Année politique Suisse 1981 : Infrastructure, aménagement, environnement / Energie / Energiepolitik
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Energiepolitische Aktivitäten der Kantone
Grosse Bedeutung kommt schon heute — und im Fall der Realisierung des vom Bundesrat vorgezeichneten Weges erst recht in der Zukunft — den energiepolitischen Aktivitäten der Kantone zu. Neu haben sich im Berichtsjahr Graubünden und Bern Energiegesetze gegeben. Bedeutende Energieeinsparungen werden allerdings die neuen Bestimmungen kaum auslösen können. In Graubünden soll der Kanton sich zur Hauptsache auf die Herausgabe von Empfehlungen und Informationen beschränken, der Erlass von zwingenden Vorschriften aber eine Domäne der Gemeinden bleiben. Im Kanton Bern wurden diverse Verschärfungsanträge — u.a. das Obligatorium für die individuelle Heizkostenabrechnung bei Mehrfamilienhäusern — von der bürgerlichen Ratsmehrheit abgelehnt. Die Sozialdemokraten beschlossen deshalb die Ausarbeitung einer Volksinitiative für ein neues Energiegesetz, über deren Lancierung allerdings erst 1982 entschieden werden soll [7].
Dass den Kantonen bei der Gestaltung ihrer Energiepolitik ohnehin gewisse Grenzen gesetzt sind, zeigte sich in der Waadt, wo auf Anordnung des Bundesgerichts der 1981 mit dem Energiegesetz eingeführte Bedarfsnachweis für Elektroheizungen wieder gestrichen werden musste. Nach Ansicht des Gerichts kann kein übergeordnetes Interesse geltend gemacht werden, welches ein Abweichen von der Handels- und Gewerbefreiheit bei der Wahl des Heizungssystems rechtfertigen würde [8]. Im Kanton Solothurn hatte die Regierung ein dem bernischen ähnliches Gesetz vorgelegt. Trotz heftiger Opposition der CVP, die das Gesetz als überflüssig betrachtet, beschloss das Parlament Eintreten, wies den Entwurf jedoch einer Kommission zur weiteren Bearbeitung zu. Auch in den Kantonen Aargau und Zürich präsentierten die Regierungen Gesetzesprojekte; deren parlamentarische Behandlung ist aber noch nicht aufgenommen worden. Im Wallis versprachen die Behörden die Vorlage eines Gesetzestextes in spätestens zwei Jahren; als Übergangslösung hiess der Grosse Rat ein Energiedekret gut, welches die sofortige Durchführung bestimmter Massnahmen erlaubt [9]. In den Kantonen Luzern und Uri reichten Atomkraftwerkgegner Volksinitiativen für Energiegesetze ein. In Basel-Stadt wurden von gleicher Seite gleich zwei entsprechende Volksbegehren lanciert, wobei hier die Hauptabsicht darin bestehen dürfte, die in naher Zukunft zu erwartenden Beratungen über den von der Regierung ausgearbeiteten Entwurf im Sinne einer Verschärfung zu beeinflussen [10].
Die Idee, wonach die Kantone energiepolitisch aktiver werden müssen, vermag aber nicht überall durchzudringen. So lehnte die Schaffhauser Legislative eine von der Regierung nicht bestrittene Motion der SP für die Schaffung eines Energiegesetzes ab. Die Regierung Obwaldens legte den Gesetzesentwurf, den sie als Gegenvorschlag zu einer Einzelinitiative ausgearbeitet hatte, dem Kantonsrat gar nicht erst vor, da in der Vernehmlassung von massgebenden Kreisen namentlich die vorgesehenen Isolationsvorschriften als unerwünscht bezeichnet worden waren [11].
Sollte es in Zukunft zu ernsthaften Mangellagen auf dem Elektrizitätsmarkt kommen, möchte der Bundesrat eine Kontingentierung der Zuteilung an die Verbraucher verfügen können. Durch Zustimmung zu einem entsprechenden Bundesbeschluss sprach ihm das Parlament diese Kompetenz, welche er bereits seit 1974 besessen hatte, für weitere vier Jahre zu. Dieser Beschluss würde allerdings beim Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Landesversorgung — der Entwurf wurde im Berichtsjahr veröffentlicht — überflüssig und könnte deshalb aufgehoben werden [12]. Der Kanton Aargau möchte sich bei allfälligen Stromversorgungsengpässen eine Vorzugsstellung einräumen lassen. Das Parlament des für seine kernenergiefreundliche Haltung bekannten Standes forderte seine Regierung mit einem Postulat auf, ihren Einfluss bei den Nordostschweizerischen Kraftwerken in diesem Sinne geltend zu machen [13].
 
[7] Graubünden: NZZ, 163, 17.7.81; SGT, 180, 15.8.81; 228, 2.10.81. Bern: Bund, 39-42, 17.-20.2.81; 111, 14.5.81; 112, 15.5.81; TW, 142, 22.6.81. Zur bisher nicht überaus aktiven Rolle der Gemeinden in der Energiepolitik siehe Bund, 159, 11.7.81.
[8] 24 Heures, 29, 5.2.81; 247, 24.10.81; NZZ, 247, 24.10.81; vgl. auch SPJ, 1980, S. 92.
[9] Solothurn : SZ, 143, 23.6.81; 145, 26.6.81; 150, 1.7.81; 151, 2.7.81; vgl. auch SPJ, 1980, S. 92. Aargau : AT, 147, 27.6.81. Zürich: NZZ, 185, 13.8.81; TA, 202, 2.9.81. Wallis: NZZ, 24, 30.1.81.
[10] Uri : LNN, 66, 20.3.81; SPJ, 1980, S. 93. Luzern : Vat., 13, 17.1.81. Basel-Stadt: Zusätzlich zur Initiative für ein Energiegesetz verlangt eine zweite Initiative die Verankerung des Prinzips der sparsamen Energieverwendung in der Kantonsverfassung (BaZ, 276, 25.11.81).
[11] Schaffhausen: TA, 207, 8.9.81. Obwalden: LNN, 35, 12.2.81; 104, 6.5.81; Vat., 39, 17.2.81; 294, 19.12.81.
[12] BBl, 1981, I, S. 223 ff.; II, S. 606 f. ; Amtl. BuII. NR, 1981, S. 361 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 269 ff. ; AS, 1981, S. 1801 ff.; vgl. auch SPJ, 1974, S. 87. Zum Gesetz über die Landesversorgung siehe oben, Teil I, 3 (Approvisionnement économique) und BBl, 1981, III, S. 405 ff.
[13] Die Parlamentsdebatte zeigte, dass der Vorstoss recht unverhohlen gegen BS und BL, die dem in Kaiseraugst geplanten Kernkraftwerk opponieren, gerichtet war (BaZ, 220, 21.9.81; 264, 11.11.81).