Année politique Suisse 1983 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires
Volksrechte
Nach einem leichten Rückgang im Vorjahr zeichnete sich auf Bundesebene 1983 wieder ein verstärkter Gebrauch der Volksrechte ab. Es wurden 5 neue Volksbegehren eingereicht (wie 1982), und für volle 8 weitere (im Vorjahr 2) begann die Sammlung von Unterschriften. 2 Initiativen wurden zurückgezogen. Da keine einzige zur Abstimmung kam, erreichte am Jahresende die Zahl der zustande gekommenen, aber noch nicht entschiedenen Begehren die Rekordzahl 23. Das Referendum wurde nicht ergriffen
[32]. Unter dem Eindruck der Panne vom Vorjahr, da wegen Uberschreitens der Behandlungsfrist eine Initiative ohne Parlamentsempfehlung der Volksabstimmung unterbreitet worden war, schlug die mit der Parlamentsreform betraute Nationalratskommission eine neue Regelung vor: der Bundesrat sollte seinen Antrag rascher ausarbeiten, damit das F'arlament — ohne Verlängerung der Gesamtfrist — mehr Zeit zur Verfügung hätte
[33].
Eine unerwartete Wendung nahm im Sommer die Kontroverse um eine Neuordnung des
Abstimmungsverfahrens bei gleichzeitigem Entscheid über Initiative und Gegenentwurf. Auf Antrag der Bundeskanzlei, die sich auf bereits eingereichte oder noch zu erwartende Vorstösse aus dem Parlament und aus mehreren Kantonen beriéf, gestand der Bundesrat ein neues Vernehmlassungsverfahren über eine Revision der bisherigen Regelung zu. Zugrunde gelegt wurde das von den Brüdern Christoph und Richard Haab entwickelte Modell, das die von der Verfassung erforderte Gleichstellung von Initiative und Gegenvorschlag respektiert und gleichzeitig ein möglichst einfaches Verfahren bietet: Neben zwei parallelen Abstimmungsfragen über die vorgelegten Varianten, die er beide positiv beantworten dürfte, hätte der Stimmbürger noch über die Stichfrage zu entscheiden, welche Lösung in Kraft treten solle, wenn Volk und Stände beiden zustimmten. Bei dieser dritten Frage würden Volks- und Ständemehr «verrechnet», was weder dem Prinzip des doppelten Mehrs noch dem der Gleichwertigkeit beider Vorlagen widerspräche, da schon die erste und die zweite Frage beiden Genüge täten. Die antwortenden Kantone, Parteien und interessierten Organisationen zeigten sich einer solchen Revision etwa im Verhältnis 2 zu 1 gewogen
[34]. So konnte der Bundesrat auf 1984 eine Revisionsvorlage in Aussicht stellen. Eine Behandlung im Dringlichkeitsverfahren, wie sie verschiedentlich gefordert wurde, lehnte er freilich ab
[35].
[32] Vgl. Gesch.ber., 1983, S. 4 ff., Verhandl. B.vers., 1983, V, S. 81 sowie SPJ, 1982, S. 17. Die Rothenthurm-Initiative wurde im Jahr 1983 lanciert und auch schon eingereicht (vgl. unten, Teil I, 3, Infrastrukturanlagen). Die bisher höchste Zahl hängiger Initiativen, 20, war Ende 1975 und wieder Ende 1982 verzeichnet worden (vgl. SPJ, 1975, S. 20 f.).
[33] BBl, 1983, IV, S. 494 ff. ; BaZ, 2.12.83. Vgl. SPJ, 1982, S. 17 u. 82. Die Neuerung liesse dem BR — bei Vorliegen eines ausgearbeiteten Entwurfs — nur 1 1/2 (statt 3) Jahre Zeit; die Gesamtfrist für BR und Parlament betrüge unverändert 4 Jahre. Eine einjährige Verlängerung (der Gesamtfrist wie der Frist für den BR) sollte künftig stets zulässig sein, wenn in irgendeiner Form ein Gegenvorschlag ausgearbeitet würde (bisher nur bei divergierenden Beschlüssen der Räte). Zur Initiativenproblematik im allgemeinen vgl. H. Huber, «Über den Initiativenbetrieb und über Ausführungsgesetze zu Volksinitiativen », in Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel. Festschrift für Kurt Eichenberger zum 60. Geburtstag, Basel 1982, S. 341 ff.
[34] Frühere Vorstösse: vgl. SPJ, 1980, S. 25; 1981, S. 24; 1982, S. 17. Neue Vorstösse: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 505 f. (Motion Muheim, sp, LU, als Postulat überwiesen); TA, 8.2.83. Reaktion des BR: NZZ, 18.1.83; 14.6.83. Vernehmlassungsverfahren: Presse vom 30.6.83. Ergebnisse: TA, 8.11.83.
[35] Presse vom 20.12.83. Zur Kontroverse vgl. Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 28.11.82; SAZ, 7.4.83; NZZ, 13.5.83; 15.9.83; Lib., 24.12.83; M. Gauglhofer-Witzig / H. Loeffel, «Ein Beitrag aus formal-logischer Sicht zur Diskussion des Abstimmungsproblems bei Initiative und Gegenvorschlag», in Schweiz. Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 119/1983, S. 23 ff.; M. Stadler, «Für eine Abstimmungsordnung mit echteren Wahlmöglichkeiten», in Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins, 119/1983, S. 187 ff.
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