Année politique Suisse 1981 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Eisenbahn
Der durch die steigende Inflation wachsende Kostendruck, und die in Europa erneut auftretende wirtschaftliche Stagnation verhinderten, dass die Eisenbahnen ihre relativ guten Ergebnisse des Vorjahres wiederholen konnten.
Der Fehlbetrag der SBB hat sich 1981 mit 760,4 Mio Fr. deutlich erhöht und liegt um 106,1 Mio Fr. über dem Budget. Den vor allem inflationsbedingten Mehrausgaben standen stagnierende Erträge bei einem eher sinkenden Verkehrsvolumen gegenüber. Während im Reiseverkehr noch geringe Zunahmen bei der Anzahl transportierter Personen und bei den Einnahmen registriert werden konnten, bildeten sich im Güterverkehr Menge und Erträge zurück. Das Budget lässt für 1982 ein noch schlechteres Ergebnis erwarten. Mit 796 Mio Fr. soll das Defizit einen neuen Rekordstand erreichen, dies trotz einer auf Frühjahr 1982 angekündigten Erhöhung der Transporttaxen im Reiseverkehr um ca. 9% [9]. Auf eine Motion des Konsumentenvertreters Neukomm (sp, BE), die eine Übertragung der Oberaufsicht über die Eisenbahntarife an das Parlament verlangte, trat der Nationalrat ebensowenig ein wie auf die Forderung von Amélia Christinat (sp, GE) nach einer sozialpolitisch motivierten Intervention in die Preispolitik der Bahnen [10].
Nachdem 1979 ein erster Entwurf zu einem Leistungsauftrag für die SBB gar nicht erst bis zur parlamentarischen Behandlung gediehen war, legte die Landesregierung im Berichtsjahr eine überarbeitete Fassung vor, die ein wesentlich günstigeres Echo hervorrief. Die besonders kritisierte Beteiligung der Kantone an der Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Regionalverkehr ist im neuen Entwurf nicht mehr enthalten. Der Leistungsauftrag stellt eine Übergangsmassnahme bis zur Inkraftsetzung der GVK dar; er definiert einerseits Richtlinien für die Gestaltung des von den Bundesbahnen zu erbringenden Angebots im Personen- und Güterverkehr und bringt andererseits eine finanzielle Entlastung der SBB durch eine Erhöhung der Abgeltungszahlungen im Personenverkehr sowie durch eine Veränderung der Kapitalstruktur. Der Personenfernverkehr soll auch in Zukunft selbsttragend bleiben, hingegen sollen im Personennahverkehr weiterhin gemeinwirtschaftliche Leistungen erbracht und neuerdings voll — d.h. mit 459 anstelle der bisherigen 269 Mio Fr. — abgegolten werden. Im Gütertransport soll der Wagenladungsverkehr wieder eigenwirtschaftlich werden; der Nationalrat setzte dafür eine Frist bis Ende 1986. Beim Stückgut leistet der Bund vorerst noch eine Finanzhilfe von 150 Mio Fr., reduziert diese aber in den folgenden Jahren um je 25 Mio Fr. Bei dent noch auszubauenden Huckepackverkehr zwischen Basel und dem Tessin, der nicht zuletzt wegen seiner entlastenden Wirkungen für das Strassennetz als sinnvolle Transportart erachtet wird, leistet der Bund eine Starthilfe, indem er bis 1986 die entstehenden Defizite deckt. Zusätzlich zu diesen am Betrieb orientierten Massnahmen werden fest verzinsliche Bundesdarlehen im Umfang von 800 Mio Fr. in ein je nach Ertrag variabel zu verzinsendes Dotationskapital umgewandelt, wodurch sich der Zinsendienst der SBB um jährlich 140 Mio Fr. reduziert. Insgesamt beläuft sich die Entlastung der SBB-Rechnung im ersten Jahr auf rund 480 Mio Fr.
Der Nationalrat hiess die Vorlage im Herbst gut, und unter der Voraussetzung, dass auch der Ständerat zustimmen würde, konnte man bereits für 1982 eine Reduktion des SBB-Defizits von den budgetierten 796 Mio auf wenig mehr als 300 Mio Fr. erwarten. Auf den Bundeshaushalt wirkt sich das Massnahmenpaket im Saldo kurzfristig nicht aus, da er bisher ohnehin für den ganzen Fehlbetrag aufzukommen hatte. Hingegen wird erwartet, dass sich längerfristig die psychologischen Effekte, welche von der Reduktion des Betriebsdefizits ausgehen könnten, und die vermehrte kommerzielle Freiheit (v.a. im Güterverkehr) auf die Ertragsverhältnisse der SBB positiv auswirken werden [11].
Die SBB setzten die Bemühungen um die Steigerung ihrer Wirtschaftlichkeit fort. Mit einem Aktionsprogramm für die Jahre 1982–84 will man Verbesserungen im Bereich der Verwaltung, der Leistungskontrolle und der Fahrzeugreservehaltung erzielen. Auch soll zukünftig grösseres Gewicht auf das Marketing, d.h. auf die Absatzförderung und die Anpassung der Leistungen an die Nachfrage, gelegt werden [12]. Obwohl im internationalen Vergleich bereits heute die schweizerischen Bahnen sehr rege benutzt werden (sowohl bezüglich der Anzahl Fahrten als auch der zurückgelegten Distanz je Einwohner liegt die Schweiz deutlich vor allen andern Staaten Europas), ist ein weiterer Ausbau ihrer Attraktivität vorgesehen. Kurzfristig geschieht dies bereits im Sommer 1982 mit der Einführung eines integralen Taktfahrplans, der als Nebeneffekt eine beträchtliche Angebotserweiterung zur Folge hat [13].
Längerfristig ist geplant, mit dem Bau neuer Eisenbahnlinien Kapazitätsengpässe zu vermeiden und dem Konkurrenzdruck des Strassenverkehrs standzuhalten. Im Vordergrund stehen dabei eine zusätzliche Bahnverbindung (Neue Haupttransversale, NHT) zwischen den grossen Zentren des Mittellandes und ein neuer Alpentransittunnel. Während die für die NHT projektierte Linienführung bei einem Teil der betroffenen Bevölkerung im bernischen und solothurnischen Mittelland auf heftige Opposition stösst [14], bewerben sich die Behörden der meisten Kantone der Ostschweiz einerseits, der Zentral- und Nordschweiz anderseits darum, dass die neue Alpendurchquerung durch ihren Landesteil geführt wird [15]. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung des Eisenbahngesetzes, welche die Planung neuer Eisenbahnanlagen durch die Einfiihrung eines befristeten Überbauungsverbots für beanspruchte Privatgrundstücke erleichtern will, passierte den Nationalrat ohne grundlegende Modifikationen [16].
Verschiedentlich war im Zusammenhang mit den generellen Subventionskürzungen zur Sanierung der Bundesfinanzen bemängelt worden, dass die Zahlungen, die der Bund für gemeinwirtschaftliche Leistungen der nicht bundeseigenen Eisenbahnen (sogenannte Privatbahnen) leistet, als Subventionen eingestuft werden. Dies hat unter anderem zur Folge, dass Kantone, deren öffentlicher Regionalverkehr in hohem Mass von Privatbahnen bewältigt wird, bei Subventionskürzungen gegenüber den aus historischen Gründen von den SBB besser bedienten Kantonen benachteiligt sind. Gegen den Widerstand des Vorstehers des Finanzdepartementes überwiesen beide Räte Motionen, welche eine finanzrechtliche Gleichstellung der Abgeltungen für die Privatbahnen mit denjenigen für die Bundesbahnen fordern. Die Volkskammer verlangte zudem ebenfalls mit einer Motion die Vereinheitlichung der Berechnungsmethoden für diese Abgeltungszahlungen [17]. In Zusammenarbeit mit der Bundesverwaltung und den Kantonen schätzten die konzessionierten Transportunternehmungen des öffentlichen Verkehrs ihren Investitionsbedarf für die Erneuerung von Anlagen und Fahrzeugen in der Periode 1982—86 auf rund 1,7 Mia Fr. Wie bereits in früheren Jahren hätten diese Aufwendungen zu je einem Drittel vom Bund, den interessierten Kantonen und den Transportunternehmungen aufgebracht werden sollen. Infolge der schlechten Finanzlage beantragte indessen die Iandesregierung, dass der Bund nur 515 anstelle der vorgesehenen 559 Mio Fr. bezahle und diesen Rahmenkredit nicht auf fünf, sondern auf sechs Jahre verteile; dieses Vorgehen fand die Zustimmung des Parlamentes [18].
In der Waadt setzen die Behörden alles daran, die von Betriebseinstellung bedrohte Privatbahn Aigle-Sépey-Les Diablerets zu erhalten. Obwohl Experten den Ersatz durch einen Autobusbetrieb vorschlagen, soll die während langer Zeit vernachlässigte Bahn erneuert werden. Nachdem das Kantonsparlament auf Antrag der Regierung einen Kredit von 16,4 Mio Fr. bewilligt hat, ist die Frage offen, ob das EVED von seiner bisherigen ablehnenden Haltung abrückt und eine Bundesbeteiligung an den Investitionskosten befürwortet [19].
Nach rund achtjähriger zwischenfallreicher Bauzeit konnte beim Furkatunnel, der mit 15,4 km der längste Schmalspurbahntunnel der Welt sein wird, der Durchstich gefeiert werden. Die Betriebsaufnahme ist für den Sommer 1982 vorgesehen [20].
 
[9] Rechnung 1980: BBl, 1981, II, S. 409 ff. und 625; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 516 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 264 ff. Rechnung 1981: NZZ, 90, 20.4.82. Budget 1982: BBl,1981, III, S. 885 ff. und 1138 ; Amtl. Bull. NR, 1981, 5.1507 ff. und 1517 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 501 ff. Tariferhöhung: Vat., 146, 27.6.81; Bund, 165, 18.7.81. Der Tarifbildungsbeschluss, welcher die Grundsätze für die Preisbildung bei Bundes- und Privatbahnen bestimmt, wurde von beiden Kammern diskussionslos verlängert (BBl, 1981, II, S. 1069 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 386 f.; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1533 f.; AS, 1981, S. 2085 ff.).
[10] Amtl. Bull. NR, 1981, S. 379 ff. und 384 ff.
[11] SPJ, 1979, S. 101; BBl, 1981, II, S. 469 ff.; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1160 ff. und 1186 ff.; Bund, 267, 14.11.81. Kritik am Konzept des Leistungsauftrags übt H.R. Meyer, «Bundesbahnpolitik auf verfehltem Kurs», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 117/1981, S. 617 ff.
[12] BaZ, 235, 8.10.81; TA, 260, 9.11.81; W. Latscha, Wie sehen die SBB ihre Zukunft, Bern 1981 ; H. Diemant, «Das neue Finanz- und Rechnungswesen (FIRE) der Schweizerischen Bundesbahnen», in Schweiz. Zeitschrift für Verkehrswirtschaft, 36/1981, Nr. 3, S. 15 ff. Vgl. im weitem die extern erstellte Analyse Expertise SBB 1980. Unternehmensstruktur und Produktivitätsreserven, Zürich 1981, sowie Stellungnahme der SBB zu den im Zusammenhang mit der Botschaft zum Leistungsauftrag erstellten Gutachten, Bern 1981 und wf, Dok., 43, 26.10.81.
[13] NZZ, 125, 2.6.81; 269, 19.11.81; Amtl. Bull. NR, 1981, S.1063. Kritik am neuen Fahrplankonzept : R. Haudenschild, Taktfahrpläne im In- und Ausland. Das Projekt der Schweizerischen Bundesbahnen und seine Wirtschaftlichkeit, Bern 1981. Zur Bahnbenutzung im internationalen Vergleich siehe LITRA, Jahresbericht, 1980/81, S. 21f
[14] NHT: H. Meiner, «Die Zukunft der Eisenbahn muss heute vorbereitet werden», in Schweiz. Zeitschrift für Verkehrswirtschaft, 36/1981, Nr. 2, S.11 ff.; Ww, 51, 16.12.81; 53, 30.12.81. Die Opposition wird zwar hauptsächlich von der Landwirtschaft getragen, aber auch die Regierung von SO äussert sich aus siedlungspolitischen Gründen gegen eine die grossen Zentren verbindende Schnellbahn (Bund, 199, 27.8.81, 283, 3.12.81; 295, 17.12.81). Siehe ebenfalls Amtl. Bull. NR, 1981, S. 12 ff. (Ablehnung einer Motion Oehen, na, BE, gegen die NHT) und SPJ, 1978, S. 102. An die im Berichtsjahr eröffnete französische Schnellbahn zwischen Paris und Lyon (TGV) ist seit Ende September auch Genf angeschlossen, der Anschluss von Lausanne ist für später geplant (TLM, 269, 26.9.81 NZZ, 258, 6.11.81; vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1981, 5.913 f.).
[15] Ober die allfällige Linienführung (Gotthard oder Splügen), nicht aber über das Prinzip einer neuen Bahnalpentransversale führte der BR eine Vernehmlassung durch (BaZ, 14, 17.1.81; NZZ, 14, 19.1.81; SGT, 36, 13.2.81). Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1981, S.1788 ; LNN, 243, 20.10.81; SPJ, 1980, S. 102 sowie die Aufsätze in der Schweiz. Zeitschrift für Verkehrswirtschaft, 36/1981, Nr. 2, S. 3-14.
[16] SPJ, 1980, S. 101f ; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1461 ff.
[17] SPJ, 1980, S. 101; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 813 ff., 1198 ff. und 1969; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 238 f.
[18] BBl, 1981, II, S. 1392 ff.; III, S.1137; Amtl. Bull. NR, 1981, S. 1136 ff.; Amtl. Bull. StR, 1981, S. 467 ff.; TA, 195, 25.8.81. Für den letzten Rahmenkredit, dessen Dauer ebenfalls von fünf auf sechs Jahre verlängert worden war, vgl. SPJ, 1975, S. 108 und 1976, S. 101. Siehe auch K. Kieliger, Die Subventionen an die schweizerischen Privatbahnen — Eine Erfolgskontrolle, Zürich 1981.
[19] 24 Heures, 32-34, 9.-11.2.81; 269, 19.11.81; 275, 1.12.81; TLM, 304, 31.10.81. Die Walliser Regierung ihrerseits wandte sich gegen die von den Experten empfohlene Aufhebung des Teilstücks Aigle-Monthey der von Aigle nach Champéry führenden Bahn (24 Heures, 165, 18.7.81). Siehe ebenfalls SPJ, 1980, S. 102.
[20] NZZ, 95, 25.4.81; Presse vom 1.5.81; siehe auch SPJ, 1980, S. 102.