Année politique Suisse 1982 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Berufsbildung
Die kantonale Einführungsgesetzgebung zum Bundesgesetz über die Berufsbildung kam in den meisten Kantonen problemlos voran. Der Schweizerische Gewerbeverband wertete die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz insgesamt als positiv, wobei er feststellte, dass keine grossen Änderungen eingetreten sind [28]. Besonderes Augenmerk lag nach wie vor auf der Entwicklung der Anlehren. Die Befürchtungen des SGB bewahrheiteten sich bis anhin nicht; die prognostizierten 5% Anlehren (gemessen an allen Lehrverhältnissen) wurden bei weitem nicht erreicht, doch scheint die Zahl im Zunehmen begriffen [29]. Verschiedentlich wurde aber betont, dass das Genehmigungsverfahren durch die kantonalen Berufsbildungsämter garantiere, dass nur jene Jugendlichen einen Anlehrvertrag eingehen, für die eine normale Berufslehre nicht in Frage kommt [30].
Gesamthaft bezeichneten die kantonalen Stellen das Lehrstellenangebot als ziemlich problemlos. Die verzögerte Wirkung des Geburtenrückgangs führte zu einem gesamthaften Gleichgewicht, jedoch differierten im einzelnen Wunsch und Bedarf nach wie vor. Bau, Verkauf und Gastgewerbe hatten Nachwuchssorgen, während Kunsthandwerk, Kaufmännisches und Elektronik besonders begehrt waren [31]. Das BIGA bezeichnete die Lage auf dem Lehrstellenmarkt als befriedigend und stellte fest, dass sich die Lage insbesondere in wirtschaftlichen Ballungsgebieten zu entspannen begonnen habe. V. Moser, Sekretär der Jugendkommission des SGB, betonte demgegenüber, dass sich die Lage in Randregionen und für benachteiligte Gruppen nicht entschärft habe [32].
Die Initiative der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) für eine gesicherte Berufsbildung, mittels der rund 10 000 Plätze in öffentlichen Lehrwerkstätten geschaffen werden sollen, wurde im Sommer eingereicht [33]. Der SGB liess verlauten, dass er nicht prinzipiell gegen öffentliche Lehrwerkstätten sei, dass er aber die Schwerpunkte anders setze. Er forderte erneut die Unterstellung der Lehrlinge unter die Gesamtarbeitsverträge [34]. Junggewerkschafter unterstrichen dieses Begehren mit einer breit angelegten Lehrlingsumfrage [35]. Der Gewerbeverband sah in dieser Politik eine Gefährdung der betriebliche Meisterlehre, weil die Lehrlinge damit in die eigentliche Produktion abgedrängt würden [36]. Zur Verwirklichung der Chancengleichheit für Mädchen und Jünglinge in der Berufsbildung hat der Nationalrat ein Postulat der Neuenburgerin Deneys (sp) überwiesen, das insbesondere die Schaffung einer Anlaufstelle für angehende Lehrtöchter verlangt [37].
Das BIGA hat zwei Erlasse zur Reorganisation der Berufsmittelschule in die Vernehmlassung geschickt. Arbeitgeber wie Gewerkschaften sprachen, sich gleichermassen gegen die vorgesehene Trennung vom übrigen Berufsschulunterricht auch im Pflichtbereich aus [38]. Das 1972 gegründete Institut für Berufspädagogik zog in einem Bericht Bilanz und stellte fest, dass man zwar dem Hauptauftrag, der Ausbildung von Berufsschullehrern, nachkommen konnte, dass jedoch der Aufbau einer Dokumentationsstelle und einer eigenen Forschungstätigkeit nicht gelungen war. Zudem war das Institut in den Räumlichkeiten eingeschränkt. Das Neubauvorhaben wurde von den eidgenössischen Räten trotzdem reduziert [39].
 
[28] NZZ, 67, 22.3.82; 117, 24.5.82.
[29] Bund, 121, 27.5.82.
[30] Vgl. SPJ, 1981, S. 154 f.; LNN, 170, 26.7.82.
[31] NZZ, 74, 30.3.82; 122, 29.5.82.
[32] BaZ, 284, 4.12.82 ; NZZ, 283, 4.12.82. Die Jugendarbeitslosigkeit, d.h. der Anteil der unter 25jährigen an den Ganzarbeitslosen, hat von 1977 bis 1982 von 28,2 % auf 22,8 % abgenommen (Bund, 283, 4.12.82; vgl. auch Vr, 256, 31.12.82).
[33] Vgl. SPJ, 1981, S. 154 f.; Bund, 100, 1.5.82; Presse vom 4.6.82.
[34] BaZ, 12, 15.1.82.
[35] Vr, 71, 14.4.82; NZZ, 144, 25.6.82; 198, 27.8.82.
[36] TW, 223, 6.10.82; Vat., 287, 11.12.82.
[37] Amtl. Bull. NR, 1982, S. 538 f. Die Volkskammer verhinderte hingegen den neuerlichen Versuch zur Aufhebung des obligatorischen Turnunterrichts an Berufsschulen: Amtl. Bull. NR, 1982. S. 1298 ff.
[38] NZZ, 102, 5.5.82 ; BaZ, 104, 6.5.82; TA, 134, 14.6.82. Statistisches zur Berufsschule und Berufsmittelschule in: Die Volkswirtschaft, 56/1983, S. 45 ff.
[39] BBl, 1981, III, S. 149; Amtl. Bull. StR, 1982, S. 168 ff.; Amtl. Bull. NR, 1982, S. 879 ff.; NZZ, 171, 27.7.82.