Année politique Suisse 1981 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique / Öffentliche Ordnung
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Jugendunruhen
Die grösste Belastung der öffentlichen Ordnung bildeten 1981 weiterhin die Jugendunruhen in verschiedenen Grossstädten, auf die wir auch in anderem Zusammenhang eingehen werden [14]. Am schwersten wurde erneut Zürich betroffen, wo sich Demonstrationen mit Sachbeschädigungen (Brandanschläge, Zerstörungen an Schaufenstern und Fahrzeugen, Sprayanschriften) sowie Zusammenstösse mit der Polizei durch das ganze Jahr hindurchzogen. Vom Beginn der Unruhen am 30. Mai 1980 bis Ende April 1981 gab es nach Angaben der Zürcher Stadtpolizei 60 Konfrontationen und Schäden in der Höhe von rund 15 Mio Fr. Bereits im Februar schätzte man die Zahl der Verletzten auf 500, darunter 85 Polizeibeamte und zahlreiche Unbeteiligte [15]. An den meisten Manifestationen waren bloss relativ kleine Gruppen beteiligt; nur in der ersten Jahreshälfte kam es zu Ansammlungen mit mehr als 500 Teilnehmern. Die Polizei verschärfte trotz Protesten ihre Bewilligungspraxis, und zwar auch gegenüber Veranstaltungen, die nicht von der Jugendbewegung ausgingen, und griff in der Regel bei unbewilligten Demonstrationen ein [16]. So wurden nach einer Erklärung des Regierungsrates von den Anfängen bis Ende August 3874 Personen festgenommen, 2294 von ihnen allerdings nur für eine Kontrolle. Im Januar 1982 sprach ein Zürcher Staatsanwalt von 850 Strafuntersuchungen gegen Krawallteilnehmer. Klagen über Brutalitäten beim Einsatz der Ordnungskräfte veranlassten auch Strafverfahren gegen Polizisten; im Oktober 1981 zählte man deren 164. Während aber bis zum Ende des Sommers bereits über 100 Verurteilungen (meist bedingte Freiheitsstrafen oder Bussen) gegenüber Störern der Ordnung vorlagen, wurde eine solche gegen einen ihrer Hüter erstmals im November ausgesprochen. Namentlich von Anwälten wurde kritisiert, dass die Gerichtsbehörden dieser zweiten Kategorie von Angeklagten nicht die gleiche Aufmerksamkeit schenkten wie der ersten [17].
Weniger dicht folgten sich die Zwischenfälle in Basel und Bern, wo die Polizei zurückhaltender operierte. Die Sachschäden waren aber auch in diesen beiden Städten beträchtlich, und es fehlte gleichfalls nicht an Klagen über polizeiliche Übergriffe [18]. Anderswo blieben Zusammenstösse und Zerstörungen vereinzelt [19].
Die für die Aufrechterhaltung der Ordnung Verantwortlichen standen weiterhin unter einem doppelten Druck. Während gesellschaftskritisch engagierte Kreise und Befürworter einer grösseren Toleranz auf Zurückhaltung gegenüber den Demonstranten drangen, forderten namentlich bürgerliche Parteien und geschädigte Gewerbetreibende ein forscheres Durchgreifen [20]. Stärker als zuvor traten Gruppen von meist jugendlichen Schlägern in Erscheinung, die mit Gewalt gegen Demonstranten vorgingen, wozu deren Verfemung einen gewissen Anreiz bot. Klagen über ein passives, ja kooperatives Verhalten von Polizeiorganen gegenüber solchen «Rockers» oder «Faschos» wurden verschiedenenorts geäussert, von den Behörden aber zurückgewiesen [21].
Die von den Unruhen verursachten Zerstörungen belasteten auch die Versicherungsgesellschaften. Obwohl diese zur Deckung entsprechender Schäden nicht verpflichtet sind, gewährten sie zunächst den Versicherungsschutz. Sie erwirkten aber durch eine Eingabe an das zuständige Bundesamt die Genehmigung für eine besondere Krawallversicherung; auf Anfang 1982 trat dieses neue Instrument in Kraft [22].
 
[14] Vgl. unten, Teil I, 7d (Jugendpolitik), ferner SPJ, 1980, S. 17 ff. u. 137 ff.
[15] Konfrontationen und Schäden: NZZ, 121, 27.5.81; 123, 30.5.81. Verletzte: TA, 37, 14.2.81.
[16] Grössere Demonstrationen: NZZ, 20, 26.1.81; 26, 2.2.81; 68, 23.3.81; Vr, 79, 24.4.81. Proteste: Vr, 16, 23. 1.81 u. 131, 9.7.81 (SP); 237, 7.12.81 (Verein pro AJZ). Vgl. auch unten, Teil I, 7d (Jugendpolitik).
[17] Festnahmen und Verfahren : NZZ, 234, 9.10.81; 263, 12.11.81; Bund, 18, 23.1.82. Klagen gegen Polizei: Vr, 32, 16.2.81. Kritik an Gerichtsbehörden: Bund, 242, 16.10.81; TA, 243, 20.10.81.
[18] Zu den polizeilichen Methoden vgl. BaZ, 144, 24.6.81 (Basel) und Bund, 198, 26.8.81 (Bern). Klagen gegen Polizei in Basel : BaZ, 134,12.6.81; 146, 26.6.81; 153, 4.7.81; 242, 16.10.81; 280, 30.11.81. Entsprechende Klagen in Bern: BaZ, 167, 21.7.81; TW, 224, 25.9.81.
[19] Erwähnt seien Jugendunruhen in Lausanne (24 Heures, 20, 26.1.81; 68, 23.3.81), Luzern (LNN, 39, 17.2.81), St. Gallen (Bund, 155, 7.7.81), Winterthur (NZZ, 201, 1.9.81) und Biel (Suisse, 340, 6.12.81), ferner Zusammenstösse mit Umweltschützern (TLM, 95, 5.4.81) und Hausbesetzern (JdG, 278, 28.11.81) in Genf sowie Demonstrationen gegen die kommerzielle Waffenausstellung W'81 in Winterthur (Ldb, 146-148, 29.6.-1.7.81; Vr, 127, 3.7.81) sowie einzelne Anschläge im Berner Jura (TLM, 63,4.3.81; 186, 5.7.81; 280, 7.10.81).
[20] Zürich : TA, 23, 29.1.81 und NZZ, 214, 16.9.81 (FDP) ; NZZ, 105, 8.5.81 und 120, 26.5.81 (SVP) ; NZZ, 196, 26.8.81 (Gewerbetreibende). Basel: BaZ, 157, 9.7.81.
[21] Zürich : Vr, 79, 24.4.81; 148, 3.8.81. Basel : BaZ, 105, 7.5.81; 145, 25.6.81; 263, 10.11.81. Bern : TW, 108, 11.5.81. Genf: 24 Heures, 238, 14.10.81; 239, 15.10.81; JdG, 241, 16.10.81.
[22] BaZ, 31, 6.2.81; NZZ, 39, 17.2.81; 205, 5.9.81.