Année politique Suisse 1980 : Enseignement, culture et médias / Médias
Radio und Fernsehen
Im Vorfeld bedeutender gesetzgeberischer Entscheide bei Radio und Fernsehen, zu denen die Expertenkommission für eine Medien-Gesamtkonzeption die oben bereits erwähnten Vorschläge formuliert hat, geriet die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) wiederholt ins Schussfeld der Kritik. Diese wurde vor allem von denjenigen Parteien und Interessengruppierungen getragen, die für eine Lockerung oder Aufhebung des allerdings rechtlich nicht verankerten, sondern nur faktisch bestehenden
SRG-Monopols eintraten. So lancierte der Landesring eine unformulierte Verfassungsinitiative «für Freiheit und Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen», die die Aufhebung des SRG-Monopols verlangt, wobei die umstrittene und teils heftig kritisierte Behandlung der Zürcher Jugendunruhen durch Radio und Fernsehen einen willkommenen Propagandaaufhänger abgab. Kompetente Medienleute wie auch Bundesrat Schlumpf gaben zu verstehen, dass die Initiative offene Türen einrenne
[17]. Allenfalls könnte der überfällige Verfassungsartikel über Radio und Fernsehen durch sie nochmals verzögert werden. Gestützt auf die Ergebnisse des 1979 abgeschlossenen Vernehmlassungsverfahrens beauftragte der Bundesrat das EVED, einen entsprechenden Artikel noch vor dem Vorliegen einer Medien-Gesamtkonzeption auszuarbeiten. Dieser Artikel soll nicht bloss mit einer Kompetenznorm ausgestattet werden, sondern einen ausführlichen, enumerierenden Charakter haben und damit materielle Aussagen über die künftige Radio- und Fernsehgesetzgebung sowie über die Schaffung einer unabhängigen Beschwerdeinstanz enthalten
[18]. Insbesondere die Aufnahme einer solchen Instanz in die Verfassung wurde als Voraussetzung für die politische Realisierung des Artikels angesehen. Für ein Ausführungsgesetz sind hingegen noch kaum Unterlagen vorhanden. Die Bedeutung der Beschwerdeinstanz kam auch mit der Motion Guntern (cvp, VS) zum Ausdruck, die nach dem Ständerat nun auch vom Nationalrat überwiesen wurde. Die heute bestehende, des öftern als zu tolerant bezeichnete Beschwerdekommission Reck, die in ihrer beratenden Funktion zwar faktisch, aber nicht rechtlich unabhängig ist, soll durch eine staats- und verwaltungsunabhängige Instanz ersetzt werden
[19]. In der vom Bundesrat Ende des Jahres beschlossenen Revision der Konzessionsbestimmungen wird zudem die Bundesaufsicht über die SRG für zusätzliche Bereiche, insbesondere bei den Finanzen, verstärkt und die Vertragsfreiheit der SRG gegenüber den Personalverbänden in Gehalts- und andern arbeitsrechtlichen Fragen beschnitten
[20].
Der von den Behörden angestrebte gesetzlich geordnete Umbruch bei den elektronischen Medien wurde von dem in Italien stationierten
Kommerzsender «Radio 24»
[21] unterlaufen, der nach peripetienreichen juristischen Geplänkeln der italienischen Stellen im Januar stillgelegt, im März wieder zugelassen und im November vorläufig erneut geschlossen wurde. Der Bundesrat betrachtet den Sender als im Widerspruch zu internationalen Abkommen stehend und führt neben juristischen auch medienpolitische Einwände an, da er sich eine gesellschaftlich orientierte Medienordnung nicht verbauen lassen will
[22]. Eine weitere Kontroverse entstand um die von den Kabelnetz-Verbänden zunehmend praktizierte Einspeisung von «Radio 24» in ihre Netze. Sie ignorierten damit ein Schreiben der PTT, das die Übernahme des Grenzsenders als illegal bezeichnete. Die PTT-Generaldirektion beantragte deshalb, bei der Revision der Verordnung 1 des Telegrafen- und Telefonverkehrsgesetzes einen Artikel aufzunehmen, der die Verbreitung von Sendern, die die Bestimmungen des internationalen Fernmeldevertrages und anderer Abkommen nicht einhalten, untersagt. Insbesondere der Entscheid des Zürcher Stadtrates (Exekutive), «Radio 24» ins Kabelnetz der Rediffusion aufzunehmen, stiess auf etliches Unverständnis. Er wurde auch als Honorierung für die behördenfreundliche Berichterstattung dieses Senders über die Jugendkrawalle interpretiert
[23].
Die Auseinandersetzungen um «Radio 24» intensivierten die
Diskussion über ein drittes, rund um die Uhr auszustrahlendes Radioprogramm, das die SRG selbst übernehmen möchte, ohne dass allerdings die Frage der Finanzierung geklärt wäre. Eine Konzession für ein drittes werbefreies nationales Programm wurde zudem von der Schweizerischen Fernseh- und Radio-Vereinigung (SFRV) beantragt. Diese will eine SRG-unabhängige Trägerschaft aufstellen, die allenfalls durch Beteiligung der Stiftung Dialog und der Schweizerischen Staatsbürgerlichen Gesellschaft repräsentativ legitimiert würde. Zur Finanzierung sollen ein Teil der Radio-Konzessionsgebühren beansprucht und zusätzliche Trägerschaftsbeiträge eingezogen werden
[24]. Da die Kabelrundfunkverordnung, die drahtlose und mit Werbung finanzierte Sendungen ausschliesst, Mitte 1981 ausläuft, reichten bis Ende des Jahres über 40 Interessenten verschiedener Herkunft Konzessionsgesuche ein, in der Regel für lokale UKW-Stationen. Eine Mehrzahl der Gesuchsteller gedenkt sich dabei mit Werbung zu finanzieren
[25]. Besonderes Aufsehen erregte das schweizerisch-britische Tel-Sat-Projekt für ein grenzüberschreitendes Satellitenfernsehen, das schweizerischerseits unter anderem von sieben Presseverlagen getragen wird. Die Initianten möchten als erste am europäischen Himmel präsent sein, um sich vorneweg einen Grossteil des Werbekuchens sichern zu können. Das in dieser Sache durchgeführte Vernehmlassungsverfahren liess erkennen, dass das Projekt sowohl Gegner als auch — allerdings häufig skeptische — Befürworter findet. Die SRG sprach sich für eine Nutzung des Satellitenfernsehens aus und betrachtet sich selbst als natürliche Anwärterin
[26]. Medien-Gesamtkonzept, Verfassungsartikel und Ausführungsgesetzgebung über Radio und Fernsehen werden nicht oder nicht rechtsgültig vorliegen, wenn über die verschiedenen regionalen und lokalen Konzessionsgesuche entschieden werden muss; die Entscheide sollen nach bundesrätlicher Aussage aber auf die Leitlinien des Medien-Gesamtkonzepts und die absehbaren verfassungsmässigen Grundlagen ausgerichtet werden.
Die SRG-interne Reorganisation wurde 1980 abgeschlossen. Als letzte der drei Regionalgesellschaften revidierte diejenige der italienischen Schweiz (CORSI) ihre Statuten, wobei im Gegensatz zu den beiden andern Gesellschaften den ansässigen Ausländern die Mitgliedschaft verwehrt wurde. In der Westschweiz konstituierten sich als Ersatz für die beiden bisherigen Trägerorganisationen sieben offene kantonale Gesellschaften, womit jedermann Zugang zu den Gremien erhält. Auffallend waren die grosse Zahl von weit über 10 000 Einschreibungen und die teils harten Auseinandersetzungen bei der Wahl der Vorstände. In der Deutschschweiz konnte erstmals nach 28 Jahren eine neugegründete Mitgliedgesellschaft, nämlich diejenige von Aargau/ Solothurn, in die Regionalgesellschaft aufgenommen werden
[27].
Etwas überraschend ernannte der Bundesrat als Nachfolger von Stelio Molo den bisherigen Vizepräsidenten des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank, Leo Schürmann, zum neuen SRG-Generaldirektor. Dies unter Aufhebung der Alterslimite von 65 Jahren. Von Schürmanns Wahl versprachen sich einige Kommentatoren frischen Wind und neues Vertrauen der Öffentlichkeit für die SRG. Weniger Aufsehen erregte die Wahl des Genfers Jean Brolliet, als Nachfolger von Ettore Tenchio, zum neuen Präsidenten des SRG-Zentralvorstands
[28].
[17] Initiative: NZZ, 55, 6.3.80; BaZ, 87, 14.4.80; 156, 7.7.80; Presse vom 5.5.80; Ring, 4, 19.5.80; Vr, 143, 24.7.80; TW. 197, 23.8.80; TA, 196, 25.8.80. Vorprüfung der Initiative: BBl, 1980, II, S. 337 f. Berichterstattung Unruhen. Auseinandersetzungen um die Tagesschau: Presse vom 4.7.80; NZZ, 164, 17.7.80; 206, 5.9.80; 210, 10.9.80; BaZ, 196, 22.8.80; TW, 215, 13.9.80.
[18] Presse vom 26.6.80; NZZ, 228, 1.10.80; L. Schlumpf, «Grundsatzfragen der Medienpolitik», in Documenta, 1980, Nr. 3, S. 23 ff.; vgl. SPJ, 1979, S. 166.
[19] Amtl. Bull. NR, 1980, S. 987 ff. und S. 1573 ff.; Presse vom 10.9.80, 26.9.80 und 17.12.80 ; vgl. SPJ, 1979, S.167. Im übrigen stellten BR und Beschwerdekommission in einem Fall (Beitrag über «Wehrsteuerverweigerung ») eine Konzessionsverletzung fest ; vgl. BaZ (sda), 152, 2.7.80. Bei einem andern Fall aus dem Vorjahr lehnte das Bundesgericht eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde der SRG gegen einen Aufsichtsentscheid des EVED ab; vgl. TA, 243, 18.10.80; SPJ, 1979, S. 167.
[20] Presse vom 26.7.80 ; BaZ, 301, 23.12.80 ; NZZ, 300, 24.12.80 ; 24 Heures, 299, 24.12.80 ; vgl. SPJ, 1979, S. 167.
[21] Zur Radioszene Schweiz vgl. W. von Büren / J. Frischknecht, Kommerz auf Megahertz, Basel 1980.
[22] NZZ, 2, 4.1.80; (sda), 10, 14.1.80; 13, 17.1.80; 18, 23.1.80; 237, 11.10.80; TA, 2, 4.1.80; 3, 5.1.80; 7, 10.1.80; 18, 23.1.80; 60, 12.3.80: BaZ, 3, 4.1.80; (sda), 71, 24.3.80; Ww, 18, 30.4.80; Presse vom 6.10.80, 19.11.80 und 26.11.80; vgl. SPJ, 1979, S. 168.
[23] PTT: Vat., 138, 17.6.80; LNN, 158, 10.7.80; BaZ, 161, 12.7.80; NZZ, 162, 15.7.80. Aufnahme von «Radio 24» in Kabelnetze: TA, 13, 17.1.80; 162, 15.7.80; 193, 21.8.80; 195, 23.8.80; 205, 4.9.80; NZZ, 142, 21.6.80; 148, 28.6.80; 193, 21.8.80; Bund, 165, 17.7.80; BaZ, 196, 22.8.80. Der Zürcher Gemeinderat überwies ein Postulat, das die Rückgängigmachung des stadträtlichen Entscheides fordert; vgl. NZZ, 206, 5.9.80:
[24] SRG : TA, 27, 2.2.80 ; 261, 8.11.80 ; Bund, 28, 4.2.80 ; BaZ, 263, 8.11.80. SFRV : TLM, 34, 3.2.80; Bund, 28, 4.2.80; NZZ (sda). 38, 15.2.80; BaZ, 53, 3.3.80; 58, 8.3.80; 160, 11.7.80; Ww, 36, 3.9.80.
[25] TA, 28, 4.2.80; 24 Heures, 255, 1.11.80; Ww, 46, 12.11.80; Bund, 257, 1.12.80.
[26] BaZ, 98, 26.4.80; 112, 14.5.80; 113, 16.5.80; (ddp), 135, 12.6.80; Ww, 21, 21.5.80; NZZ, 118, 23.5.80; (ddp), 124, 31.5.80; (sda), 141, 20.6.80; (sda) 167, 21.7.80; (sda), 255, 1.11.80; 40, 18.2.81 ; Presse vom 27.6.80 und 9.8.80; TA, 255, 1.11.80.
[27] CORSI: CdT, 97, 25.4.80; 104, 5.5.80; 108, 8.5.80; 119, 23.5.80; BaZ (sda), 105, 6.5.80; TA, 105, 7.5.80. Westschweiz : TLM, 10, 12, 18, 27, 29, 10. — 29.1.80 ; 73, 74, 82, 83, 90, 92, 13.3.—1.4.80 ; 24 Heures, 23, 29.1.80 ; 31, 7.2.80; 70, 24.3.80; TA, 34, 11.2.80; LNN, 103, 3.5.80. Deutschschweiz: BaZ, 8, 10.1.80; Vat., 54, 5.3.80; 260, 8.11.80; vgl. SPJ, 1979, S. 167 f.
[28] Schürmann: TA, 51, 1.3.80; 71, 25.3.80; Ww, 13.26.3.80; Presse vom 27.3.80; BaZ, 75, 28.3.80; LNN, 74, 28.3.80; Bund, 75, 29.3.80. Brolliet: Presse vom 23.12.80.
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