Année politique Suisse 1981 : Enseignement, culture et médias / Médias
Medienpolitik
Ähnlich wie im Bereich der Kernenergie scheint sich bei den Medien der Widerstand gegen die neuen technischen Möglichkeiten mit ihren noch unabsehbaren Auswirkungen spät zu artikulieren. Jedenfalls ist eine Diskussion über Sinn und Bedürfnis der neuen Medien nur in Ansätzen vorhanden, während die Kommunikations- und Elektronikindustrie mit ausgereiften Projekten bereitsteht und der für die Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen einer Medienordnung zuständigen Kommission nur noch die Form ihrer rechtlichen Verankerung überlässt
[1]. Die Arbeiten an der
Medien-Gesamtkonzeption konnten nicht wie vorgesehen abgeschlossen werden, weil unter anderem auch Minderheitsanträge ausformuliert werden sollten. Ihre Verabschiedung wurde auf Frühjahr 1982 in Aussicht gestellt. Diese Terminverschiebung war insofern bedeutend, als der Bundesrat eine Reihe dringender medienpolitischer Entscheide (Satellitenfernsehen, definitive Kabelrundfunkordnung, Radio- und Fernsehgesetz, drittes Radioprogramm, Presseförderung) erst nach Kenntnis des Berichts fällen wollte. Kommissionspräsident Kopp vertrat allerdings die Meinung, dass Entscheide schon in blosser Kenntnis des Entwurfs für den Schlussbericht getroffen werden könnten. Die Kommission sah sich auch grundsätzlicher Kritik ausgesetzt, die auf die Vernachlässigung des wirtschaftlichen Einflusses und auf die Verschleierung von Interessengegensätzen hinwies
[2].
Die Medien-Gesamtkonzeption befasst sich ebenfalls mit Fragen der Information und scheint auch auf diesem Gebiet das Aufschieben von Entscheiden zu fördern; so beschloss eine Nationalratskommission, ihre Arbeiten zur parlamentarischen Initiative Bäumlin (sp, BE) betreffend
Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende bis zum Vorliegen des Berichts vorläufig zu sistieren. Besser erging es der in gleicher Sache, aber mit erweiterter Zielsetzung eingereichten Motion Binder (cvp, AG), die vom Ständerat überwiesen wurde; der Passus über das Zeugnisverweigerungsrecht allerdings nur als Postulat
[3]. Beide Vorstösse waren als Reaktion auf die zurückhaltende Informationspolitik und die daraus resultierenden Indiskretionen lanciert worden. Verschiedene solcher Fälle wurden 1981 von den Gerichten beurteilt. Aufsehen erregte derjenige des «Weltwoche»-Journalisten Keiser, der wegen Veröffentlichung von Berichten zur Affäre des ehemaligen Nachrichtendienstobersten Bachmann der wiederholten vorsätzlichen landesverräterischen Verletzung militärischer Geheimnisse angeklagt wurde und der sich deswegen in einem Geheimprozess vor Divisionsgericht verantworten musste. Auffallend war dabei die Diskrepanz zwischen Anklage und Urteil
[4].
Mit der Wahl des Journalisten Achille Casanova zum Vizekanzler und Informationsbeauftragten des Bundesrats verknüpften sich breite Hoffnungen auf einen neuen und effizienteren
bundespolitischen Informationsstil. Die Landesregierung gedenkt selbst dazu beizutragen und stellte eine präzisere Information über ihre Entscheide und die Vororientierung der Presse über die Verabschiedung von Botschaften in Aussicht
[5]. Die verschiedentlich geforderte Öffentlichkeit von parlamentarischen Kommissionssitzungen möchten jedoch die eidgenössischen Räte nicht einführen, weil sie um die Qualität der Kommissionsarbeit fürchten. Dass eine liberalere Informationspolitik auf dem Rechtswege einstweilen nicht erwirkt werden kann, machte ein Urteil des Bundesgerichts deutlich, das eine staatsrechtliche Beschwerde gegen das 1980 von der Nidwaldner Regierung erlassene Informationsreglement behandelte. Die oberste Gerichtsinstanz stellte dabei fest, dass sich aus der Verfassung weder eine allgemeine Pflicht der Behörden, über ihre Tätigkeit zu informieren, noch ein Anspruch des einzelnen auf Information ableiten lasse
[6].
[1] Publikationen zu verschiedenen Aspekten der Medien: M. Frey-Iklé, Quellenverzeichnis über quantitative Angaben betreffend das Medien- und Kommunikationswesen in der Schweiz, Bern 1980; P. Hunziker, Gesellschaftliche Wirkungen der Massenmedien, insbesondere von Radio und Fernsehen, Bern 1980; A. Willener, La situation sociologique des media en Suisse, Bern 1981; Eine deformierte Gesellschaft. Die Schweizer und ihre Massenmedien, Basel 1981; «Brauchen wir neue Medien?», Heft Nr. 6 von Reformatio, 30/1981; R. Brodmann, «Wer die Medien hat, hat auch die Macht!», in Rote Revue, 60/1981, Nr. 1, S. 3 ff.; Der Staatsbürger, 1982, Nr. 1 (Medien-Nummer).
[2] Kommissionsarbeit: TA, 214, 16.9.81. Kopp: BaZ, 267, 14.11.81. Kritik: TA, 272, 23.11.81; TW, 274, 23.11.81. Vgl. SPJ, 1980, S. 157 f.
[3] Parlamentarische Initiative Bäumlin (sp, BE): NZZ, 22, 28.1.81; Suisse, 28, 28.1.81; vgl. SPJ, 1980, 5.159, wie auch für Motion Binder (cvp/AG) : Amtl. Bull. StR, 1981, S. 286 ff ; BaZ, 135, 13.6.81; TA, 64, 18.3.81; 134, 13.6.81; 268, 18.11.81; Ww, 26, 24.6.81; Vat., 131, 9.6.81; vgl. im übrigen die vom NR überwiesene Motion Jelmini (cvp, TI) betreffend Überprüfung der Aktenklassifikation: Amtl. Bull. NR, 1981, S.1313.
[4] Woche, 12, 27.11.81; Bund, 281, 1.12.81; NZZ, 279, 1.12.81; 281, 3.12.81; Presse vom 2.12.81; Ww, 50, 9.12.81. Keiser wurde nur in einem von sechs Anklagepunkten für schuldig befunden (fahrlässige Begehung). Urteil : 30 Tage Haft bedingt auf drei Jahre.
[5] Wahl Casanovas: BaZ, 158, 10.7.81; 186, 12.8.81; TA, 162, 16.7.81. Bundesrat: NZZ, 279, 1.12.81; 299, 24.12.81.
[6] Kommissionen: vgl. oben, Teil I, 1c (Parlament). Bundesgericht: TA, 82, 8.4.81; Vat., 82, 8.4.81; 288, 12.12.81; Presse vom 9.12.81.
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