Année politique Suisse 1981 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Im Bereich der Presse [7] besteht nach Ansicht der Exekutive keine akute oder generelle Krise, welche die sofortige Schaffung eines Presseförderungsartikels erfordern würde. In seiner Stellungnahme zu einer parlamentarischen Initiative in dieser Angelegenheit beantragte der Bundesrat, mit weiteren Beratungen zur Presseförderung bis zum Vorliegen des Berichts der Medien-Gesamtkonzeption und seines eigenen Zwischenberichts zuzuwarten. Genau dies hatte der Initiant, Nationalrat Muheim (sp, LU), eigentlich vermeiden wollen. Die Landesregierung vertrat im weitern die Ansicht, dass die Probleme der Presse nicht in erster Linie im wirtschaftlichen Bereich lägen [8]. Die Entwicklungen der letzten Jahre scheinen diese These eher zu widerlegen. Die Schweizerische Kartellkommission untersuchte die Anzeigensperre von einigen Automobilimporteuren gegenüber dem Zürcher «Tages-Anzeiger» und veröffentlichte ihren Schlussbericht, der allerdings auf eine endgültige Wertung der Affäre verzichtet. In Ermangelung eines Pressegesetzes stellte die Kommission Richtlinien zu einem Verhaltenskodex auf und gelangte im wesentlichen zum Ergebnis, dass eine von der Handels- und Gewerbefreiheit getragene Insertionsfreiheit bestehe, auch wenn die Inserenten Kartelle oder kartellähnliche Organisationen sind; diese dürften andererseits ihre Macht nicht durch einen Abbruch der Geschäftsbeziehungen missbrauchen, um die redaktionelle Linie zu beeinflussen. Da aber Anzeigen- und redaktioneller Teil einer Zeitung nicht losgelöst betrachtet werden könnten, gebe es eine Schwelle der redaktionellen Haltung, bei deren Übertretung ein Inserieren nicht mehr zumutbar sei. Die entscheidende Frage, ob dies beim «Tages-Anzeiger» der Fall war, wurde von der Kartellkommission jedoch nicht beantwortet, was ihr etliche Kritik eintrug. Auch wurde bezweifelt, ob sie die geeignete Instanz zur Formulierung eines Verhaltenskodexes in einem medienrechtlichen Niemandsland sei. Der Schweizerische Zeitungsverlegerverband sprach sich jedenfalls gegen diesen Kodex aus und hält einen Boykott wegen redaktioneller Ausrichtung für unannehmbar [9].
1981 kam vor allem der Wochenzeitungsmarkt in Bewegung. Der Ringier-Verlag startete im Herbst seine grossangekündigten Blätter «Die Woche» für die deutsche und «L'Hebdo» für die französische Schweiz. Die auf schweizerische Themen konzentrierten Nachrichtenmagazine geben sich einem Faktenjournalismus verpflichtet und werden in Zürich, Bern und Lausanne redigiert [10]. In der Westschweiz wurde ein anderes, von vier Grossverlagen getragenes Wochenzeitungsprojekt («Le Temps») noch vor Erscheinen von «L'Hebdo» wieder eingestellt. Im weitern verlor die linke, ursprünglich studentische Monatszeitung «Das Konzept» ihre Redaktion an die neulancierte «Wochenzeitung», die Gegeninformation liefern und einen radikalen Aufklärungsjournalismus betreiben will. Ebenfalls im Herbst erschien in Luzern die auf die Zentralschweiz ausgerichtete «Region», die sich ihre Handlungsfreiheit durch eine Selbstbeschränkung bei der Inseratenaufnahme bewahren will [11]. Dagegen wurde das Projekt einer grossen linken Tageszeitung, dem der SP-Parteitag von 1980 noch zugestimmt hatte, an einer medienpolitischen Arbeitstagung dieser Partei einstweilen aufs Eis gelegt und als utopisch bezeichnet. Aber auch das Verlagshaus Ringier überprüfte seine Vorhaben. Es will sich vorderhand voll auf die gedruckten Medien konzentrieren und auf ein Engagement im Bereich Radio/Fernsehen (Rückzug aus dem Projekt «Radio Uetli ») verzichten. Jedenfalls solange, als sich Wettbewerbssituation und Rechtsordnung nicht wesentlich ändern [12].
 
[7] Publikationen zu verschiedenen Aspekten der Presse: Politik und Publizistik — Publizistik und Politik. Festschrift für Oskar Reck, Aarau 1981; Beiträge zur Situation der Presse in der Schweiz, Bern 1981; A. C. Menétrey, Les relations entre la presse et les pouvoirs publics, Bern 1980; SJU, Aktionstag für die Pressefreiheit. Maulkorb? Nein danke! Dokumentation zur SJU/SSM-Kundgebung vom 9. August 1980; «Presserecht — Verfassungsgerichtsbarkeit. Zürich. Nichtzulassung eines Journalisten zu einem behördlichen Pressegespräch», in Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 82/1981, S. 35 ff.
[8] BBl, 1981, III, S. 972 ff.; Presse vom 29.10.81; BaZ, 289, 10.12.81; vgl. SPJ, 1979, S. 165 ; 1980, S.160. Die von NR A. Müller-Marzohl (cvp, LU) eingereichte Motion betreffend presse- und kartellrechtliche Vorschriften zur besseren Gewährung der inneren und äusseren Pressefreiheit wurde vom NR nur als Postulat überwiesen: Amtl. Bull. NR, 1981, S. 860 f.; NZZ, 53, 5.3.81; vgl. SPJ, 1980, S.160, Anm. 42. NR Müller hatte seinen Vorstoss aus Anlass von Redaktoren-Entlassungen eingereicht. Im Falle der «Thurgauer Zeitung» kündigten im Januar 16 Inlandkorrespondenten aus Protest und Solidarität mit vier Mitarbeitern, die Ende 1980 aus politischen Gründen mit Schreibverbot belegt worden waren; vgl. Presse vom 22.1.81.
[9] « Die Anzeigensperre von Automobilimporteuren gegenüber dem «Tages-Anzeiger», in Veröffentlichungen der Schweizerischen Kartellkommission, 16/1981, S. 41 ff.; Presse von 24.6.81; Ww, 27, 1.7.81; TA, 161, 15.7.81; NZZ, 233, 8.10.81; vgl. SPJ, 1979, S. 165.
[10] TA, 206, 7.9.81; 210, 11.9.81; 242, 19.10.81; 24 Heures, 211, 11.9.81; Presse vom 12.9.81.
[11] «Le Temps»: BZ, 29, 5.2.81; TLM, 84, 25.3.81; TA, 72, 27.3.81; BaZ, 201, 29.8.81; 24 Heures, 200, 29.8.81. «Die Wochenzeitung»: NZZ, 79, 4.4.81; TA, 79, 4.4.81; 151, 3.7.81; 228, 2.10.81; BaZ, 230, 2.10.81. « Die Region»: NZZ, 234, 9.10.81; TA, 234, 9.10.81; 259, 7.11.81; Vat., 234, 9.10.81; LNN, 258, 6.11.81; BaZ, 261, 7.11.81.
[12] SP: TA, 67, 21.3.81; NZZ, 68, 23.3.81. Ringier: BaZ, 135, 13.6.81.