Année politique Suisse 1981 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
Unternehmer
In den Äusserungen der führenden Sprecher der Unternehmerverbände von Industrie und Handel war ganz allgemein des Bestreben erkennbar, die regelnde Tätigkeit des Staates zu beschränken. So verlangte der Präsident des
Zentralverbandes schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen, F. Halm, mehr Autonomie für die Wirtschaft, damit die sinkende Ertragskraft der Betriebe durch rechtzeitige Restrukturierungsmassnahmen wieder erhöht werden könne; dabei wandte er sich gegen «obrigkeitliche Züge» im Verhalten der Behörden und Verwaltungen
[5]. Der
Vorort forderte in seinem Jahresbericht gleichfalls eine Lockerung bürokratischer Zwänge, um vermehrt marktwirtschaftliche Dynamik zurückzugewinnen. Gefahr sah er aber auch von internationalen Reglementierungen drohen, die er als so nachteilig bewertete wie die nationalen protektionistischen Strömungen im Ausland
[6]. Vorortspräsident L. von Planta verwies zudem auf den Umverteilungsprozess zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, der die Volkswirtschaften der ersteren zusätzlich belaste ; um seine Unternehmungen nicht zu überfordern, habe der schweizerische Staat deshalb der Wertschöpfung erste Priorität einzuräumen und innere Verteilungsprobleme zurückzustellen
[7]. Als mögliche Grundlage für weitere beengende Staatseingriffe lehnten Vorort und Arbeitgeberverband den Konsumentenschutzartikel ab
[8]. Erneut wurde freilich auch betont, dass es zur Erhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eines politischen Engagements des Unternehmers bedürfe und dass dieser sich nicht allein am Gewinn orientieren könne, sondern seine Entscheidungen zugleich in Verantwortung gegenüber dem ganzen Volk und seiner Zukunft treffen müsse
[9].
Mit der Aufnahme der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer in den Kreis seiner Sektionen trug der Schweizerische Handels- und Industrie-Verein der starken Integration des kleinen Nachbarlandes in unsere Wirtschaft Rechnung. Die Bedeutung des chinesischen Grossraumes als neues Absatzgebiet kam in der Gründung einer Wirtschaftskammer Schweiz-China zum Ausdruck, in deren Vorstand Vertreter massgebender Wirtschaftszweige Einsitz nahmen
[10].
Auch die Sprecher des
Bankwesens nahmen gegen die staatliche Regelungstätigkeit Stellung; der Jahresbericht der Schweizerischen Bankiervereinigung wurde in der Pressé als defensiv charakterisiert. Neben der geplanten Besteuerung der Zinsen von Treuhandguthaben — Verbandspräsident A. E. Sarasin glossierte sie als «Kurtaxe» — gab die Vorlage für ein Konsumkreditgesetz Anlass zu Widerspruch
[11]. Der Direktor des Verbandes, J.-P. Chapuis, betonte, die Schweizer Banken gerieten im internationalen Wettbewerb da und dort ins Hintertreffen, und warnte davor, sie mit verschärften Vorschriften zur Verlagerung ihrer Tätigkeit ins Ausland zu veranlassen
[12]. Als ungewohnt bezeichnete der Verbandspräsident am Bankiertag die Auseinandersetzung mit ethischer Kritik, wie sie namentlich von kirchlicher Seite erhoben wurde
[13]. Ein Versuch der Vereinigung, das Verhalten der Banken gegenüber den Entwicklungsländern in einer Broschüre zu rechtfertigen, wurde freilich auch von bürgerlicher Seite als allzu mangelhaft bewertet
[14].
Hatte bisher die Spitzenorganisation des Gewerbes die entschiedenste antietatistische Politik betrieben, so war seit dem Wechsel in der Leitung des
Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) ein
gemässigterer Kurs festzustellen. Weder zum Konsumentenschutzartikel noch zur Finanzordnung gab der SGV die Neinparole aus; in beiden Fällen blieb es bei der Stimmfreigabe. Auch gegen das Ausländergesetz wurde nicht Front gemacht
[15]. In einem Interview distanzierte sich der neue Direktor M. Kamber von der Finanzpolitik seines Vorgängers O. Fischer und sprach sich für ein Wachstum des Staatshaushalts proportional zum Sozialprodukt aus
[16]. Ein ähnlicher Stilwechsel erfolgte in einer der bedeutendsten Branchenorganisationen des SVG, im Schweizerischen Baumeisterverband, wo der kämpferische Zentralpräsident W. Messmer, freisinniger Nationalrat wie Fischer, durch E. Grimm abgelöst wurde, der keine parlamentarische Karriere anstrebt
[17].
[5] Ansprache an der Delegiertenversammlung des Zentralverbandes (SAZ, 20/21, 21.5.81).
[6] Schweiz. Handels- und Industrie-Verein (Vorort), Jahresbericht, 111/1980-81, S. 7 ff.
[7] Präsidialansprache an der Delegiertenversammlung des Schweiz. Handels- und Industrie-Vereins (NZZ, 217, 19.9.81; wf, Dok., 38, 21.9.81).
[8] Vorort: NZZ, 119, 25.5.81. Zentralverband der Arbeitgeber: NZZ, 105, 8.5.81. Vgl. oben, Teil I, 4a (Konsumentenschutz).
[9] Vgl. Politische Rundschau, 60/1981, Nr. 1, insbes. die Beiträge von A. Keller (Georg Fischer AG), S. 3 ff. und von NR P. Wyss (fdp, BS, Direktor der Basler Handelskammer), der die Gemeinschaftsorientierung betonte, S.12 f. Vgl. dazu SPJ, 1979, S. 202.
[10] Liechtenstein: NZZ, 217, 19.9.81. China: NZZ, 9, 13.1.81; Vat., 16, 21.1.81.
[11] Vgl. Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 69/1980-81, insbes. S. 32 ff. u. 73 ff.; NZZ, 215, 17.9.81 (Pressekonferenz). Vgl. dazu oben, Teil I, 4a (Konsumentenschutz), 4b (Banken) und 5 (Nouvelles ressources).
[12] NZZ, 230, 5.10.81 (Arbeitstagung an der Universität Zürich).
[13] NZZ, 223, 26.9.81. Vgl. dazu oben, Teil I, 8b (Kirche).
[14] Schweiz. Bankiervereinigung, Schweizer Banken und Probleme der Entwicklungsländer, Basel 1981. Wegen der Kritik wurde die Auslieferung eingestellt; 1982 erschien eine überarbeitete Fassung (Vr, 199, 14.10.81). Kritik: BaZ, 217, 17.9.81; NZZ, 215, 17.9.81.
[15] Konsumentenschutz: SGZ, 22, 29.5.81; vgl. oben, Teil I, 4a (Konsumentenschutz). Finanzordnung: SGZ, 39, 24.9.81; vgl. oben, Teil I, 5 (Régime financier). Ausländergesetz: SGZ, 27, 2.7.81; vgl. oben, Teil I, 7d (Ausländische Bevölkerung). O. Fischer lehnte sowohl die Finanzordnung (Bund, 275, 24.11.81) wie das Ausländergesetz (SGZ, 17, 23.4.81) ab. Der SGV war ihm aber schon bei früheren Finanzvorlagen nicht gefolgt (vgl. SPJ, 1979, S. 203). Zum Wechsel in der Leitung des SGV vgl. SPJ, 1980, S. 200.
[16] Woche, 10, 13.11.81. Vgl. auch AT, 160, 13.7.81.
[17] NZZ, 152, 4.7.81; TA, 152, 4.7.81.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Ce texte a été scanné à partir de la version papier et peut par conséquent contenir des erreurs.