Année politique Suisse 1982 : Chronique générale / Défense nationale
 
Landesverteidigung und Gesellschaft
Fragen der Neutralitätspolitik wurden aufgeworfen, als anfangs 1982 eine Delegation arabischer Botschafter im Bundeshaus vorsprach und ihre Bedenken darüber äusserte, dass im Frühling 1979 zwei israelische Piloten während drei Wochen bei der Ausbildung schweizerischer Militärflieger mitgewirkt hatten, was die Öffentlichkeit erst jetzt erfuhr. Eher in der Eidgenossenschaft selber erregte ein russisches Flugzeug Aufsehen, das regelmässig für die Air India zwischen Neu Delhi, Moskau und Zürich Transporte durchführte und dabei im Mai mehrmals von der vorgeschriebenen Luftstrasse abwich und durch schweizerische Kampfflugzeuge nach Kloten geleitet wurde. Angesichts solcher Zwischenfälle stiessen sich einzelne bürgerliche Blätter daran, dass fast zur gleichen Zeit eine Delegation der schweizerischen Armeeführung der DDR-Wehrmacht einen Gegenbesuch abstattete [1].
Das Verhältnis zum Ausland wurde auch aufgegriffen in einer Interpellation der PdA/PSA/POCH-Fraktion des Nationalrates. Sie erkundigte sich nach der grenznahen Stationierung von Atomwaffen in benachbarten Staaten und nach den schädlichen Auswirkungen, die davon im Kriegsfall für die Schweiz zu befürchten wären. Der Bundesrat antwortete, es gebe keine völkerrechtlichen Handhaben, um anderen Ländern Waffenstandorte vorzuschreiben, und überdies seien solche vermutlich nicht stärker gefährdet als die übrigen Gegenden [2].
Über die Richtung der militärischen Planung gab ein Armeeleitbild Auskunft, welches die Spitzen der Armee an einem zweitägigen Symposium in Magglingen den Medienvertretern vorstellten. Es bringt keine revolutionären Neuerungen, ist zeitlich nicht begrenzt und stellt einen langfristigen Bezugsrahmen dar, der in vierjährigen Ausbauschritten verwirklicht werden soll. Für den ersten davon (1984-1987) sind Ausgaben von 5,89 Milliarden Fr. vorgesehen. Sie dienen vorweg zur Beschaffung einer ersten Tranche von 140 Kampfpanzern, welche die alten Panzer 61 und die Centurion 55/77 ersetzen, wobei noch kein Entscheid zwischen dem deutschen Leopard 2 und dem amerikanischen M 1 gefallen ist. Zur Erhöhung der Panzerabwehrkraft dient bei der Infanterie eine Antitanklenkwaflè, die sich auf dem Gefechtsfeld bewegen kann und an die Stelle der Panzerabwehrkanone BAT tritt. Dank einer Armeereserve von drei Staffeln (rund 40 Stück) Kampfhelikoptern wird der Oberbefehlshaber künftig an bedeutsamen Frontabschnitten Schwergewichte bilden können, ohne dass er dafür Truppen von anderen Heereseinheiten abziehen muss. Schliesslich ist vorgesehen, die Verteidigung besonders gegen Kampfhelikopter und Tiefflieger durch eine Einmann-Flablenkwaffe zu verstärken [3].
Dieses Leitbild wurde vom EMD ausgearbeitet ohne Anlehnung an die finanziell viel weitergehenden Wünsche und Vorstellungen der Schweizerischen Offiziersgesellschaft [4]. Auch der Gesamtbundesrat betonte, die Militärausgaben hätten sich in die Sparanstrengungen der Eidgenossenschaft einzuordnen. Er kürzte den vom EMD für 1984-1987 vorgesehenen Bedarf für Rüstungsvorhaben und militärische Bauten um rund 500 Millionen auf 6,6 Milliarden Fr. ohne zu verkennen, dass damit für die Landesverteidigung Nachteile und Schwierigkeiten entständen. Demgegenüber forderte der Vorsteher des EMD, Bundesrat Chevallaz, ein reales Wachstum der Militärausgaben um 1% oder 180 Millionen Fr. pro Jahr, um einen genügenden Stand der Rüstung aufrechtzuerhalten, denn eine schlagkräftige Armee sei wichtiger als der perfekte Rechnungsausgleich. Jedenfalls basierte das Armeeleitbild auf Ausgaben, die beträchtlich über dem Betrag lagen, von welchem die sogenannten Haushaltsperspektiven des Bundes ausgingen. Deshalb erhob sich in der Öffentlichkeit die Frage, welches der beiden Dokumente nun eigentlich gelte [5]. Zudem wurde Bundesrat Chevallaz vorgeworfen, er strapaziere das Kollegialprinzip, wenn er öffentlich gegen Beschlüsse des Gesamtbundesrates auftrete. Der Angegriffene erwiderte, er habe in seinen Reden bloss ungefähr die gleichen Gedanken verdeutlicht, welche die Landesregierung selber in ihrem Begleittext zu den Haushaltsperspektiven als Negativposten für die Landesverteidigung erwähne. Allzu blumig drückte sich Generalstabschef Zumstein aus, der am Ustertag meinte, die Armee werde zum Museum und dürfe nur noch alle 200 Jahre etwas Neues anschaffen. Der Bundesrat belehrte ihn, von einer museumsreifen Armee könne auch bei beschnittenen Militärausgaben keine Rede sein. In all den hitzigen Debatten um die sogenannte Opfersymmetrie für die Bundesfinanzen sprachen die Vertreter der Armee selten klar aus, auf welche Weise ihrer Meinung nach die nötigen Gelder beschafft werden sollten, ob durch Einsparungen in anderen Bereichen, durch zusätzliche Einnahmen oder durch eine höhere Verschuldung. Einzig Bundesrat Chevallaz war konsequent genug und votierte für höhere Einkünfte, weshalb er sich beiläufig auch gegen die Volksinitiative zur Bekämpfung der kalten Progression wandte [6].
 
[1] Israelische Piloten: Presse vom 28. und 29.1.82; NZZ, 28, 4.2.82. Russisches Flugzeug: SGT, 110, 13.5.82. DDR-Besuch: NZZ, 108, 11.5.82; 110, 14.5.82; 116, 22.5.82.
[2] Presse vom 5.3.82; AmtL Bull. NR, 1982, S. 547 f.
[3] Presse vom 4.11.82 und 17.11.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 50.
[4] Woche, 1, 8.1.82; 24 Heures, 9, 13.1.82; NZZ, 9, 13.1.82; Vat., 104, 6.5.82. Vgl. SPJ, 1981, S. 48 f.
[5] Presse vom 4.11.82 und vom 20.-23.11.82.
[6] Presse vom 22.11.82 und 30.11.82; Suisse, 136, 16.6.82. Zur Volksinitiative vgl. unten Teil I, 4d.