Année politique Suisse 1981 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Primar- und Mittelschulen
Unter den Bemühungen um interkantonale Koordination auf der Stufe der Primar- und Mittelschulen lag das Hauptgewicht auf der Frage des einheitlichen Schuljahrbeginns. Eine zentralstaatliche Lösung durch eine Regelung in der Bundesgesetzgebung strebt die im Februar eingereichte «Volksinitiative für die Koordination des Schuljahrbeginns in allen Kantonen» an, die von zwölf freisinnigen Kantonalparteien lanciert wurde [6]. Auf der Grundlage des kooperativen Föderalismus wird eine Vereinheitlichung des Schulanfangs durch koordinierte Bemühungen in den Ständen Zürich und Bern versucht, denen in dieser Frage eine Schlüsselposition zukommt. Im Mai beschloss der Grosse Rat des Kantons Bern, den Beginn des Schuljahres 1983/84 vom 1. April auf den 1. August zu verlegen und diesen Beschluss dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Im August aber votierte der Zürcher Kantonsrat für Nichteintreten auf eine entsprechende Gesetzesvorlage, worauf Bern die Volksabstimmung aussetzte. Zentralschweizerische Kantone befürchteten bereits, sie würden durch den Zürcher Entscheid zur Rückkehr zum Frühjahrschulbeginn gezwungen. Im September unterstützte das Zürcher Kantonsparlament aber eine Behördeninitiative der Schulpflege Stallikon für den Spätsommerbeginn und machte somit den Weg frei für einen Volksentscheid [7].
Hinter den Bestrebungen nach Vereinheitlichung des Schulanfangs traten die Bemühungen um die innere Koordination, d.h. einer gegenseitigen Abstimmung der Lehrpläne, des Beginns des Fremdsprachenunterrichts und des Übertritts in die Oberstufe, zurück. Im Kanton Genf, dessen Schulsystem lange Zeit als Paradebeispiel moderner Reformtätigkeit galt, zeigten sich sogar starke Tendenzen, die Entwicklungen der vergangenen Jahre wieder rückgängig zu machen. Nachdem sich im Frühling die Reformkräfte in einer Volksabstimmung über die Abschaffung der traditionellen Schülerpreise nochmals durchzusetzen vermocht hatten, lancierte die Liberale Partei im Herbst eine Initiative, die eine Reorganisation der vereinheitlichten Orientierungsstufe fordert, da sie die bestehende Ordnung für eine Nivellierung nach unten verantwortlich macht. Mit dem Vorstoss möchten die Liberalen auch unkontrollierbaren Schulexperimenten durch eine erweiterte Regierungsaufsicht ein Ende setzen [8].
Aufgrund der stark diskutierten Forderung nach Gleichberechtigung der Frau wirkte in der Frage der gleichen Ausbildung für Knaben und Mädchen ein kräftiger Reformdruck. Obwohl die entsprechenden Gesetze in Revision sind, boykottierten in Zürich einige Schülerinnen den obligatorischen hauswirtschaftlichen Fortbildungskurs und beriefen sich in ihrer Rechtfertigung auf den angenommenen Verfassungsgrundsatz der gleichen Rechte von Mann und Frau. Im Jura wurde freilich eine junge Frau mit Gefängnis bestraft, weil sie sich geweigert hatte, das hauswirtschaftliche Obligatorium zu besuchen [9]. Im Kanton Zug entsprach der Regierungsrat parlamentarischen Vorstössen und erliess versuchsweise eine neue Stundentafel für die Sekundarstufe, in der ein Grundkurs in Hauswirtschaft für beide Geschlechter obligatorisch ist. In Luzern startete der VPOD eine Volksinitiative «Gleiche Grundausbildung für Mädchen und Knaben», und der Solothurner Regierungsrat unterstützte eine im Vorjahr eingereichte entsprechende Initiative [10]. Auch bei der Revision des Aargauer Schulgesetzes wurde der Fragenkomplex des geschlechtsspezifischen Unterrichts heftig diskutiert. Nach einem Rückzugsgefecht der SVP wurde schliesslich der Antrag der Regierung auf gesetzliche Verankerung des gleichen Fächerangebotes gutgeheissen und durch die anschliessende Volksabstimmung sanktioniert [11].
Die Tendenz, auch im Bildungssektor die Privatinitiative gegenüber dem öffentlichen Angebot zu stärken, führte zu verschiedenen Vorstössen auf kantonaler Ebene. Durch die Schaffung einer freien Konkurrenz zwischen privaten und öffentlichen Institutionen unter Anwendung eines vereinheitlichten Finanzierungssystems soll einem individuellen Recht auf freie Wahl des Bildungsganges zum Durchbruch verholfen werden. So wurde im März in Bern die «Volksinitiative für eine freie Schulwahl» eingereicht. Die politisch bunt zusammengesetzte Initiantengruppe fordert für Eltern, die ihre Kinder in Privatschulen schicken, die Rückerstattung der Kosten für Schulgeld und Lehrmittel, die sonst für die öffentliche Hand angefallen wären. Die SP hat sich gegen die Initiative ausgesprochen, weil ihre Vorschläge ohnehin privilegierten Kindern zugute kämen, dem Staat andererseits Gelder für die Schule entgingen und in der Konsequenz einer «Industrialisierung der Schule» Vorschub geleistet würde [12].
Noch radikaler wurde die Forderung nach einem Wettbewerb zwischen Privat- und Staatsschulen durch den Basler Landesring erhoben. Ein «Bildungsgutschein» soll eine umfassende Freizügigkeit eröffnen, wodurch Privatschulen für ihre Besucher kostenlos würden. Der Idee wurden in der katholischen Innerschweiz, wo mehrere kirchliche Bildungsinstitute angesiedelt sind, einige Sympathien entgegengebracht. Auch in Genf wurde eine Initiative für die freie Schulwahl lanciert, die für Eltern, die ihre Kinder in eine Privatschule schicken wollen, einen Abbau der finanziellen Belastung fordert [13].
Im Waadtland kam die 1960 begonnene Revision des Schulgesetzes zu einem vorläufigen Ende durch die Ablehnung in einer Volksabstimmung. Die Regierungsvorlage hatte vorgesehen, nach der vierten Klasse eine zweijährige Phase der Beobachtung und Orientierung mit Niveaukursen in den wichtigsten Fächern einzuführen. So sollte die Weichenstellung für die verschiedenen Ausbildungsgänge, die nach geltendem Gesetz nach der vierten Klasse erfolgt, erst mit dem Übertritt ins siebte Schuljahr vorgenommen werden. Das Reformvorhaben ging einem Teil der Liberalen zu weit, den Kommunisten dagegen zu wenig weit, und die vom Grossen Rat gutgeheissene Fassung genügte auch den Sozialdemokraten nicht mehr. Das Referendum wurde aber schliesslich von Rechtskreisen ergriffen. Unmittelbar nach der relativ knappen Verwerfung kündigte die Linke eine Initiative «für eine echte Schulreform» an [14].
 
[6] Vgl. SPJ, 1980, S. 144; Mitteilungen der Schweiz. Dokumentationsstelle für Schul- und Bildungsfragen... (abgekürzt: Mitteilungen), 20/1981, Nr. 77, S. 53 ff.; BBI, 1981, II, S. 1266.
[7] Mitteilungen, 20/1981, Nr. 79, S. 61 f. Bern : Presse v. 4. und 5.2., 6.5., 20.8. und 10.9.81. Zürich : Presse vom 11.8., 15.8., 15.9. und 8.12.81.
[8] JdG, 206, 4.9.81; 207, 5.9.81; 255, 2.1 1.81 (Interview mit A. Chavanne). Schülerpreise : Presse vom 11.5.81; BaZ, 210, 9.9.81.
[9] Zürich: NZZ, 60, 13.3.81; TA, 152, 4.8.81; Vr, 164, 26.8.81. Jura: TLM, 46, 15.2.81; 145, 25.5.81; 234, 22.8.81.
[10] Zug: Vat., 105, 7.5.81; 228, 2.10.81. Luzern : Vat., 76, 1.4.81; BaZ, 81, 6.4.81. Solothurn : TA, 246, 23.10.81; SZ, 297, 19.12.81.
[11] AT, 42, 20.2.81; 46, 25.2.81; 52, 4.3.81; 64, 18.3.81; Presse v. 28.9.81. Kernstück der Aargauer Schulgesetzrevision war die Einführung des obligatorischen 9. Schuljahres. Umstritten war aber vor allem die direkte Volkswahl für Primarlehrer.
[12] Vgl. SPJ, 1980, S. 146; Bund, 49, 28.2.81; BaZ, 55, 6.3.81; TW, 75, 31.3.81; Mitteilungen, 20/1981, Nr. 79, S. 66.
[13] BaZ, 14, 17.1.81; 26, 31.1.81; 30, 5.2.81; Vat., 117, 21.5.81.
[14] Presse vom 13. und 17.1., 19.2., 3.3. und 28.9.81. Kritik: VO, 2, 15.1. ; 5, 5.2. ; 9, 5.3.81; Domaine public, 606, 24.9.81. Initiative: BaZ, 227, 29.9.81.