Année politique Suisse 1981 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
 
Kultur
Die Kulturpolitik [1] des Jahres 1981 gab verschiedentlich Anlass zur Diskussion des Verhältnisses der Kulturschaffenden zu Staat und Institutionen. Mit Ausnahme von einzelnen Vorstössen in kantonalen oder kommunalen Parlamenten blieb es dabei um die sogenannte alternative Kultur, im Gegensatz zum Vorjahr, eher still. Dies vor allem deshalb, weil viele Anhänger der Alternativkultur diese der vorhandenen entgegensetzen und das Einbringen ihrer Forderungen in den politischen Prozess mit seinen institutionellen Formen für unnötig halten. Dieser Verzicht auf formale Träger neuer Ideen führte dann zum Stagnieren der Bewegung, als das Alternative nicht stets von neuem propagiert werden konnte. Zudem stellte sich heraus, dass das Bunte, Phantasievolle und zum Teil Chaotische durchaus, und nicht im Sinne seiner Initianten, integriert und zum Beispiel für die Werbung vereinnahmt werden kann. Während sich die alternative Kultur der Integration möglichst entziehen will, sind sich andere kritische Kulturschaffende, die 'auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, den Gefahren dieser Integration offenbar bewusst.
Die im August nach langer Ungewissheit über das Zustandekommen schliesslich doch mit über 122 000 Unterschriften eingereichte «Eidgenössische Kulturinitiative» lässt Kulturbegriff und Kulturverständnis im Unbestimmten und legt nicht fest, wer welche Mittel wo einsetzen soll. Stein des Anstosses für die meisten Kritiker der im übrigen mit viel Sympathie aufgenommenen Initiative bildete die Festschreibung von einem Prozent der im Budget vorgesehenen Gesamtausgaben für Bundeskulturpolitik. Der von der Initiative postulierte neue Artikel 27septies der Bundesverfassung fordert aber auch, dass vor allem das aktuelle Kulturschaffeh gefördert und ermöglicht und dass eine Kulturgesetzgebung des Bundes erlassen wird. Um diese Anliegen zu retten und die Diskussion nicht den Finanzpolitikern zu überlassen, schlug die CVP die Ausarbeitung eines entsprechenden Gegenvorschlags vor. Diesem Vorgehen scheinen auch andere Parteien zustimmen zu wollen, während die FDP und der Gewerbeverband sich gegen die Initiative aussprachen. Allerdings wiesen Kritiker darauf hin, dass mit einem Artikel ohne Finanzbestimmung das Ganze im Sande des Verbalen verlaufen könnte [2].
Gesichert sind jedenfalls die erhöhten Beiträge an die Stiftung Pro Helvetia. Das entsprechend revidierte Bundesgesetz wurde vom Bundesrat auf den 1. Juli 1981 in Kraft gesetzt und gleichzeitig die Verordnung über die in diesem Erlass vorgesehene Rekurskommission verabschiedet. In Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage versicherte die Landesregierung, dass die Beiträge von Pro Helvetia an Dachorganisationen und Zentralorgane der Erwachsenenbildung angemessen erhöht würden und dass dieser Bereich in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt in der Inlandtätigkeit der Stiftung darstellen soll [3].
Der auch für Pro Helvetia zuständige Bundesrat Hürlimann bemerkte in einer Rede vor dem Schweizerischen Kunstverein, der Staat dürfe, wenn er dem Künstler vermehrte soziale Sicherheit gewähre, die Freiheit des Kunstschaffenden nicht beeinträchtigen, sondern er habe den notwendigen Freiraum zu garantieren, was nicht nur vom Staat, sondern von jedem einzelnen Bürger Verständnis und Toleranz verlange. Verschiedene Vorfälle im Kanton Zürich schienen die Akzente anders zu setzen. Dem Psychoanalytiker und Schriftsteller Paul Parin wurde eine Ehrengabe aus dem kantonalen Literaturkredit aus politischen Gründen verweigert, weil der Regierungsrat auch kulturell Schaffende bei ihren öffentlichen politischen Ausserungen behaften will. Er erklärte sich aber gewillt, weiterhin kritische Kulturschaffende auszuzeichnen, die seine politischen Meinungen nicht teilen. Diese empfinden dennoch ein Unbehagen, wenn sie einen Preis persönlich aus den Händen Regierungsrat Gilgens empfangen. Als ein Schriftsteller bei der Verleihung des Kulturpreises des Kantons Zürich sich diesem Brauch durch Nichterscheinen entzog und die Zürcher Filmpreisträger einen Teil ihrer Preissumme an Filmschaffende aus der Bewegung weitergaben, wurden auch die Erwartungen des Steuerzahlers in die Auseinandersetzung miteinbezogen : Die Schriftstellerin Anne Cuneo verdankte ihre Auszeichnung ausdrücklich dem Steuerzahler, Regierungsrat Gilgen verurteilte das Vorgehen der Filmer als Arroganz gegenüber dem Steuerzahler und die SVP-Kantonsratsfraktion meinte, dem Steuerzahler könne die Unterstützung von Leuten nicht zugemutet werden, die sich bei den zuständigen Stellen nicht bedankten. Deshalb seien die kantonalen Beiträge an die Zürcher Filmpreise zu streichen [4].
Aber auch die Zürcher Justizbehörden gerieten ins Blickfeld einer aufmerksam gewordenen Kritik. Der in den Jahren 1977 bis 1979 aktive «Sprayer von Zürich», dessen Spraybilder von manchen Kunstsachverständigen durchaus anerkannt werden, wurde im Berufungsverfahren vor Obergericht wegen wiederholter und fortgesetzter Sachbeschädigung in 181 Fällen zu neun Monaten Gefängnis mit unbedingtem Strafvollzug verurteilt. Seinen Figuren wurde dabei künstlerischer Gehalt abgesprochen und gar mangelnde Qualität vorgeworfen. Im Gegensatz dazu enthielt sich das Bundesgericht bei der Behandlung einer Nichtigkeitsbeschwerde in dieser Angelegenheit eines Kunsturteils. Nach seinem Entscheid hat aber jeder Eigentümer ein Recht auf das von ihm gewünschte Mauerweiss (oder Betongrau) [5].
Politische Kriterien bei der Förderung des künstlerischen Schaffens beim Film sollen mit der bevorstehenden Revision des Filmgesetzes ausgeschlossen werden, indem die endgültige Entscheidungskompetenz über die Filmförderung vom Bundesrat an die Eidgenössische Filmkommission delegiert wird. Die entsprechende Botschaft kann laut Zwischenbericht über die Richtlinien vom Bundesrat im Jahre 1982 verabschiedet werden, während die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel im Rahmen der jährlichen Voranschläge erfolgen soll. Die Bundessubventionen zur Förderung des Filmwesens wurden 1981 nur um 5 statt um 10% gekürzt. Hingegen blieben Versuche des Bundesamts für Kulturpflege, vermehrt die private Wirtschaft für die Filmförderung zu gewinnen, einstweilen ohne Erfolg. Wegen der sehr hohen Produktionskosten stehen im Gegensatz zu früher die Bundesleistungen in der Regel am Anfang der Finanzierung eines Films, so dass private Geldgeber zögern, wenn ein Filmprojekt nicht durch Bundesunterstützung eine faktisch offizielle Beglaubigung erhalten hat. Da der neue Schweizer Film ohnehin mit negativen Vorurteilen belastet und dem Misstrauen der Politiker ausgesetzt ist, scheinen die Bundesstellen vor allem den Projekten von kritischen Filmschaffenden mit grosser Vorsicht und Zurückhaltung zu begegnen [6].
Bei der Musik wurde insbesondere eine Verbesserung der Situation der Strassenmusik, namentlich in den Städten Luzern, Basel und Bern, registriert [7]. Die Stadtzürcher Regierung beantwortete die im Vorjahr eingereichte Pop-Initiative der SP mit einem Projekt (9,2 Mio Fr.) für eine Pop-Halle und mit der Schaffung eines entsprechenden Verwaltungsressorts. Sie entsprach damit aber gerade nicht den Forderungen der nicht-klassischen Musikkultur, die keine Kulturkonsumpaläste, sondern Übungsräume, Unterstützung nichtkommerzieller Konzerte und Veranstaltungen sowie eine bessere Nutzung der «Roten Fabrik» anstrebt. Dieser Vorfall unterstrich einmal mehr die bestehenden Verständnisschwierigkeiten zwischen etablierter und nichtetablierter Kultur [8].
 
[1] Aufsätze allgemeiner Art zur Kulturpolitik: Alliance culturelle romande, Les pouvoirs publics et la culture, Pully 1981; A. Krättli, «Kulturpolitik — das grössere Defizit», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 75 ff.; Kellenberger, «Kunst oder Kultur? Bemerkungen zur Neuorientierung der Kulturpolitik», in Schweizer Monatshefte, 61/1981, S. 319 if.; N: Sombart, « Politik braucht neue Substanz — Warum "Kulturpolitik" heute (so) wichtig ist», in Civitas, 36/1980-81, S. 731 ff.
[2] BBl, 1981, III, S. 176 ff. ; 24 Heures, 79, 4.4.81; Bund, 124, 30.5.81; 162, 15.7.81; NZZ, 152, 4.7.81; 170, 25.7.81; LNN, 161, 15.7.81; BaZ, 163, 16.7.81; Vat., 174, 30.7.81; TA, 183, 11.8.81; Presse vom 12.8.81; SGZ, 34, 20.8.81; vgl. SPJ, 1980, S. 153.
[3] Beiträge 1981-1983: BBl, 1981, lI, S. 627. Gesetz und Verordnung: AS, 1981, S. 821 ff.; NZZ, 136, 16.6.81. Ernennung der Rekurskommission: Vat., 275, 26.11.81. Einfache Anfrage Schmid (sp, SG) : Amtl. Bull. NR, 1981, 1413 f ; Vat., 225, 29.9.81; vgl. SPJ , 1980, S. 152 f.
[4] Rede Hürlimanns: Vat., 248, 26.10.81. Fall Parin: Bund, 66, 20.3.81; NZZ, 66, 20.3.81. Kulturpreis: NZZ, 271, 21.11.81; TA, 271, 21.11.81. Filmpreis: NZZ, 284, 7.12.81; TA, 284, 7.12.81; 287, 10.12.81.
[5] NZZ, 25, 31.1.81; 34, 11.2.81; 140, 20.6.81; 259, 7.11.81; 282, 4.12.81; BaZ, 140, 19.6.81; 141, 20.6.81; 221, 22.9.81; TA, 140, 20.6.81; 282, 4.12.81; Bund, 142, 22.6.81; Ww, 26, 24.6.81; vgl. SPJ, 1979, S. 160. In einem zweiten Prozess wurde der Sprayer Harald Naegeli wegen nachträglicher Ausbesserung einer Figur zu weiteren zehn Tagen Gefängnis unbedingt verurteilt; vgl. NZZ, 268, 18.11.81.
[6] Richtlinien: BBl, 1981, III, S. 700 f. Subvention 1981: AS, 1981, 5.1619 f.; TA, 197, 27.8.81. Gesetzesrevision, Finanzierung: Vat., 13, 17.1.81; Ww, 4, 21.1.81; Bund, 19, 24.1.81; NZZ, 105, 8.5.81; 265, 14.11.81; vgl. SPJ, 1980, S.154 f.
[7] BaZ, 14, 17.1.81; Vat., 105, 7.5.81; Bund, 109, 12.5.81; TW, 149, 30.6.81; LNN, 211, 12.9.81.
[8] NZZ, 223, 26.9.81; TA, 229, 3.10.81; vgl. SPJ, 1980, S. 153 f. Andernorts scheint das Problem der Probelokalitäten eher gelöst zu sein; so wurde namentlich Luzern als schweizerischer Modellfall dargestellt; vgl. Vat., 184, 11.8.81; 289, 14.12.81; LNN, 184, 11.8.81.