Année politique Suisse 1983 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturlage
Die 1982 zu verzeichnende Verschlechterung der Konjunkturlage hielt in der ersten Jahreshälfte an. Im dritten und
im vierten Quartal war dann aber ein Anziehen der Wirtschaftstätigkeit festzustellen. Nach Meinung mancher Kommentatoren ging damit die seit 1981 andauernde Rezession zu Ende. Insgesamt erreichte das reale Bruttosozialprodukt nach offiziellen Schätzungen praktisch seinen Vorjahresstand (–0,5%). Die Erholung im zweiten Semester beruhte vor allem auf einer Zunahme der realen Inlandnachfrage. Sowohl der Konsum der privaten Haushalte (+ 1,4%) als auch die laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen (+ 4,4%) wuchsen deutlich. Demgegenüber stagnierten die Investitionen (–0,1 %). Die Exporte von Gütern und Dienstleistungen erhöhten sich nur geringfügig (+ 0,4%), während die Importe mit +4,5% kräftig anstiegen. Trotz der Zunahme der Gesamtnachfrage kam es deshalb zum erwähnten leichten Rückgang des Bruttosozialprodukts
[5].
Die wirtschaftliche Stagnation, in Verbindung mit Rationalisierungen der Produktion, bewirkte eine Verschärfung der
Beschäftigungslage. 31 300 Arbeitsplätze gingen im Berichtsjahr verloren. Sowohl die Teil- als auch die Ganzarbeitslosigkeit nahmen zu. Im Jahresdurchschnitt waren 26 288 Ganzarbeitslose registriert. Dies stellt den höchsten Wert der Nachkriegszeit dar. Gegenüber 1982 verdoppelte sich die Arbeitslosenquote auf 0,8%. Im Vergleich zum Ausland ist diese Quote allerdings weiterhin gering: im OECD-Raum beträgt sie 8,7%, was etwa 33 Mio Arbeitslosen entspricht. Die vom Beschäftigungsrückgang von durchschnittlich 1,3% am meisten betroffene Branche der schweizerischen Wirtschaft war die Uhrenindustrie (–16,1%). Zu einem empfindlichen Abbau im Ausmass von je rund 5% kam es auch im Maschinenbau sowie in der Textil- und in der Bekleidungsindustrie. Der Personalbestand in der chemischen Industrie sank — bei einer beträchtlichen Zunahme der Produktion — um 1,9%. Insgesamt nahm die Beschäftigung im zweiten Sektor um 3% ab. Diejenige im Dienstleistungssektor hingegen veränderte sich kaum. Das heisst, dass der dritte Sektor anders als in früheren Jahren praktisch keine im zweiten Sektor «freigesetzten» Arbeiter aufnahm. Insbesondere weiteten die Banken (+0,4%) und die Versicherungen (+2,4%) ihren Personalbestand nurmehr wenig aus
[6].
Auch die
industrielle Produktion entwickelte sich von Branche zu Branche unterschiedlich. Die markantesten Veränderungen verzeichneten die Chemie mit einem Wachstum von 6% sowie der Maschinenbau und die Bekleidungsindustrie mit einem Rückgang von je 4%. Die Uhrenproduktion verringerte sich nochmals, und zwar um 3%, nachdem sie im Vorjahr eine Schrumpfung um einen Drittel hatte hinnehmen müssen. Leichte mengenmässige Einbussen erlitten die Metallindustrie (– 2%) und die Nahrungsmittelindustrie (– 1 %), während die Textil- und die Holzbranche ihr Niveau zu halten vermochten und die grafische Industrie ihren Ausstoss um 3% steigerte. Schwächer als auf die Industrieproduktion hat sich die Rezession auf die Bauwirtschaft ausgewirkt. Diese nahm 1983 gar leicht zu. Der Tourismus dagegen blieb etwas unter seinem Vorjahresergebnis; die Zahl der registrierten Hotelübernachtungen ging um 1% zurück. Das erzielte Resultat lag aber dennoch etwas über dem Durchschnitt der Jahre 1970-1982
[7].
Weniger Anlass zur Beunruhigung als im Vorjahr gab die
Preisentwicklung. Die Jahresteuerung, die sich Anfang 1983 noch auf mehr als 4'h% belaufen hatte, sank ab August unter 2 %. Im Jahresdurchschnitt betrug die Inflationsrate der Konsumentenpreise 2,9% (1982: 5,7%). Zum günstigeren Verlauf trugen unter anderem die Ölpreissenkung vom Frühling, tiefe Rohstoffpreise und der nachgebende Kurs europäischer Währungen bei. Ausgeprägt war der Rückgang der Inflation auch bei den Grosshandelspreisen. Diese stiegen im Jahresdurchschnitt lediglich um 0,5% (1982: 2,5%). Dabei erhöhten sich die Preise für Inlandwaren um rund 1 %, während die Importwaren im gleichen Ausmass billiger wurden
[8].
1983 erstellte man den
Landesindex der Konsumentenpreise erstmals aufgrund des neuen, im Vorjahr beschlossenen Berechnungsverfahrens. Damit wurde die Umstellung auf die sogenannte Methode der Basisrelationen vollzogen
[9].
[5] Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 285, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 57/1984, Heft 1; SNB, Geschäftsbericht, 76/1983, S. 18 ff. ; Gesch.ber., 1983, S. 270 f. ; vgl. wf, Dok., 49, 5.12.83. Nach allerneuesten Schätzungen des Bundesamtes für Statistik ging das Bruttoinlandprodukt im Jahresdurchschnitt gar nur um 0,1% zurück: NZZ, 21.3.84; Suisse, 22.3.84.
[6] Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 131 ff. Zur Arbeitslosigkeit in den OECD-Ländern vgl. SNB, Geschäftsbericht, 76/1983, S. 5. In der Schweiz kam es zu 186 Betriebseinstellungen. Das Rekordergebnis des Vorjahres wurde damit um 34 Einheiten unterschritten. Die Betriebseinstellugen konzentrierten sich nach wie vor auf die Uhren-, die Maschinen- und die Bekleidungsindustrie (Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 25 f.). Siehe auch unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[7] Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 285, S. 5 und Nr. 287, S. 13 (Beilagen zu Die Volkswirtschaft, 57/1984, Heft 1 und 3). Zur Lage in den einzelnen Branchen siehe auch SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1983; Bulletin/SKA, 89/1983, Jahresendausgabe sowie 90/1984, Februar, März und April; Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 156; «Tourismus in der Schweiz in Hotel- und Kurbetrieben», in Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 226 ff
[8] Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 3 f., 4* und 54 ff.; Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 285, S. 6 (Beilage zu Die Volkswirtschaft, 57/1984, Heft 1); SNB, Geschäftsbericht, 76/1983, S. 23 f. Vgl. unten, Teil I, 4b (Geldmenge).
[9] Der Landesindex der Konsumentenpreise wurde zugleich neu basiert (Dezember 1982 = 100). Zur Indexberechnung siehe wf, Dokumentation zur Wirtschaftskunde, Nr. 68, März 1983; vgl. SPJ, 1982, S. 52. Für Vorschläge für eine Totalrevision des Indexes vgl. NZZ, 7.4.83.
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