Année politique Suisse 1982 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Christlich-demokratische Volkspartei
Nachdem im Vorjahr die Vertreter der sozialpolitischen Richtung in der Christlich-demokratischen Volkspartei (CVP) ihre Position organisatorisch gestärkt hatten, verbesserte nun der Gewerbeflügel seine Position. Im Kanton Schwyz konstituierte sich eine parteiinterne Vereinigung zur Stärkung der bürgerlichen Politik, während sich die Vertreter dieser Tendenz im Kanton Aargau bereits zwei Jahre zuvor einen organisatorischen Rahmen gegeben hatten. Daraus resultierte die Gründung einer nationalen «Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft und Gesellschaft». Diese versteht sich auch als Gegengewicht zur Christlichsozialen Parteigruppe innerhalb der CVP. Eine Vereinigung Gewerbe, Industrie und Handel wurde auch im Kanton Zürich gegründet; in Zug und Luzern wurden solche Gründungen vorbereitet. Die schweizerische Partei empfand diese Bestrebungen nicht als Gefährdung. Einige Stimmen kritisierten allerdings die starke Integration in eine Bürgerblockpolitik unter freisinniger Führung. Generalsekretär Fagagnini grenzte demgegenüber an der Delegiertenversammlung die christlichdemokratische Politik, die sich für Staat und Gemeinschaft einsetze, gegen den betont staatskritischen FDP-Slogan ab. Erstmals legte die 1980 eingesetzte Programmkontrollkommission einen Bericht vor und stellte bezüglich der Nein-Parole zur «Mitenand»-Initiative ein Abweichen der Tagespolitik von den gesellschaftspolitischen Leitideen fest [21].
Sicherheits- und aussenpolitische Fragen nahmen in der parteiinternen Diskussion einen breiten Raum ein. Eine entsprechende Tagung brachte das ganze Spektrum der Meinungen zum Ausdruck. Insbesondere die Junge CVP und die Frauen wollten die traditionelle Landesverteidigung nicht als einziges Instrument der Friedenspolitik akzeptieren. An ihrem eigenen Friedensseminar bezeichnete die Junge CVP die Entwicklungsund Menschenrechtspolitik als wichtige Elemente der Friedenssicherung. Die Jugendpartei beschloss ferner den Beitritt zum Forum für praxisbezogene Friedensforschung und zum Unterstützungskomitee für die eidgenössische Volksinitiative «für einen echten Zivildienst auf der Grundlage des Tatbeweises». Die Studiengruppe für Aussen- und Sicherheitspolitik der CVP beantragte den Parteigremien den Beitritt zur UNO unter Beibehaltung der dauernden und bewaffneten Neutralität [22]. Begrüsst wurde ferner die Diskussion über die von kirchlichen Jugendverbänden geforderte Amnestie für Jugendliche, die aufgrund der Unruhen strafverfolgt werden. In Erwägung gezogen wurde vorerst eine Teilamnestie, wie dies auch die Nationalratskommission vorgeschlagen hatte. Eine schwache Mehrheit der Fraktion kam jedoch schliesslich zur Auffassung, dass auch eine Teilamnestie eine nicht zu rechtfertigende Sonderbehandlung darstelle [23].
Mit dem Verlust der absoluten Mehrheit im Kanton Zug hat die CVP — nach Freiburg — zum zweiten Mal eine empfindliche Einbusse in einer ihrer Hochburgen hinnehmen müssen. Generalsekretär Fagagnini führte freilich das Zuger Ergebnis auf die dortige personelle Situation zurück; zwei Regierungsräte waren auch innerhalb der Partei umstritten gewesen. Persönliche Faktoren wurden auch bei der aufsehenerregenden Abwahl des christlichdemokratischen Ständeratspräsidenten an der Landsgemeinde in Obwalden ins Feld geführt [24]. In diesem Kanton machte die christlichsoziale Parteigruppe der CVP bei den Wahlen ins Kantonsparlament verschiedenenorts Konkurrenz. Erbost über den Wahlkampf der Christlichsozialen beschloss die CVP, die bisherige Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen. Dies obwohl die Statuten der Landespartei vorsehen, dass zwei anerkannte C-Parteien eine gemeinsame Fraktion zu bilden haben [25].
 
[21] Presse vom 10.5.82. Zum FDP-Slogan siehe unten, zur «Mitenand»-Initiative vgl. SPJ, 1981, S.141.
[22] Vat., 37, 15.2.82; 118, 24.5.82; 159, 13.7.82; BaZ, 42, 19.2.82.
[23] NZZ, 201, 31.8.82; 286, 8.12.82. Vgl. oben, Teil I, 7d (Jeunesse).
[24] Vat., 268,18.11.82; 270, 20.11.82; LNN, 269,19.11.82; 270, 20.11.82; vgl. oben, Teil I, ld (Zug, Ständerat). Die absolute Mehrheit besitzt die CVP noch in 5 der 6 Innerschweizer Kantone (UR, SZ, NW, OW, LU) sowie im VS und in Al (TA, 268, 17.11.82).
[25] Vat., 106, 8.5.82; 132, 11.6.82; 142, 23.6.82; 245, 26.6.82.