Année politique Suisse 1981 : Politique sociale / Groupes sociaux / Ausländischen Bevölkerung
Im Vorfeld des
Abstimmungskampfes um die «Mitenand»-Initiative, die 1977 eingereicht und 1980 von den Räten dem Volk zur Ablehnung empfohlen werden war, entfachte der Abstimmungstermin eine Auseinandersetzung. Aus den Reihen der CVP und der SP wurde der Termin als verfrüht kritisiert, da der Entwurf des Ausländergesetzes noch nicht definitiv vorliege. In einer Interpellation forderte Nationalrat Morel (sp, FR) den Bundesrat auf, sein Vorgehen zu rechtfertigen
[2].
In der ganzen Diskussion vor der Abstimmung
dominierte die Frage des Saisonnierstatuts. Während hauptsächlich humanitäre Argumente für die Abschaffung der nur saisonalen Aufenthaltsbewilligung ins Feld geführt wurden, betonten die Gegner der Initiative die wirtschaftliche und staatspolitische Notwendigkeit einer Beibehaltung. So machten sich vor allem industrielle und gewerbliche Kreise gegen die Initiative stark. Sie prophezeiten schwerwiegende Folgen für die Wirtschaft im Falle einer Annahme und befürchteten auch eine Gefährdung des sozialen Friedens. Klein- und Mittelbetriebe sahen das Arbeitskräfteangebot gefährdet, und insbesondere das Bündner und Walliser Gastgewerbe erklärte sich in seiner Existenz bedroht, da die Saisonniers nach Erhalt einer Jahresaufenthaltsbewilligung eine Ganzjahresstelle im Mittelländ suchen würden
[3].
Von den grossen Dachorganisationen der Arbeitnehmer gab einzig der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) keine Ja-Parole heraus. Der Schweizerische Metall- und Uhrenarbeitnehmerverband (SMUV) und der Verband der Arbeitnehmer in Handels-, Transport- und Lebensmittelbetrieben der Schweiz (VHTL) beschlossen wie der gewerkschaftliche Dachverband Stimmfreigabe. Während der Vorstand des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes und die Schweizerische Bischofskonferenz sich positiv zur Zielsetzung der Initiative äusserten, allerdings mit Bezug auf deren Durchführbarkeit Bedenken anbrachten, sprachen sich am Delegiertenkongress der CVP 60% gegen das Volksbegehren aus, obwohl diese Partei es anfänglich unterstützt hatte. Einige Kantonalparteien empfahlen daraufhin trotzdem ein ja. Weitere Ja-Parolen gaben der Landersring der Unabhängigen, die Liberalsozialistische Partei sowie der Christlichnationale Gewerkschaftsbund und der Verband evangelischer Arbeitnehmer aus. In Zürich wirbelte ein ökumenischer «Mitenand»-Gottesdienst, der im Vorfeld der Abstimmung abgehalten und durch Mitglieder der Nationalen Aktion gestört wurde, einigen Staub auf
[4].
In der Abstimmung vom 5. April wurde die «Mitenand»-Initiative bei einer Stimmbeteiligung von 39,9%
mit 1304153 Nein zu 252 531 Ja und von allen Ständen über Erwarten stark verworfen. In Kommentaren aus Kreisen der Befürworter wurde vor allem die Angst vor der ausländischen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für den Ausgang verantwortlich gemacht, während die Gegner der Initiative das Ergebnis als klares Verdikt für die durch den Bundesrat vorgezeichnete Ausländerpolitik interpretierten. Eine Nachanalyse förderte eine schwer fassbare Angst vor der Überfremdung als wichtigstes Motiv gegen das Volksbegehren ans Licht
[5]. Nachdem der italienische Aussenminister schon vor der Abstimmung seine Sympathie für die Initiative kundgetan hatte, bedauerten die Reaktionen aus dem Ausland, allen voran aus Italien, das Ergebnis des Urnengangs
[6].
[2] TLM, 9, 9.1.81; Vr, 7, 12.1.81; Vat., 17, 22.1.81; Suisse, 76, 17.3.81. Antwort des BR: Amtl. Bull. NR, 1981, S. 401 ff.; NZZ, 63, 17.3.81.
[3] Saisonnier-Statut: TA, 72, 27.3.81; 24 Heures, 72, 27.3.81; Ww, 72, 27.3.81; VO, 13, 2.4.81; TLM, 89-92, 20.3.-2.4.81. Gewerbekreise; TA, 19, 24.1.81; 61, 14.3.81. Folgen: wf, Dok.,10, 9.3.81; JdG,66, 20.3:81; CdT. 74, 31.3.81.
[4] SGB, 11,19.3.81; TLM, 56, 25.2.81. Kirchen : Vat., 40, 18.2.81; BaZ, 42, 19.2.81; TA, 41, 19.2.81; NZZ, 43, 22.2.81. Parolen anderer Parteien sowie der Kantonalparteien: TA, 77, 2.4.81. «Mitenand»-Gottesdienst: NZZ, 66, 20.3.81; 68, 22.3.81; 69, 24.3.81; Vr, 62, 20.3.81.
[5] BBl, 1981, II, S. 196f.; Presse vom 6.4.81. Motive: Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 5.4.81.
[6] BaZ, 31, 6.2.81; 57, 9.3.81; 82, 7.4.81; SGT, 74, 30.3.81; TLM, 97, 7.4.81; Vr, 70, 9.4.81. .
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