolitik
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Berglandwirtschaft
Mit dem Inkrafttreten des «Bundesgesetzes über Bewirtschaftungsbeiträge an die Landwirtschaft mit erschwerten Produktionsbedingungen» hat sich das agrarpolitische Regelungsnetz noch einmal verdichtet [12]. Die seit dem Sommer geltenden Bestimmungen sehen zwar Direktzahlungen zur bergbäuerlichen Einkommensverbesserung vor [13]; Rückzonungen (beispielsweise aus der Bergzone II in die der Milchkontingentierung unterstellte Bergzone I) haben für die betroffenen Betriebe z.T. zu Einkommenseinbussen geführt. Mit einer vom Nationalrat gegen den Willen des Bundesrates gutgeheissenen Motion verlangte deshalb der Berner Oberländer Hari (svp), auf Rückzonungen dort zu verzichten, wo der Paritätslohn nicht erreicht wird (d.h. wo das erzielte Einkommen unter einem vergleichbaren Arbeitnehmereinkommen liegt). Der Ständerat verweigerte freilich diesem Beschluss die Zustimmung und hiess statt dessen ein Postulat des Bündners U. Gadient (svp) gut. Dessen Ziel ist die Verminderung der landwirtschaftlichen Einkommensunterschiede durch eine wirksamere Förderung der Klein- und Bergbauern. Anzusetzen wäre bei einer Staffelung der gebundenen Bundesleistungen (z.B. für Milch, Getreide, Zuckerrüben und Raps) nach der abgelieferten Menge und der Betriebsgrösse [14].
Dass sich die Berglandwirtschaft besonderer Sympathien erfreut, zeigte sich überdies bei den Sparmassnahmen 80. Die Absicht, diesen Sektor mittels budgetierter Härtekontingente von der allgemeinen zehnprozentigen Subventionskürzung auszunehmen, blieb unbestritten [15]. Trotzdem wirken sich die staatlichen Massnahmen auf dem Gebiet des Agrarwesens insgesamt vor allem zugunsten der Gross- und Talbauern aus, wie eine vom SBV offiziell weiterhin unter Verschluss gehaltene Studie darlegt. Um den unterschiedlichen Strukturbedingungen besser gerecht zu werden, schlägt deshalb eine vom Bauernsekretariat eingesetzte Arbeitsgruppe vorab Preisdifferenzierungen vor [16]. Für diese Lösung trat auch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Bergbevölkerung (SAB) ein. In den grossen landwirtschaftlichen Zentralverbänden fanden indes solche Vorstellungen, die von den Grossbauern abgelehnt werden, bisher keine tragfähige Basis [17].
Mit der Preisdifferenzierung steht die Frage der Umverteilung der Bundesmittel innerhalb der Landwirtschaft zur Diskussion [18]. Wie eine vom Schweizerischen Nationalfonds mitfinanzierte Untersuchung nachweist, hat freilich die bis anhin vorwiegend von der Bundeskasse und den Konsumenten getragene landwirtschaftliche Einkommenspolitik die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in sehr ungleichen Proportionen belastet. Zur Finanzierung der agrarpolitisch bedingten Lasten sind die unteren Einkommensschichten relativ stärker herangezogen worden als die oberen. Die Umverteilungswirkungen beschränken sich aber nicht auf das Inland. Durch die aussenwirtschaftlichen Schutzmassnahmen werden besonders die konkurrenzfähigeren ausländischen Produzenten betroffen. Wie wir bereits an anderer Stelle gezeigt haben, gaben die EG, deren Landwirtschaft wesentlich billiger produziert, gegen entsprechende Kompensationen ihre Einwilligung, dass die Schweiz importierte Agrarprodukte zum Teil auch dann mit Einfuhrabgaben belastet, wenn sie zur Herstellung industrieller Erzeugnisse (z.B. Schokolade) verwendet werden [19].
 
[12] Vgl. auch ein überwiesenes Postulat Kloter (ldu, ZH), das bessere Übersicht über das Landwirtschaftsrecht verlangt (Amtl. Bull. NR, 1980, S. 395) sowie IBZ, 4, 24.1.80.
[13] AS, 1980, S. 679 ff. (Bundesgesetz); 683 ff. (Verordnung); vgl. auch SPJ, 1979, S. 93 f. Vgl. ausserdem Vat., 138, 17.6.80; Ldb, 171. 26.7.80.
[14] Hari : Amtl. Bull. NR, 1980, S. 387 1f. ; Amtl. Bull. StR, 1980, S. 603 ff.; vgl. auch Interpellation Biderbost (cvp, VS) in Amtl. Bull. NR, 1980, S. 387 ff. Gadient: Amtl. Bull. StR, 1980, S. 609 f.; vgl. zudem eine als Postulat überwiesene Motion Schnyder (svp. BE) in Amtl. Bull. NR, 1980, S. 926 f.
[15] Vgl. BBl, 1980, I, S. 524 f.; zu den Sparmassnahmen und zur Subventionskürzung vgl. unten. Teil I, 5 (Mesures d'économie). Vgl. ferner W. Anderegg, Strukturanalyse und landwirtschaftlicher Investitionsbedarf im Berggebiet, Bern 1979.
[16] Bund, 187. 12.8.80. Errechnet wurde beispielsweise, dass es in der Schweiz über 100 Milchproduzenten gibt, die aufgrund der Preisgarantie allein im Milchgeld jedes Jahr Bundesbeiträge von 40 000 Fr. erhalten.
[17] SAB: NZZ, 278. 28.11.80. Zentralverbände: Ww, 25. 18.6.80 (Zentralverband Schweiz. Milchproduzenten); BaZ, 269, 15.11.80 (SBV).
[18] Vgl. auch F. Mettraux, Le problème des disparités internes de revenu de l'agriculture suisse, Fribourg 1980.
[19] Untersuchung: NZZ, 258. 5.11.80. Zu den internationalen Umverteilungen: NZZ, 275, 25.11.80; danach belaufen sich die durch Eingriffe der Importländer in den Zuckermarkt entstehenden Verluste der Exportländer — insbesondere der Entwicklungsländer — gesamthaft auf mehr als das Doppelte der Kosten für die Verbraucher in den geschützten Staaten. Zum Entgegenkommen der EG vgl. oben, Teil I, 2 (Multilaterale Aussenwirtschaftspolitik); vgl. überdies Postulat Genoud (cvp, VS) in Amtl. Bull StR, 1980, S. 21 f.