Année politique Suisse 1981 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Agglomerationsverkehr
Hauptsächlich infolge der veränderten Siedlungsstrukturen, bei welchen sich die Tendenz zur räumlichen Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte immer mehr durchsetzt, ist der Agglomerationsverkehr in den letzten Jahren massiv angestiegen. Die täglichen Fahrten mit dem privaten Motorfahrzeug von den Vororten zu den Arbeitsplätzen im Zentrum der Kernstadt und die Gewohnheit, das Auto möglichst nahe bei diesem Zentrum zu parkieren, wird von den Bewohnern der städtischen Quartiere zunehmend als Belästigung empfunden. Das Bestreben der Stadtplaner geht deshalb dahin, diesen Verkehr auf einige wenige Achsen zu konzentrieren und die übrigen Strassen der Wohngebiete durch bauliche und polizeiliche Massnahmen von quartierfremdem Verkehr freizuhalten. Zudem soll mit dem Bau von Park + Ride-Anlagen das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel gefördert werden. Die Umweltschützer und die politische Linke möchten in den meisten grossen Städten noch weitergehen und durch die Plafonierung des städtischen Parkplatzangebotes den motorisierten Privatverkehr davon abhalten, in die Städte hineinzufahren. In Genf folgten die Stimmbürger diesen Überlegungen und lehnten die Bewilligung für eine geplante Einstellhalle am Rande des Stadtzentrums ab [6]. Im Kanton Zürich hingegen wurde eine Volksinitiative der POCH für die Mitbestimmung der Stimmbürger der Standortgemeinde bei der Errichtung von privaten Grossparkeinrichtungen deutlich abgelehnt. Dass das Begehren überraschenderweise auch in der Stadt Zürich keine Zustimmung fand, dürfte wohl weniger auf die Überzeugungskraft der staatsrechtlichen und verkehrspolitischen Gegenargumente als auf das Ausschlachten des politischen Standorts der Initianten (« Kommunisten-Initiative» war eines der in Inseraten meistgenannten Argumente) zurückzuführen sein [7].
Die Möglichkeiten zur Steigerung der Attraktivität des schienengebundenen Regionalverkehrs in der Agglomeration Zürich sind heute, bedingt durch die Überlastung des Hauptbahnhofs und der zu ihm führenden Linien, sehr beschränkt. Mit dem Bau eines unterirdischen Nahverkehrsbahnhofs und einer Entlastungslinie durch den Zürichberg sollen die Voraussetzungen für einen sogenannten S-Bahn-Betrieb (Taktfahrplan mit relativ enger Zugfolge) in weiten Teilen des Kantons und den angrenzenden Gebieten geschaffen werden. Die Regierung des Kantons Zürich und die SBB (der Bund beteiligt sich aus Gründen, die wir im Vorjahr dargelegt haben, nicht direkt an diesem Vorhaben) präsentierten einen Vertrag, der festlegt, dass der Kanton 523 Mio Fr. an die budgetierten Kosten von 653 Mio Fr. beiträgt und als Gegenleistung das paritätische Mitbestimmungsrecht bei der Fahrzeugbeschaffung und der Fahrplangestaltung erhält. Ernsthafte Opposition erwuchs dem Vorhaben eigenartigerweise von einem Teil der sonst dem öffentlichen Verkehr gut gesinnten Linken. Die Opponenten befürchten, dass die angestrebte Verbesserung der Verkehrsverhältnisse die Zentrumsfunktion der Stadt Zürich noch mehr betonen und damit den Prozess der räumlichen Trennung von Wohn- und Arbeitsort beschleunigen wird. Anders als im Jahre 1973, als es um ein ähnliches Projekt ging (damals allerdings gekoppelt mit dem Bau einer Untergrundbahn), sprach sich die SP der Stadt Zürich diesmal für die Vorlage aus. Der Bau der S-Bahn, gegen welchen nur die POCH, die NA und die Republikaner die Nein-Parole ausgegeben hatten, wurde von den Stimmbürgern mit 209 177 Ja zu 74 467 Nein deutlich gutgeheissen [8].
 
[6] Vgl. dazu auch H.P. Guggenbühl, «Den Wohnraum vor den Autos schützen», in Plan, 38/1981, Nr. 4, S.12f.
[7] Genf: JdG , 64, 18.3.81; 273, 23.11.81; 279, 30.1 I.81 (12 522 Nein: 10 594 Ja). Zürich: SPJ, 1980, 5.100; TA, 102, 5.5.81; 211, 12.9.81; 224, 28.9.81; NZZ, 108, 12.5.81; 220, 23.9.81; Bund, 220, 21.9.81. Die Initiative wurde mit 129 306 Nein: 64 706 Ja abgelehnt; in der Stadt Zürich stimmten 39 545 Nein und 29 549 Ja. In Basel reichten Vertreter der im Zentrum ansässigen Geschäfte eine Volksinitiative für die Förderung der Errichtung von Parkhäusern im Citybereich ein. Damit soll ein Gegengewicht zu den früher eingereichten parkhausfeindlichen Volksbegehren der Linken geschaffen werden (BaZ, 72, 26.3.81; 147, 27.6.81; SPJ, 1979, S. 1l 1).
[8] TA, 121,27.5.81; 256, 4.11.81; 276,27.11.81;NZZ, 133, 12.6.81; 142, 23.6.81; 211, 12.9.81; 246, 23.10.81; 278, 30.11.81; BaZ, 141, 20.6.81. Siehe ebenfalls SPJ, 1980, S.100, sowie für die erste Abstimmung SPJ, 1973, S. 89.